Polizei gibt Tipps :
So haben es Fahrraddiebe schwer

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Der Leiter der Kampagne «Protect your Bike» der Polizei Niedersachsen, Kriminaloberkommissar Dennis Mroz, demonstriert wie ein minderwertiges Fahrradschloss aufgebrochen werden kann.
Weil immer mehr teure E-Bikes gestohlen werden, schlägt das LKA Niedersachsen Alarm. Mit einer Präventionskampagne will es Radfahrer dazu bewegen, hochwertigere Schlösser zu nutzen.

Mehr als jeder dritte Bürger in Deutschland ist laut einer Umfrage aus dem Jahr 2022 schon mindestens einmal Opfer eines Fahrraddiebstahls geworden. Zuletzt wurden jährlich mehr als 250.000 solche Delikte gemeldet. Viele Fälle werden jedoch nicht zur Anzeige gebracht. Die tatsächliche Zahl der Fahrraddiebstähle dürfte daher ungefähr doppelt so hoch liegen.

Besondere Sorgen bereiten den Ermittlern die Fallzahlen bei den E-Bikes, die sich zwischen 2019 und 2023 verdoppelt haben. Aufgrund dieser Entwicklung hat sich auch die Gesamtschadenssumme durch Fahrraddiebstahl verdoppelt. Denn die E-Bikes sind deutlich teurer: Während für ein Fahrrad ohne Motor etwa 500 bis 700 Euro bezahlt würden, liege der Durchschnitt bei E-Bikes bei rund 3000 Euro, ­erklärt Dennis Mroz vom Landeskriminalamt Niedersachsen. 2023 seien sogar erstmals mehr E-Bikes als Fahrräder ohne Motor verkauft worden. „Das Thema hat riesige Relevanz für uns“, sagt der Polizeioberkommissar, denn die Diebstähle ­gefährdeten auch die Ziele der angestrebten Mobilitätswende.

Die Chance, ein gestohlenes Fahrrad wieder zurückzubekommen, ist gering. Die Aufklärungsquote lag in Niedersachsen zuletzt bei zwölf Prozent. Das dortige LKA setzt deshalb nun verstärkt auf Prävention. Am Donnerstag startete die Behörde die Kampagne „Protect your bike“, die Bürger zu einem verstärkten Schutz ihrer hochwertigen Fahrräder bewegen soll. Polizeioberkommissar Mroz rät, gerade bei der Anschaffung teurer Räder nicht an deren Sicherung zu sparen. Die verbreitete Regel, dass man ungefähr 50 Euro in ein Schloss investieren solle, greife zu kurz, sagt Mroz. Nötig seien eher zehn Prozent der Kaufsumme.

Diebe setzen oft auf Winkelschleifer mit Akkubatterie

Der Polizeioberkommissar demons­triert im Foyer des Landeskriminalamts mit einem langen Bolzenschneider, wie einfach sich ein dünnes Schloss durchtrennen lässt. Die Diebe setzen inzwischen oft auf Winkelschleifer mit Akkubatterie, die zwar laut sind, aber dafür noch leistungsfähiger. Mroz schlägt deshalb eine Kombination mehrerer hochwertiger und auch schwerer Schlösser vor. „Masse schafft ­Widerstand“, sagt der Beamte und hält ein mehr als 100 Euro teures Bügelschloss hoch, das besonders widerstandsfähig gegen Winkelschleifer ist. „Bis das durchtrennt ist, verschleißt der Dieb vier bis fünf Sägeblätter“, sagt Mroz. Und da Diebe meistens ihren Aufwand kühl kalkulierten, sei ihnen diese Hürde zu hoch. Fahrradfahrer müssten allerdings auch auf eine hohe Qualität der Schließzylinder achten, sonst setzten die Kriminellen dort an. „Stichwort Lockpicking“, sagt Mroz.

Das LKA rät auch, Fahrräder möglichst an belebten, beleuchteten oder sogar ­videoüberwachten Plätzen abzustellen und sie dort an massive Gegenstände wie Fahrradbügel oder Laternenpfähle anzuschließen. Falls das nicht geschehe, nähmen die Diebe das Rad häufig zunächst mit und brächen die Schlösser später ­andernorts auf. Die Täter heben das abgeschlossene Hinterrad dafür um wenige Millimeter an, zum Beispiel mithilfe eines Hakens am Gürtel. Wenn der Dieb das Rad dann scheinbar lässig neben sich her schiebt und parallel vielleicht noch in sein Handy schaut, falle er damit selbst in einer Fußgängerzone kaum auf, sagt Mroz. Die Fahrräder sollten auch möglichst weit oben angeschlossen werden, dann könnten Täter einen Bolzenschneider nicht am Boden abstützen und benötigten deutlich mehr Kraftaufwand.

Auch GPS-Tracker hält Mroz für „ein probates Mittel“. Natürlich wüssten viele Täter, dass die kleinen Sender häufig unter der Klingel oder unter dem Sattel versteckt sind. „Aber sie wissen nicht, ob ein Sender vorhanden ist, und müssen erst einmal länger suchen.“ Die Tracker hätten den Ermittlern schon einige Erfolge ermöglicht. Wenn in einer Region binnen kurzer Zeit mehrere Fahrräder geklaut werden, ergebe sich durch die GPS-Daten manchmal ­sogar ein Bewegungsprofil der Täter.

Beschaffungskriminalität spielt eine große Rolle

Über das Profil der Diebe kann Mroz wenig Auskünfte geben. Die polizeiliche Statistik zu Fahrraddiebstählen ist wenig aussagekräftig; die LKA-Beamten mussten sich die Daten für ihre Kampagne erst mühsam zusammensuchen. Generell wird zwischen Einzeltätern, Gelegenheits­tätern und organisierten Banden unterschieden. Die Beschaffungskriminalität unter Drogenabhängigen scheint bei vielen Taten eine Rolle zu spielen. „Bei hochwertigen Rädern stecken aber häufig eher Gruppierungen dahinter“, berichtet Mroz. Zum Hintergrund dieser Gruppen macht Mroz keine Angaben. Man wisse aber, dass die Gruppen die gestohlenen Fahrräder manchmal zunächst in der Nähe des Tatorts abstellten, um sie dann später gesammelt mit einem Transporter abzuholen.

Die geringe Aufklärungsquote weist darauf hin, dass die Polizeibehörden solchem Treiben bisher wenig entgegensetzen können. Auch Staatsanwaltschaften und Gerichte zeigen dem Vernehmen nach häufig wenig Interesse an dem Phänomen, obwohl kaum ein Delikt so präsent im Alltag vieler Bürger sein dürfte wie der Fahrraddiebstahl. Das niedersächsische LKA will nun ein Signal setzen, dass man diese ­Taten nicht als Bagatelldelikte betrachtet.

Die Kampagne „Protect your bike“ läuft allerdings darauf hinaus, dass sich die Bürger durch Anschaffung von teuren Schlössern selbst schützen. Nicht wenige gehen längst einen anderen Weg und setzen im Alltag auf eine alte Möhre, die so klapprig ist, dass kein Dieb an ihr Interesse hat. Polizeioberkommissar Mroz hat Verständnis dafür. Das E-Bike für den Ausflug, und fürs Pendeln zum Bahnhof ein billiges Fahrrad – auch das sei eine Strategie.