Hitzephantasien :
Eine kurze Geschichte sommerlicher Utopien

Lesezeit: 8 Min.
So ist es gedacht: Visualisierung des für 2019 geplanten Spreebades
Pünktlich zum Frühjahrsbeginn arbeitet man in Berlin daran, einen Teil der Spree zum größten Freibad der Welt umzubauen. Solche Ideen haben Tradition: Die großen Utopien waren immer Träume, die hohe Temperaturen verlangen.

Zum Frühling gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Meinungen: Für die einen kommen mit der einsetzenden Wärme sogenannte Frühlingsgefühle und andere euphorische Stimmungen auf, die anderen werden vom Gegenteil, der sogenannten Frühjahrsmüdigkeit, geplagt und hängen grimmig unter den knospenden Bäumen herum. Es ist wie mit dem Föhn, dem warmen Wind, der von den Bergen in die bayerischen Städte fegt und den einen Kopfschmerzen, den anderen Hochstimmung beschert. Die Mediziner haben es mittlerweile aufgegeben, irgendwelche Erklärungen dafür abzugeben, wie der Mensch an sich auf den Frühling reagiert, eben weil jeder anders reagiert. Dichter mögen den Frühling in der Regel, Fontane sieht „den schweren Traum“ des Winters abgeschüttelt, Mörike freut sich über das durch die Lüfte flatternde „blaue Band“, die Primaveraphobiker dagegen sind genervt von den hormonvollen Überschwänglichkeiten und beklagen die Folgen, die das frühlingshafte Aufplatzen der Dinge mit sich bringt: Das Cabrio, das aufknospende Auto, ist schlecht, weil nun die Musik, die der erregte Fahrer hört, ungebremst auf die Straße dröhnt, die kurze Hose ist eine Zumutung, weil sie die winterweiße Wade freigibt, die Sandale sowieso, weil das, was sie an die Luft lässt, der Fuß, halt so aussieht wie alles, was lange nicht an die Luft gelassen wurde: weiß, käsig, unappetitlich.

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