Verlagsspezial

Von Paris nach Kattowitz

Von Ralph Diermann
Lesezeit: 5 Min.
UN-Klimakonferenz Ende 2018 im polnischen Kattowitz: Nur wenn sich die Nationen weltweit auf gemeinsame Maßnahmen einigen, kann der Kampf gegen die Erderwärmung Erfolg haben.
Mit dem Abkommen von Paris hat die Weltgemeinschaft den Grundstein für den globalen Klimaschutz gelegt. Bei der Klimakonferenz von Kattowitz geht es nun darum, ein Regel­werk für die Umsetzung der Pariser Beschlüsse zu verabschieden.

Die gute Nachricht: Noch lässt sich verhindern, dass sich die Erde um mehr als 1,5 Grad gegenüber dem Beginn des Industriezeitalters aufheizt. Das geht aus einem Sonderbericht des Weltklimarats IPCC hervor, den die Wissenschaftler Anfang Oktober 2018 vorgelegt haben. Die schlechte Nachricht: Es bleiben dafür nur noch wenige Jahre Zeit. Ein „schneller, weitreichender und beispielloser Wandel in allen gesellschaftlichen Bereichen“ ist dafür notwendig, heißt es in dem Bericht. Bleibe der aus, drohen dramatische Folgen: Ökosysteme verschwinden, extreme Wetterlagen häufen sich, ebenso Dürren und Missernten. „Die kommenden Jahre sind wahrscheinlich die wichtigsten der Menschheitsgeschichte“, erklärt die süd­afrikanische Klimaforscherin Debra Roberts, die als Co-Vorsitzende einer IPCC-Arbeitsgruppe am Bericht mitgeschrieben hat.

Eine enorme Verantwortung also für die rund 20 000 Menschen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Nichtregierungsorganisa­tionen, die an der ab dem 3. Dezember 2018 im polnischen Kattowitz (Katowice) stattfindenden 24. Klimakonferenz der Vereinten Nationen teilnehmen. Die Vertreter aus 197 Ländern werden bei dieser sogenannten COP24 zwei Wochen lang darum ringen, eine Art Gebrauchsanleitung für die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris zu beschließen. In der französischen Hauptstadt einigte sich die Weltgemeinschaft 2015 darauf, die menschengemachte Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Ein erster wichtiger Schritt – doch die eigentliche Herausforderung steht noch bevor: Aus dem Ziel müssen nun so schnell wie möglich konkrete, völkerrechtlich verbindliche Maßnahmen abgeleitet werden. Dafür sollen die Delegierten in Polen nun die Grundlage schaffen.

Enorme Lücke

Zwar haben die Staaten, die das Pariser Abkommen ratifiziert haben, bereits Selbstverpflichtungen zur Minderung ihres CO2-Ausstoßes vorgelegt. Doch diese sind bei weitem nicht ambitioniert genug. Selbst wenn alle Nationen ihre Verpflichtungen einhalten werden, erwärmt sich die Atmosphäre um mindestens drei Grad. „Bislang klafft eine enorme Lücke zwischen den Pariser Klimazielen und dem, was die Staaten tatsächlich tun“, sagt Rixa Schwarz, Teamleiterin Internationale Klimapolitik der Umweltorganisation Germanwatch. Zuletzt waren gar Rückschritte zu verzeichnen: Die Internationale Energie-Agentur (IEA) meldete kürzlich, dass der Kohlendioxid-Ausstoß in diesem Jahr so hoch sein werde wie nie zuvor. Bereits 2017 waren die Emissionen angestiegen. Wichtigste Aufgabe der Klimakonferenz von Kattowitz wird sein, konsistente, transparente Normen zu verabschieden, mit dem die Treibhausgas-Emissionen der einzelnen Staaten sowie deren Bemühungen um den Klimaschutz überprüf- und vergleichbar werden – die Voraussetzung dafür, die Lasten im Kampf gegen die Erderwärmung gerecht zu verteilen. Notwendig sind diese Richtlinien aber auch, um kontrollieren zu können, ob die Strategien der einzelnen Staaten zur Minderung ihrer Treibhausgas-Emissionen tatsächlich dem Pariser Klimaziel gerecht werden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nimmt hier die Kanzlerin und ihr Kabinett in die Pflicht. „Der BDI erwartet, dass sich die Bundesregierung in Kattowitz auf ihre vordringlichste Aufgabe konzentriert: die Verabschiedung eines konkreten Regelwerks zur Umsetzung des vor drei Jahren beschlossenen Pariser Abkommens. Das ist lange überfällig“, erklärt Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI. Das Abkommen von Paris könne nur in internationaler Zusammenarbeit funktionieren, wie zuletzt auch der Sonderbericht des IPCC festgestellt habe. „Hierfür braucht es Regeln, die in Kattowitz endlich beschlossen werden müssen“, so Lösch.

Jährlich 100 Milliarden US-Dollar

Bei einer vorbereitenden Konferenz in Bangkok haben die Delegierten im vergangenen September mögliche Varianten eines solchen Regelwerks diskutiert. Dabei haben die Teilnehmer nach Einschätzung von Germanwatch-Expertin Schwarz bei einigen zentralen Elementen der Umsetzungsregeln deutliche Fortschritte erzielt, etwa bei den Vorschriften zur Transparenz der Maßnahmen für Klimaschutz und -anpassung. Bei anderen Themen waren die politischen Differenzen aber so groß, dass noch keine konkreten Textentwürfe erarbeitet werden konnten.

Während die im Vorfeld der COP24 tagenden Arbeitsgruppen bei den Umsetzungsregeln durchaus noch eine Einigung erzielen könnten, droht bei der Finanzierung von Maßnahmen für den Klimaschutz und die Anpassung an die Erderwärmung – zweites zentrales Thema der Konferenz – in Kattowitz ein offener Konflikt. Im Kern geht es hier um Finanzhilfen reicher Nationen für die Entwicklungsländer. Ab 2020 sollen dafür jährlich 100 Milliarden US-Dollar bereitstehen, finanziert vor allem durch staatliche Haushalte, Entwicklungsbanken sowie durch private Investoren. Offen ist unter anderem, inwieweit sich hier auch industrialisierte Staaten wie China oder Indien beteiligen müssen. Wichtigstes Instrument für das Einsammeln und Zuteilen der Mittel ist der Green Climate Fund. Im vergangenen Sommer wäre der Fonds beinahe an internem Streit zerbrochen. Zumindest dieses Problem ist jetzt aber abgeräumt: Vor einigen Wochen einigte sich der Vorstand des Klimafonds auf Reformen, die den Fortbestand der Institution sichern.

„Die Industrieländer müssen für verlässliche Klimafinanzierung sorgen, damit weltweit Klimaschutz und Anpassung an Klimawandelfolgen möglich werden“, fordert Germanwatch-Vertreterin Schwarz. „Wir erwarten vor allem auch von der EU Zusagen.“ Auf Europa wird es unter anderem deshalb ankommen, weil die Vereinigten Staaten als Geldgeber ausfallen – Präsident Trump hat den Ausstieg seines Landes aus dem Klimaabkommen von Paris angeordnet. Kürzlich hat die amerikanische Regierung gar die Arbeit des internationalen Klimafonds blockiert, als sie die Vergabe von Mitteln für ein Klimaschutzprojekt in China verhinderte. Allerdings ist die EU zuletzt nicht unbedingt durch ein übermäßiges Engagement gegen die Erderwärmung aufgefallen. So wollte der zuständige EU-Kommissar Miguel Arias Cañete eigentlich mit einer Anhebung der europäischen Klimaziele für 2030 ein Signal für die Konferenz in Kattowitz setzen. Vor wenigen Wochen erklärte Cañete jedoch, diesen Plan aufzugeben. Einige Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland, befürchteten Wettbewerbsnachteile für die heimischen Industrien, so dass Cañete nicht die nötige Unterstützung für seine Initiative fand.

Schlechte Vorzeichen also für die Konferenz in Kattowitz? Die Bundesregierung verbreitet lieber Optimismus. Auf einem Vorbereitungstreffen von Ministern und Delegationsleitern aus 37 Ländern Ende Oktober hätten die teilnehmenden Nationen ihre Positionen angenähert, berichtet Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Der Wille der Staaten, das Arbeitsprogramm von Paris wie vorgesehen abzuschließen und sich auf die Umsetzungsregeln zu verständigen, sei erkennbar gewesen. Gut möglich, dass der Sonderbericht des Weltklimarats das seine dazu beigetragen hat, die Kompromissfähigkeit der Teilnehmer zu steigern.

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