Verlagsspezial

„Aggressive Emissionsminderungsziele“

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Elektroinfrastruktur: „Für die breite Nutzung der E-Mobilität benötigt Deutschland dringend auch mehr Ladepunkte.“
Der aktuelle Klimaschutzbericht zeigt: Die Bundesrepublik wird ihr Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken, nicht erreichen. Dabei fällt knapp ein Viertel des gesamten CO2-Ausstoßes im Straßenverkehr an. Weshalb der Anteil von Elektrofahrzeugen trotzdem nach wie vor gering ist und was man dagegen tun kann, erklärt Darryll Harrison Jr., Director Global Communications des kalifornischen Unternehmens ChargePoint.
Seit der Abgasaffäre und der Debatte um Diesel-Fahrverbote gilt der Umstieg auf den Elektroantrieb als notwendig. Wieso können elektrische Fahrzeugflotten der Schlüssel zum Durchbruch der E-Mobilität sein?
Weltweit ist die Elektromobilität im Aufschwung. Die Verbrauchernachfrage ist weltweit auf einem Rekordniveau und wächst auch in Deutschland weiter; Politik und Regierungen fördern zunehmend die Elektrifizierung des Verkehrs; die Automobilhersteller haben Milliarden Euro in Dutzende neue Modelle investiert, die in den nächsten Jahren erwartet werden; und die Kommunen setzen auf sauberere und effi­zientere Transporte.
Während sich die ersten in Massen gefertigten Elektrofahrzeuge auf den Pkw-Markt konzentrierten, hat die Elektrifizierung von Bussen, Lkw und Flotten deutlich schneller zugenommen als von vielen in der Branche erwartet. Dieser dramatische Anstieg der Akzeptanz ist zum großen Teil auf die Verfügbarkeit von mehr Fahrzeugen sowie auf die niedrigeren Betriebskosten von Elektrofahrzeugen zurückzuführen. Darüber hinaus sehen sich viele Unternehmen und Flottenbetreiber mit höheren Nachhaltigkeitszielen sowie dem anhaltenden Wunsch, Kosten zu senken, konfrontiert. Elektrofahrzeuge bieten in beiden Bereichen Vorteile.
ChargePoint
2040 in Großbritannien und Frankreich. 2030 in Indien. So schnell wie möglich in den Niederlanden und in Norwegen – der Abschied vom Automobil mit althergebrachtem Benzin- oder Dieselmotor scheint beschlossene Sache zu sein. Woran hakt es in Deutschland beim Thema E-Mobilität noch?
Weltweit, auch in Deutschland, steigen die Nachfrage nach umweltfreundlicherem Transport wie auch der Wunsch, diesen zu fördern. Die jüngsten Genehmigungen in deutschen Städten zur Schadstoffreduzierung und zum Verbot älterer Dieselautos, die aggressiven Emissionsminderungsziele und die erwartete Zunahme an neuen E-Modellen deutscher Automobilhersteller sind ein weiterer Beweis dafür.
Eines der größten Hindernisse für die Einführung von Elektrofahrzeugen sowohl im Pkw-Bereich als auch in der Flotte ist die Verfügbarkeit einer breiten Palette von Modellen. Da den deutschen Fahrern und Flottenmanagern immer mehr Fahrzeuge zur Verfügung stehen, gehen wir davon aus, dass ein Anstieg des Absatzvolumens folgen wird. Ähnlich wie in anderen Märkten der Welt dürfte das Interesse der deutschen Autofahrer noch weiter zunehmen.
Jeder große deutsche Automobilhersteller plant, in den kommenden Jahren neue Elektrofahrzeugmodelle einzuführen. Mercedes-Benz, die Volkswagen-Gruppe und BMW haben angekündigt, in den nächsten fünf Jahren deutlich mehr in Elektrofahrzeuge zu investieren und dutzende neue Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.
Wer mit dem Elektroauto nicht liegen­bleiben will, braucht ein gutes Netz aus Ladestationen. Doch der Staat kommt mit dem Ausbau kaum voran. Das kalifornische Start-up ChargePoint wurde 2007 gegründet. Seitdem hat es sich mit über 34 000 Ladestationen in den Vereinigten Staaten und Mexiko etabliert. Wie bewerten Sie die Entwicklung der Elektroinfrastruktur und -mobilität in Deutschland im internationalen Vergleich?
ChargePoint ist seit mehr als einem Jahrzehnt im Geschäft, noch bevor die ersten bedeutenden Serien-E-Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten verfügbar waren. In dieser Zeit haben wir einen stetigen Anstieg der Ladeleistung gesehen, wobei es in den letzten Jahren einige der bedeutendsten Steigerungen im Markt gab – sowohl was das Laden als auch den Verkauf von Elektrofahrzeugen betrifft.
Obwohl jeder Markt unterschiedlich ist, sehen wir Europa als einen der größten Wachstumsmärkte für Elektrofahrzeuge in den kommenden Jahren. Dementsprechend erwarten wir, dass mit diesem Anstieg eine deutliche Zunahme der Lademöglichkeiten einhergeht.
Dieses Wachstum in Deutschland ist bereits weit fortgeschritten, und die Dynamik nimmt zu. Bloomberg New Energy Finance erwartet, dass Deutschland der drittgrößte Markt der Welt für Plug-in-Hybride und Elektro­fahrzeuge wird. Auch die Zahl der Ladestellen hat mit der Zunahme der Fahrzeuge auf deutschen Straßen dramatisch zugenommen – ein Trend, den wir fortsetzen wollen. Schließlich tragen auch die von der Bundesregierung bereitgestellten Anreize dazu bei, dass die Zulassungen von Elektrofahrzeugen im Land um mehr als 75 Prozent gestiegen sind.
In den nächsten fünf Jahren wollen die weltweiten Automobilhersteller und insbesondere die deutschen Autokonzerne eine breite Palette von Elektrofahrzeugen einführen, was weiteren Schwung bringen wird.
Sowohl die Entwicklung als auch Produktion von Infrastrukturlösungen für Elektrofahrzeuge gehören zu ChargePoints Leistungsportfolio – vom konventionellen AC-Laden bis hin zum schnellen Laden via DC mit bis zu 400 kW. Wo sollen die Ladestationen in Deutschland stehen?
ChargePoint begann vor etwas mehr als einem Jahr mit dem Aufbau eines umfassenden Vertriebs-, Marketing- und Technik-Teams mit dem Ziel, eine vollständige Palette von Abrechnungslösungen aus Hardware, Cloud-Services sowie Service-Plänen und -Angeboten anzubieten.
Unser Fokus liegt darauf, unser umfassendes Angebot europaweit anzubieten, und wir machen bereits Fortschritte in verschiedenen Bereichen. Neben Hardware-, Software- und Cloud-Lösungen werden auch Lösungen eingesetzt, die nicht nur den Fahrern ein nahtloses Erlebnis bieten, sondern den Flottenmanagern und Stationsbesitzern die Werkzeuge an die Hand geben, mit denen sie ihre Ladepunkte effektiver verwalten, Daten in ein Fahrzeug oder in eine Anwendung integrieren oder Organisationen beim Last- und Energiemanagement unterstützen können.
Während Sie Ladesäulen in ganz Deutschland und darüber hinaus sehen werden, ist unser Geschäft viel umfassender als nur dieses Produkt.
Was sind die rechtlichen Herausforderungen für die Elektromobilität kurz- und mittelfristig?
Für die breite Akzeptanz und Nutzung der E-Mobilität benötigen wir dringend auch mehr Ladepunkte – und zwar am Arbeitsplatz und zu Hause bei den Fahrern. Denn E-Autobesitzer laden ihre Fahrzeuge momentan zu 80 Prozent zu Hause oder am Arbeitsplatz. In Deutschland ist es aber oft sehr schwierig, eine Genehmigung zu bekommen, wenn man nicht im Eigenheim wohnt, also im Mietverhältnis oder bei Eigentümergemeinschaften. Hier benötigen wir dringend eine Gesetzesreform und eine Art „Recht auf einen Ladepunkt“.

Das Interview führte Dirk Mewis.

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