Interview mit Michael Douglas :
„Ich wollte mal Perücke und Strumpfhose tragen“

Von Patrick Heidmann
Lesezeit: 4 Min.
„Ein kluger Mann“: Douglas als Benjamin Franklin
Im Gespräch erzählt Michael Douglas, warum Elon Musk ein Visionär wie Benjamin Franklin ist, wie er seine deutsche Synchronstimme findet – und wieso er früher bekannter war als Jack Nicholson.
Mr. Douglas, Sie sagten kürzlich, dass Sie die Titelrolle in der neuen Serie „Franklin“ (zu sehen bei Apple TV+) vor allem deswegen angenommen haben, weil Sie noch nie für eine solche historische Geschichte vor der Kamera standen und Lust hatten, mal Perücke und Strumpfhose zu tragen. Wirklich ähnlich sehen Sie Benjamin Franklin nun allerdings nicht, oder?

Das war auch mein erster Gedanke, als mir die Rolle angeboten wurde. Ich schaute mir den 100-Dollar-Schein an, auf dem ja sein Konterfei zu sehen ist, und dachte: Wie soll das funktionieren? Wir haben dann erst einmal jede Menge Make-up- und Prothesen-Tests gemacht, und tatsächlich sah das auch ganz gut aus, mit Doppelkinn, dickem Bauch und allem Drum und Dran. Allerdings dauerte es zweieinhalb Stunden, bis die Ähnlichkeit hergestellt war. Da sprangen die Alarmglocken des Produzenten in mir an, denn so viel Zeit konnten wir nicht monate­lang jeden Tag erübrigen. Und die Vorstellung, acht Folgen lang unter dieser Maske versteckt zu sein, behagte mir auch nicht unbedingt. Schließlich lebt man als Schauspieler ja auch davon, dass das Publikum einen wiedererkennt. Also haben wir entschieden, dass es auch ohne Make-up geht und ich die Rolle schlicht mit Schauspielerei ausfülle.

Was interessierte Sie, jenseits der Kostüme, an Benjamin Franklin als historischer Figur?

Franklin war ein außergewöhnlicher Mann mit einer einzigartigen Lebens­geschichte. Wobei mich vor allem die Episode seiner Biographie interessierte, um die es jetzt auch in der Serie geht. Er ist immerhin einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten, und kurz nachdem er und die anderen 1776 die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet hatten, schickte man ihn ein paar Wochen später nach Frankreich, um die damals größte Monarchie der Welt um Unterstützung für diese brandneue Erfindung namens Demokratie zu bitten. Wäre ihm das nicht gelungen, gäbe es die USA in dieser Form heute nicht.

Was kann das Publikum 250 Jahre später aus dieser Geschichte lernen?

Nun, in diesem Jahr wird in den USA wieder gewählt, und in vielen Ländern auf der Welt scheint die Demokratie mehr und mehr vom Aussterben bedroht. Deswegen kann man nicht oft genug daran erinnern, wie hart unsere Vorfahren damals für diese – in meinen Augen beste – Staatsform gekämpft haben. Wie kostbar, aber auch zerbrechlich sie ist. Es ist kein Wunder, dass überall auf der Welt Menschen aus autokratischen Situationen fliehen und in unsere Demokratien zu kommen versuchen. Aber sie ist eben keine Selbstverständlichkeit.

Lernen von Benjamin Franklin also?

Warum nicht? Er war ein kluger Mann und in gewisser Weise der Vater der Mittelklasse. Trat bescheiden auf, mit seiner Fellmütze auf dem Kopf und nicht in diesen noblen Gewändern, die man von anderen Staatsmännern kannte. Er war nahbar und witzig, zu jedem höflich und immer mit einem Kompliment für sein Gegenüber auf den Lippen. Besser kann man doch nicht kommunizieren oder einen Dialog beginnen. Was das angeht, sehe ich durchaus Ähnlichkeiten zwischen Franklin und Joe Biden. Der hat ja auch diese eher volkstümlich-unauffällige Art, mit der er niemanden vor den Kopf stößt, sondern immer das Gespräch sucht.

Sie haben neulich Franklin allerdings auch schon mit Elon Musk verglichen. Wie meinten Sie das denn?

Nun, eine gewisse Genialität ist den beiden sicherlich gemein. Beide haben die Fähig­keit zu Logik, zum Verständnis komplexer Systeme, zu echten Visionen. Genau wie Musk hat Franklin größer gedacht als das, was es schon gab. Sei es bei seinen Forschungen in Sachen Elektrizität oder auch bei den Musikinstrumenten, die er erfunden hat. Und eine starke, selbst­bewusste Persönlichkeit hatte er auch. Andererseits wäre allerdings auch Henry Kissinger ein guter Vergleich, denn Franklin war auch ein enorm charmanter und ausgesprochen diplomatischer Verhandler.

Franklin war vor allem auch ein echter Promi, galt er doch auf der ganzen Welt als Erfinder der Elektrizität. Dass jeder weiß, wer man ist, egal wo man hinkommt, dürfte Ihnen ja vertraut sein . . .

Ein absolutes Luxusproblem natürlich. Meine Bekanntheit ist etwas, über das ich bis heute staune. Und ja, das schon ziemlich lange. Ich weiß noch, wie wir in den Siebzigerjahren rund um die Welt den von mir produzierten Film „Einer flog übers Kuckucksnest“ vorstellten, für seine Rolle als Randle P. McMurphy gewann Jack Nichol­son damals den Oscar. Doch wo immer wir hinkamen, jubelten die Leute mir zu, dem Produzenten des Films. Jack war davon etwas irritiert. Aber ich spielte ja die Hauptrolle in der Serie „Die Straßen von San Francisco“ – und damals sahen das jede Woche 25 und mehr Millionen Menschen. Nicht zuletzt auch in Deutschland, wo ich den ersten Preis meines ­Lebens für meine Arbeit als Schauspieler bekam.

Jack Nicholson, Kirk Douglas und sein Sohn Michael Douglas
Jack Nicholson, Kirk Douglas und sein Sohn Michael DouglasReuters
Den Bambi 1976.

Genau. Damals merkte ich während meiner Dankesrede, wie irritiert mich das Publikum anschaute. Was, wie ich dann feststellte, natürlich daran lag, dass man in Deutschland meine Stimme gar nicht kannte. Und während mein deutscher Synchronsprecher eine tolle, dunkle Stimme hatte, klang ich daneben wie eine piepsige Maus. Seit damals habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, immer mal wieder in den verschiedenen Ländern die Kollegen, die für meine Synchronstimme verantwortlich sind, zum Mittagessen einzuladen und mich zu bedanken. Schließlich tragen sie entscheidend zu meiner Karriere jenseits der englischsprachigen Welt bei.

Sie erwähnten Ihre Arbeit als Produzent, der Sie sich ja schon widmeten, lange bevor das unter Schauspielern üblich war. Was reizt Sie daran so sehr?

Das Produzieren ist auf jeden Fall der Grund dafür, dass ich nie Lust hatte, Regie zu führen. Denn der Produzent ist der Einzige, der wirklich an jedem einzelnen Prozess der Entstehung eines Films beteiligt ist. Anders als in Europa hat in Hollywood meistens nicht der Regisseur das Recht auf den „final cut“, sondern der Produzent entscheidet über die finale Schnittfassung eines Films. In all diese Prozesse eingebunden zu sein ist sehr befriedigend. Und auch etwas ganz anderes als die Schauspielerei. Ich sage immer: Schauspieler bin ich für das Kind in mir, Produzent für den Erwach­senen. Selten mache ich beides gleichzeitig, weil ich mich lieber auf eine Sache konzentriere. Aber für „Franklin“ habe ich eine Ausnahme gemacht, weil es da ein großes, tolles Produktionsteam gab, in das ich mich integrieren konnte, ohne rund um die Uhr involviert zu sein.