Da’Vine Joy Randolph :
„Für den Film habe ich mit dem Rauchen angefangen“

Von Patrick Heidmann
Lesezeit: 5 Min.
Da’Vine Joy Randolph, hier beim Palm Springs International Film Festival im Januar 2024
Ihre Karriere als Schauspielerin hat gerade erst begonnen, schon ist sie für den Oscar nominiert: Da’Vine Joy Randolph spricht im Interview über den Film „The Holdovers“ und welche Tricks sie bei der Schnäppchenjagd auf Mode anwandte.
Noch vor fünf Jahren kannte kaum jemand den Namen von Da’Vine Joy Randolph (auch wenn sie bereits 2012 für ihre Nebenrolle im Broadway-Musical „Ghost“ für den Tony nominiert worden war). Jetzt gilt die 37-Jährige aus Philadelphia dank des Films „The Holdovers“ (seit dieser Woche im Kino) als große Oscar-Favoritin.
Frau Randolph, stimmt es, dass Sie den Regisseur Alexander Payne gar nicht kannten, als er Ihnen eine Rolle in seinem Film „The Holdovers“ anbot?

Ich sollte vielleicht betonen, dass ich mit seiner Arbeit durchaus vertraut war. Nur sein Name sagte mir im ersten Moment nichts, geschweige denn sein Gesicht. Aber umso größer war meine Freude, als ich feststellte, dass er natürlich derjenige war, der für Filme wie „Sideways“ oder „The Descendants“ verantwortlich ist, die ich sehr liebe. Entsprechend begeistert war ich, dass er mich für die Rolle der Schulköchin Mary in „The Holdovers“ in Erwägung zog.

Im Zentrum des Films steht auf den ersten Blick die Dynamik zwischen einem strengen Lehrer und einem rebellischen Schüler, die über Weihnachten 1970 in einem Internat zurückbleiben. Aber Ihrer Mary kommt in dieser Geschichte eine entscheidende Rolle zu …

Das habe ich auch so empfunden. Das hätte schnell eine typische Männer- und Mentoren-Geschichte werden können, so wie „Der Club der toten Dichter“ oder „Good Will Hunting“. Durch meine Figur hält da noch eine andere erzählerische Farbe Einzug. Vielleicht auch eine neue Zärtlichkeit.

Eine Kette rauchende Köchin, deren Sohn gerade in Vietnam gefallen ist – wie leicht fiel es Ihnen, einen Bezug zu dieser Frau herzustellen?

Aller Unterschiede zum Trotz habe ich mich durchaus in ihr wiedererkannt. Nicht zuletzt in ihrer Fähigkeit, im Alltag mehrere Dinge gleichzeitig zu jonglieren, ganz gleich wie viel sie um die Ohren hat oder wie es ihr gerade geht. Sie weiß, dass andere auf sie zählen und sich auf sie verlassen, also schiebt sie die eigenen Befindlichkeiten beiseite und hält durch. Auch weil sie das von ihren eigenen Sorgen ablenkt. Das kenne ich von mir selbst. Wenn es mir nicht gut geht und mich meine eigene Situation herunterzieht, wird das sofort zur Nebensache, wenn zum Beispiel eine enge Freundin sich meldet und mich braucht. Manchmal ist es eben leichter, für andere da zu sein, als für sich selbst.

Stimmt es, dass Payne Sie dazu gebracht hat, mit dem Rauchen anzufangen?

Tatsächlich bin ich absolute Nichtraucherin. Ich komme vom Musical und bin ausgebildete Sängerin, da waren Zigaretten der Stimme wegen natürlich immer ein absolutes Tabu. Aber ich wusste, dass das Rauchen bei dieser Figur wirklich ein entscheidender Faktor sein würde. Alexander schickte mir anfangs zwei Packungen unechter Zigaretten, wie man sie beim Film oft verwendet. Mir wurde allerdings schnell klar, dass die irgendwie nicht das Richtige sind. Die hatten nicht das richtige Gewicht, außerdem sah der Rauch nicht echt aus. Wäre es um eine einzige Szene gegangen, hätte ich das glaubwürdig hinbekommen. Doch sie raucht so viel, gerade auch in ihrer Trauer, dass ich mich schließlich auf echte Zigaretten eingelassen habe. Zum Glück fand ich schnell eine Marke, die sehr leicht und ohne viele Zusatzstoffe war.

So unterschiedlich die drei Figuren sind, um die es in „The Holdovers“ geht, so besonders stimmig ist die Chemie zwischen Ihnen und Ihren beiden Kollegen Paul Giamatti und Dominic Sessa. Was, wenn Sie sich beim Dreh so gar nicht verstanden hätten?

Chemie kann man nicht künstlich erzeugen. Wenn sie da ist, kann man sich glücklich schätzen. Und wenn nicht, dann muss man einfach schauspielerisch noch eine Schippe drauflegen. Das macht die Sache ein bisschen schwerer, aber ja nicht unmöglich, schließlich tun wir bei anderen Dingen auch so als ob. Das ist in unserem Job wirklich Alltag. Gar nicht weil es ständig vorkäme, dass man sein Gegenüber nicht leiden kann. Sondern einfach, weil man oft gar keine Zeit hat, sich kennenzulernen. Man wird mit vollkommen fremden Menschen vor eine Kamera gestellt und soll sofort eine zwischenmenschliche Beziehung glaubwürdig herüberbringen. Da bleibt einem doch gar nichts anderes übrig als zu spielen.

Vor knapp vier Jahren gelang Ihnen mit dem Film „Dolemite Is My Name“ an der Seite von Eddie Murphy der Durchbruch, seither waren sie neben Sandra Bullock in „The Lost City“ oder Serien wie „Only Murders In The Building“ zu sehen. Und nun gewinnen Sie womöglich bald den Oscar. Das ging ganz schön schnell, oder?

Ich weiß natürlich, was Sie meinen, aber eigentlich war das eher ein langer, kontinuierlicher Prozess. Seit meinem Schauspielstudium habe ich konstant gearbeitet, es hat nur etwas gedauert, bis die Leute auf mich aufmerksam wurden. Das finde ich aber gar nicht schlimm, denn so hatte ich Zeit, Fehler zu machen und wirklich herauszufinden, wer ich als Künstlerin bin. Aber ich freue mich natürlich sehr, wie sich meine Karriere in letzter Zeit entwickelt hat und dass einige meiner Figuren – allen voran nun Mary in „The Holdovers“ – wirklich beim Publikum anzukommen scheinen.

Ursprünglich wollten Sie aber Sängerin werden?

Ich studierte Operngesang, aber das lief dann nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Es war dann der Vorschlag meiner Mutter, am College den Studiengang zu wechseln und es beim Theater-Department zu versuchen, weil sie ganz pragmatisch erkannt hatte, dass ich mir da vieles aus dem Musikstudium anrechnen lassen konnte. Erst mit der Zeit erwuchs aus dieser Vernunftentscheidung eine echte Leidenschaft. Wobei es natürlich half, dass ich irgendwann merkte, dass ich scheinbar eine Begabung für die Schauspielerei habe.

Eine andere Leidenschaft für Sie ist Mode, wie zuletzt nicht nur bei diversen Fotoshootings und auf roten Teppichen zu sehen war. Sie verkaufen auch immer wieder online Teile Ihrer Garderobe …

Weil ich einfach zu viel besitze und mehr Platz im Kleiderschrank brauche. Auf Instagram finden Sie den Link zu meinem Shop.

Ist die Begeisterung für Mode erst mit dem Ruhm und dem damit einhergehenden Designer-Outfits entstanden?

Nein, die gab es schon in meiner Jugend, gerade weil ich nicht in wohlhabenden Verhältnissen groß wurde. Wir hatten nie viel, aber meine Mutter und meine Tanten waren findig und wussten immer genau, wann es wo die besten Deals gab. All die Rabatte und Sparangebote am berühmten Black Friday – da waren sie immer ganz vorn mit dabei. Und jeden Samstag liefen wir durch die Einkaufszentren von Philadelphia, etwa die King of Prussia Mall. Das ist eine der größten Malls in den USA, und wir verbrachten da meist lange Stunden, weil meine Mutter und ihre Schwestern auf der Jagd nach Schnäppchen waren, um aus ihrem wenigen Geld das meiste zu machen.

Das hat auf Sie abgefärbt?

Aber so was von! Ich wurde schnell sehr gewieft, was das Shoppen angeht. Bis heute weiß ich noch, wie ich in einem bestimmten Laden mal unbedingt ein Jeansoutfit haben wollte, eine Hose samt Oberteil und passendem Bucket-Hut, wie sie in den Neunzigern in waren. Die Ansage meiner Mutter war: Wir haben das Geld dafür gerade nicht, aber wenn es in einem Monat noch da ist, sieht die Sache vielleicht anders aus. Also versteckte ich das Outfit in dem Laden hinter einem Regal und bin jeden Samstag wieder hin, um zu sehen, ob es noch da ist. Meine Mutter vertröstete mich ewig, weil wir zu knapp bei Kasse waren, aber irgendwann wurde eine Rechnung beglichen, und ich hatte meine Mutter so weit. Sie warnte mich gleich, dass die Klamotten sicherlich längst verkauft seien. Aber ich fand sie immer noch in meinem Versteck – und war unglaublich stolz auf meinen cleveren Plan.

War Mode damals auch eine Art Statussymbol für Sie?

Weniger in dem Sinne, dass ich aussehen wollte, als hätten wir mehr Geld, als es der Fall war. Ich habe vielmehr sehr früh gemerkt, dass ich darüber meiner Persönlichkeit Ausdruck verleihen konnte. Etliche Jahre etwa besuchte ich eine Schule, wo wir Uniformen tragen mussten und also alle gleich aussahen. Da wurden Accessoires für mich enorm wichtig. Schuhe, Haarspangen, Hüte, Anstecker – meine Kreativität kannte keine Grenzen, wenn es darum ging, zu zeigen, wer ich bin. Später am College, wo es natürlich zum Glück keine Uniformen mehr gab, habe ich mir oft für jedes Semester eine Art modisches Thema überlegt. Pariser Chic ganz in Schwarz, zum Beispiel. Da bekam meine ganze Familie vor Weihnachten Wunschlisten mit sehr spezifischen Vorgaben, welche Kleidungsstücke als Geschenk infrage kämen. Und immer mit der Ansage: Wenn ihr nicht exakt diese Teile findet, schenkt mir lieber Geld, und ich kaufe sie selbst. Denn wenn das Motto Paris-Schwarz war, kam eine blaue Baggy-Jeans natürlich auf keinen Fall infrage!