Sportschütze Christian Reitz :
„Wenn es das wirklich war, bin ich richtig doof“

Von Katja Sturm
Lesezeit: 3 Min.
Dauerpräsent: Christian Reitz, hier bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking, gewann seine erste Olympiamedaille schon 2008.
Lag es am Brillenglas? Sportschütze Christian Reitz sah in der Olympia-Qualifikationsphase an den Seiten leicht verschwommen. Nun sieht er seinen Weg klarer – und darf zu den Olympischen Spielen.

Am liebsten hätte Christian Reitz „zwischendurch in die Tischplatte gebissen“. Es lief nicht gut für den Olympiasieger von 2016 in der nationalen Qualifikation für die Spiele im Sommer in Paris. Im Kampf um die beiden Tickets, die dem Deutschen Schützenbund in der Disziplin Schnellfeuerpistole zur Verfügung stehen, lag der 36-Jährige nach vier von sechs Wettkämpfen auf dem dritten Platz. Doch beim vorletzten Messen mit den beiden Konkurrenten im Wiesbadener Leistungszentrum gelangen Reitz am Montag 591 Ringe und damit das am Ende ausschlaggebende Ergebnis.

Nach jeweils 360 Schüssen lag Reitz einen Tag später mit 2337 Ringen aus seinen vier stärksten Auftritten genau gleichauf mit seinem Konkurrenten Oliver Geis, hatte aber das höhere Einzelresultat vorzuweisen. Florian Peter, der Jüngste im Trio, konnte sich am Abschlusstag sogar in einem Durchgang einen Zeitfehler erlauben, so sehr dominierte er mit 2361 Ringen den Dreikampf.

Bundestrainer Detlef Glenz überraschte das nicht. Peter, den 24 Jahre alten Obertshausener, zeichne die Leichtigkeit, die Unbeschwertheit der Jugend aus, die auch Reitz in frühen Jahren so erfolgreich machte. Die den Kopf, der so wichtig ist in diesem Konzentrationssport für Perfektionisten, frei hält von dem Druck, der mit jeder Medaille, mit jedem Titel spürbarer wird.

Brillengläser getauscht

In Finals hatten Peter, von Glenz bereits zu Schülerzeiten als „Rohdiamant“ identifiziert, früher allerdings durchaus die Nerven versagt. Doch seit der Sportsoldat regelmäßig „mit körperlichem Stress“ trainiert und negative Gedanken zu blockieren weiß, besteht er auch in angespannten Lagen.

2023 in Doha gewann Peter seinen ersten Weltcup. Für Glenz ist er die Nummer eins im Kader. Für Reitz, den Dauerpräsenten, der 2008 in Peking seine erste, die bronzene Olympiamedaille holte und zuvor schon einen Weltrekord erzielt hatte, sei es in den vergangenen beiden Jahren nicht so gut gelaufen. „Er wird auch 2028 noch schießen und kann Medaillen gewinnen“, sagt Glenz. Doch werde es selbst in diesem Sport, in dem es aufs Mentale ankomme, nicht leichter. „Man muss einen größeren Aufwand betreiben, um sein Niveau zu halten“, erklärt der Experte. Zudem gebe es „öfter Ausfallerscheinungen“, funktionierten plötzlich ganze Serien nicht.

Für die Krise während der Qualifikationsphase hat Reitz einen Grund gefunden. Durch die Brillengläser, die er anfangs im Gestell eingebaut hatte, sah er in der Halle an den Seiten leicht verschwommen. Mittlerweile hat er sie ausgetauscht. „Wenn es das wirklich war, bin ich richtig doof“, schimpfte Reitz mit sich selbst. Er hätte es schon früher besser wissen müssen.

Nun sieht der Sportler des SV Kriftel seinen Weg klarer. Zwischen dem Weltcup Anfang Mai in Baku und jenem in München liegen die Europameisterschaften in Osijek, zu denen auch der Bad Camberger Geis mitfahren wird. „Ich bin gespannt, wer uns da als Team schlagen will“, sagt Glenz. Reitz will sich in den nächsten Monaten noch Zeit nehmen, um an seiner Technik zu feilen. Womöglich schiebt er auch Einheiten mit der Luftpistole ein. Denn sollten die Spezialisten es nicht schaffen, sich in diesem Monat in Rio einen zweiten Quotenplatz zu sichern, könnte Reitz wie 2021 in Tokio einen Doppelstart wagen. Damals hatte er jeweils den fünften Platz belegt.

Diesmal hätte er mehr Zeit, sich von der einen auf die andere Waffe umzustellen, zudem bietet die Anlage in Châteauroux ausreichend Gelegenheit zum Training. In der 43.000 Einwohner zählenden Stadt tragen die Schützen ihre Wettbewerbe aus, 250 Kilometer von Paris entfernt und abseits des großen Trubels. Das werde sich nicht viel anders als ein Weltcup anfühlen, glaubt Glenz. Nicht nur deshalb sieht der Trainer keinen Vorteil für Reitz darin, dass er schon viermal bei den Spielen war. „Mindestens einer von den beiden“, prognostiziert Glenz, „wird es auch diesmal ins Finale schaffen.“