Manufaktur Wellendorff : „Wir arbeiten heute noch mit Werkzeugen wie vor 3000 Jahren“
Im Alter von 15 Jahren habe ich meine Lehre begonnen, das war 1977. In den ersten Lehrjahren macht man in der Regel noch keine Schmuckstücke allein, aber ich erinnere mich an mein Gesellenstück. Das war eine Brillantbrosche. Und mein erstes Schmuckstück, das eine Kundin später getragen hat, war ebenfalls eine Brosche mit großem Opal und Brillanten außenherum.
Mein Vater hatte eine kleine Schmuckwerkstatt mit drei Angestellten und einem Meister. Bei ihm habe ich die Lehre gemacht. Damals hat man Schmuck vom Entwurf bis zum Steinefassen und zur Politur allein gefertigt. Goldschmiede mussten damals wie heute mehrere Gewerke beherrschen. Der Betrieb meines Vaters war nur wenige Kilometer von Pforzheim entfernt. Ich habe dann meinen Meister auf der Abendschule gemacht und lernte dort den Chefdesigner von Wellendorff kennen. Zwei Wochen nach meiner Meisterprüfung habe ich bei Wellendorff angefangen.
Ich glaube, das ist der Umgang mit diesen Werten. Wenn Sie heute Schmuckstücke herstellen, die eine Million Euro wert sind, und einen Stein in der Hand halten, den es so auf der Welt nur ein einziges Mal gibt, müssen Sie schon besonders sorgfältig arbeiten. Der Stein darf nicht zu Schaden kommen, und das Schmuckstück muss am Ende auch genauso aussehen, wie es sich die Kunden und unser Designer vorstellen. Wenn man den Stein zum Beispiel wieder ausfassen möchte, müsste man fast mit der ganzen Arbeit von vorn anfangen.
Bevor ich bei Wellendorff anfing, habe ich in einer Manufaktur gearbeitet, in der wir weniger wertvolle Schmuckstücke gefertigt haben. Wenn Sie dann einen Entwurf für einen fünfundzwanzigkarätigen Smaragd bekommen und wissen, dass es den Stein nur einmal gibt und Sie derjenige sind, der daraus in den nächsten fünf, sechs Wochen ein Collier fertigt, hat man schon großen Respekt.
Ja, das hat er. In der Zeit von Ernst Alexander Wellendorff gab es einen regen Austausch mit Baden-Baden. Zu dieser Zeit verbrachte die internationale Aristokratie ihre Sommerfrische in der Kurstadt. Der junge Goldschmied machte sich auf und zeigte seine Entwürfe den Damen. Er nahm die Aufträge entgegen, fertigte die Stücke in Pforzheim und lieferte sie an die Höfe aus, bis nach Großbritannien und Russland.
1893 war die Zeit des Jugendstils. Er fertigte sehr filigrane Schmuckstücke mit floralen Elementen und geschwungenen, organischen Linien. Inspiration holte er sich aus der Natur. Dabei spielten vor allem traditionelle Goldschmiedetechniken wie Ajourarbeiten eine große Rolle, die heute kaum noch jemand beherrscht. Dabei handelt es sich um Sägearbeiten, die mit speziellen Werkzeugen ausgeführt werden, um feine Aussparungen zu schaffen. Da es noch kein Weißgold gab – das wurde erst 1912 in Pforzheim erfunden –, fertigte Wellendorff viele Arbeiten aus Platin. Die Verarbeitung war aufgrund seiner Härte eine besonders große Herausforderung.
Er war auf der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule in Pforzheim, und dort durchlief er so etwas wie ein duales System, Theorie und Praxis. Da hatte er sehr gute Lehrmeister.
Im Prinzip hat sich nicht viel verändert. Die Etrusker vor knapp 3000 Jahren sind die ersten, von denen wir heute wissen, was für Schmuck Menschen gefertigt haben. Wir arbeiten heute noch mit vielen Werkzeugen, die die Etrusker schon hatten. Feilen und Zangen zum Beispiel. Schon damals haben sie mit Glut und Blasebalg Hitze erzeugt und so das Gold erwärmt und gelötet. Das wird heute ähnlich gemacht, selbst wenn wir zum Beispiel Hydrozon-Lötgeräte haben. Im Großen und Ganzen ist der Goldschmiedeberuf noch mit vielen traditionellen Werkzeugen verbunden.
Bei der Kordel geht es zunächst darum, dass wir einen drei Zentimeter dicken Goldstab in einen 0,25 Millimeter dünnen Draht verwandeln. Dafür muss man viel walzen, glühen, ziehen. Da arbeiten wir mit Ziehsteinen, durch die das Material durchgezogen wird. In der Mitte ist ein Industriediamant, damit der Draht seinen Glanz bekommt. Für die Wellendorff-Kordel sind ungefähr 50 Arbeitsschritte notwendig, vom Schmelzen bis zur Kordel, und acht Berufsgruppen sind daran beteiligt.
Nein, dazu braucht es viel Arbeitserfahrung. Daran müssen wir uns immer wieder erinnern, es gibt nur zwei, maximal drei Menschen auf der ganzen Welt, die eine Wellendorff-Kordel herstellen können. Dafür braucht man viel Erfahrung, Fingerspitzengefühl, Materialverständnis und ein Wissen über Temperaturen, die auf das halbe Grad genau sein müssen.
Ich war als kleiner Junge schon begeistert, wie man morgens mit einer Idee und einem Stück Gold anfängt, und zwei, drei Tage später liegt da ein fertiges Schmuckstück. So etwas mit eigenen Händen zu kreieren und dafür die feinsten und besten Dinge zur Verfügung zu haben, das begeistert mich bis heute.
Es sind gar nicht so wenige. Die Goldschmiedeschule in Pforzheim, übrigens die erste Berufsschule der Welt, hat jährlich gefüllte Klassen. Diesen Beruf gibt es seit mehr als 3000 Jahren, und wir glauben fest daran, dass sich Menschen in einigen Hundert Jahren immer noch gern schmücken. Dafür braucht es dann immer noch Goldschmiede mit ihrem Fingerspitzengefühl und ihrer Kreativität.
Wir wurden oft von Juwelieren und Kunden gefragt, warum Wellendorff-Schmuckstücke einen höheren Wert haben als andere.
Christoph Wellendorff bat mich irgendwann, ein Format zu entwickeln, wie wir an Ort und Stelle erklären können, was Wellendorff anders macht. So kam ich mit vielen Menschen ins Gespräch, die diesen Schmuck kaufen. Die Gespräche machten mir viel Spaß. Vorher kannte ich das gar nicht, ich war ja in der Werkstatt und habe die Schmuckstücke hergestellt. Dann haben wir gemeinsam entschieden, dass mein Weg in diese Richtung geht.