Verlagsspezial

Weitere Hoffnung für Patienten mit Neurodermitis

Von Thomas Werfel
Lesezeit: 4 Min.
Besonders Kleinkinder sind von der entzündlichen Hautkrankheit Neurodermitis betroffen. Sie dürfen in den kommenden Jahren auf zahlreiche neue Therapien hoffen.
An neuen Medikamenten für Menschen mit Neurodermitis wurde lange Zeit kaum geforscht. Erst seit wenigen Jahren wird die Wirksamkeit neuer Therapeutika in klinischen Studien untersucht. Das Interesse der Wissenschaft gehört vor allem gentechnisch hergestellten Arzneimitteln, von denen sich die Forscher viel versprechen.

Neurodermitis stellt die häufigste entzündliche Hautkrankheit in der westlichen Welt dar. Zehn bis zwölf Prozent aller Vorschulkinder und ein bis zwei Prozent der Erwachsenen sind in Deutschland erkrankt, nicht wenige hiervon chronisch und schwer. Die Haut von Neurodermitikern ist oft trocken, schuppig und gerötet. Der oft frühe Krankheitsbeginn und familiär gehäuftes Auftreten sprechen für einen genetischen Hintergrund. Neurodermitis kann örtlich begrenzt beispielsweise auf der Kopfhaut, im Gesicht und an Händen und Füßen auftreten oder sich über den ganzen Körper ausbreiten, ist aber nicht ansteckend. Die Erkrankung führt zu einer deutlichen Verminderung der Lebensqualität aufgrund des oft sehr quälenden Juckreizes und der Stigmatisierung, wenn die Hautveränderungen gut sichtbar sind. Auch Infektionen mit Bakterien und Viren, die sich in den abwehrgeschwächten, entzündeten Arealen häufig ansiedeln, stellen für viele Betroffene ein großes Problem dar.

<br />Guter Behandlungserfolg durch Patientenschulungen

Für die Behandlung ist es wichtig, die verschiedenen Faktoren zu kennen, die zu Neurodermitis führen können. Hierzu gehören hautreizende Stoffe, Allergene sowie mi­krobielle, hormonelle und psychologische Einflüsse. Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen kann keine einheitliche Therapie für alle Betroffenen definiert werden. Stattdessen sind individuelle Schulungen von Patienten durch Ärzte, Pädagogen, Psychologen und Diätberater sehr erfolgreich. In einer deutschen Multicenterstudie hat sich kürzlich sogar bei Erwachsenen gezeigt, die bereits viele Jahre erkrankt waren, dass ihre Haut noch ein Jahr nach der Schulung signifikant besser war als die Haut nicht geschulter Patienten.
Trotz der enormen Häufigkeit der Erkrankung ist das Therapiespektrum bislang relativ schmal. Nach wie vor spielen äußerlich anzuwendende Kortison-Verbindungen eine zentrale Rolle. Alternativ werden Calcineurin-Inhibitoren für die äußerliche Behandlung insbesondere in hautempfindlichen Regionen eingesetzt, da sich die Haut durch diese Medikamente nicht verdünnt. Als systemische Therapie, die über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden kann, gab es bis 2017 nur das relativ nebenwirkungsreiche Cyclosporin, das sonst vor allem in der Transplantationsmedizin zur Verhinderung von Organabstoßungen eingesetzt wird.

<br />Neue Therapeutika dank intensiver Forschung

Immunologische Erkenntnisse der vergangenen Jahrzehnte trugen entscheidend zur Entwicklung neuer Medikamente bei, die gezielt in Entzündungsprozesse eingreifen. So können bestimmte Botenstoffe geeignete therapeutische Zielmoleküle antiallergischer Therapien sein. Diese sogenannten Typ2-Zytokine sind bei der Kommunikation zwischen Immunzellen und gewebeständigen Zellen bei der Abwehr von Parasiten wichtig und bei Menschen mit Neurodermitis, allergischem Asthma bronchiale und allergischem Heuschnupfen überreguliert.
Der monoklonale Antikörper Dupilumab wurde entwickelt, um zwei wichtige Typ2-Zytokine zu hemmen. Erst Ende vergangenen Jahres wurde das Mittel für die Behandlung erwachsener Patienten zugelassen, die mit äußerlichen Medikamenten allein nicht ausreichend behandelt werden konnten. Als Nebenwirkungen wurden nur bei wenigen Patienten lediglich Rötungen an der Einstichstelle des unter die Haut zu spritzenden Antikörpers und Bindehautentzündungen an den Augen beobachtet. Das ist ein deutlicher Fortschritt für viele Betroffene mit schwerer, chronischer Neurodermitis, die zuvor zum Teil mit Immunsuppressiva behandelt werden mussten. In den Studien war allerdings auch zu erkennen, dass nicht alle Patienten ausreichend gut auf Dupilumab ansprechen. Da derzeit mehrere weitere Antikörper in klinischen Studien untersucht werden, ist in den nächsten Jahren mit neuen Immuntherapeutika zur Behandlung schwer erkrankter Neurodermitis-Patienten zu rechnen.

<br />Wichtig für Kinder: Cremes, Salben oder Tabletten

Da Neurodermitis besonders viele Kinder quält, müssen möglichst bald auch für diese Altersgruppe zugelassene und bessere Medikamente auf den Markt kommen. Leider überstehen therapeutische Antikörper die Magen-Darm-Passage nicht und müssen daher injiziert werden, was die Akzeptanz bei Kindern naturgemäß limitiert. Daher sind neue Medikamente besonders wichtig, die äußerlich in Cremes oder Salben auf die Haut aufgetragen oder als Tablette eingenommen werden. Der Wirkstoff Crisaborol, der das Enzym Phospodiesterase-4 hemmt, das bei Entzündungsreaktionen eine Rolle spielt, wurde schon vor zwei Jahren in den Vereinigten Staaten zur äußerlichen Behandlung von Neurodermitis zugelassen. Leider ist die Wirksamkeit im Vergleich zu Kortison-Verbindungen oder Calcineurin-Inhibitoren eher gering. Andererseits traten aber auch praktisch keine Nebenwirkungen auf. Noch ist unklar, unter welchen Bedingungen die Substanz, die in den Vereinigten Staaten derzeit hochpreisig vermarktet wird, in Deutschland verfügbar sein wird. Als Tabletten oder auch in Präparaten, die äußerlich auf die Haut aufgebracht werden, werden derzeit auch Januskinase-Inhibitoren in klinischen Studien zur Neurodermitis getestet. Diese relativ stark wirksamen, antientzündlichen Substanzen werden bereits in der Behandlung rheumatischer Erkrankungen eingesetzt. Erste veröffentlichte Ergebnisse sprechen für einen deutlichen Therapieeffekt.

<br />Vielversprechende Ergebnisse in klinischen Studien

Histamin ist ein zentraler Botenstoff der allergischen Entzündung. Viele Antiallergika, die die Aktivität von Histamin blockieren, wirken leider bei Neurodermitis kaum. In der aktuellen Leitlinie zu Neurodermitis wird aufgrund einer veränderten Schlafqualität sogar von der dauerhaften Anwendung sedierender, älterer Antihistaminika bei Kindern mit Neurodermitis gewarnt. Das kleine Molekül Histamin entfaltet seine biologischen Wirkungen aber auch über andere Rezeptoren. Der Histamin-4-Rezeptor wurde intensiv in einem Forschungsverbund der Medizinischen und Tierärztlichen Hochschule Hannover als mögliches Zielmolekül für die Behandlung von Neurodermitis untersucht, weil er sowohl auf Juckreiz vermittelnden Nervenfasern als auch auf Entzündungszellen nachweisbar ist. Eine kürzlich publizierte Studie mit einem Histamin-4-Rezeptorblocker, der als Tablette eingenommen wurde, führte bereits nach kurzer Behandlungszeit zu vielversprechenden Ergebnissen. Alles in allem besteht die begründete Hoffnung, dass es in den nächsten Jahren viele neue Therapeutika zur Behandlung von Neurodermitis geben wird, die dazu beitragen, die Lebensqualität der oft sehr schwer betroffenen großen und kleinen Patienten zu verbessern.

Universitätsprofessor Dr. med. Thomas ­Werfel arbeitet als stellvertretender Direktor der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie an der Medizinischen Hochschule in Hannover und leitet eine Forschungsabteilung für Immundermatologie und experimentelle Allergologie.

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