Konsumverhalten der Bürger :
Fleisch oder Klimaschutz?

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Weniger Fleisch fürs Klima? Ein Holzkohlegrill mit Thüringer Rostbratwürstchen.
Ernährungstipps oder Informationskampagnen führen laut einer neuen Erhebung nicht dazu, dass Verbraucher weniger Fleisch essen. Sie äußern nicht einmal die Absicht dazu. Derweil geht die Debatte um eine Fleischsteuer weiter.

Mehr pflanzliche Kost, weniger Fleisch: Dieses Ziel hat sich die Bundesregierung in ihrer Ernährungsstrategie gesetzt. In der Politik wird darüber immer wieder öffentlich gestritten. Vor wenigen Tagen provozierte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) im Bundestag: „Für den bayerischen Ministerpräsidenten Söder ist man fast erst dann ein guter Bürger, wenn man den ganzen schönen Tag lang Leberkäs isst“, sagte er. Ein Kulturkampf ums Essen helfe niemandem, betont er immer wieder. Doch würden viele Bürger heute weniger, dafür aber bewusster Fleisch essen. Sie legten dabei mehr Wert auf ihre Gesundheit, das Wohl der Tiere und die Umwelt.

Zumindest am letzten Punkt darf man zweifeln, wenn man einer neuen Umfrage des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) Glauben schenkt. Demnach ändern Ernährungstipps oder Informationen über Fleischkonsum und mögliche Umweltfolgen kurzfristig nichts am Fleischverzehr der Bürger. Solche Maßnahmen führen nicht einmal dazu, dass Verbraucher die Absicht äußern, weniger Fleisch zu essen.

Das ist für die Autoren überraschend – schließlich lassen sich Absichten viel leichter ändern als das tatsächliche Verhalten. „Damit gibt die Studie Hinweise auf mögliche Grenzen verhaltensökonomischer Maßnahmen in Lebensbereichen, die durch starke Gewohnheiten geprägt sind“, sagt RWI-Ökonom Manuel Frondel über die unveröffentlichte Studie, die der F.A.Z. vorliegt.

Fleischkonsum sinkt, aber Geflügel wird beliebter

Im Jahr 2022 untersuchten die Studienautoren, wie sich nach dem Zufallsprinzip verschickte Informationen auf die Reduktion des Fleischkonsums auswirken. Dazu zählten Newsletter über die Umweltauswirkungen von Fleisch, Ernährungstipps und fleischlose Rezepte. Im Verlauf des Experiments aßen die Teilnehmer zwar durchschnittlich 100 Gramm weniger Fleisch als im Monat vor der ersten Befragung. Statistisch lässt sich ein geringerer Fleischkonsum aber nicht bestätigen. Zudem sei die Stichprobe nicht repräsentativ, da tendenziell eher ernährungsinteressierte Personen teilgenommen hätten. Und es dauere in der Regel einige Zeit, bis sich Ernährungsgewohnheiten änderten. Im Durchschnitt aßen die 3000 Befragten etwa 4,3 Kilogramm Fleisch im Monat, etwa der Bundesdurchschnitt.

Der Fleischkonsum der Deutschen ist seit Jahren leicht rückläufig – zumindest bei den meisten Fleischsorten. Geflügelfleisch fällt aus der Reihe, es wird tendenziell beliebter bei Verbrauchern. Wie passt das zusammen? Nach Ansicht von Manuel Frondel vom RWI könnten gesundheitliche und ökologische Faktoren eine Rolle spielen. „Es ist bekannt, dass die Produktion von Geflügelfleisch mit deutlich weniger Treibhausgasemissionen verbunden ist als die von Rindfleisch“, sagt er. Außerdem gilt Geflügelfleisch als gesünder als Schweinefleisch.

Da der Genuss von Schweinefleisch im Islam verboten ist, könnte die Präferenz für Geflügel laut Frondel auch mit etwas mit der Einwanderung der vergangenen Jahre zu tun haben. Das seien aber lediglich Spekulationen.

Fleisch höher besteuern?

Statt reiner Information hält er ein anderes Instrument für sinnvoll, um Verbraucher zu weniger Fleischkonsum zu bewegen. „Der Fleischkonsum könnte wie fossile Brenn- und Treibstoffe mit einem CO2-Preis belegt werden, um das Klima zu schützen“, sagt er. Würde Fleisch teurer, könnte es dadurch womöglich unattraktiver für Verbraucher werden.

Auch auf politischer Ebene wird seit Jahren über eine Fleischsteuer diskutiert. Nicht aus Klimaschutzgründen, sondern um das Tierwohl in den Ställen zu verbessern. Der Knackpunkt ist, dass der Bürger zwar immer wieder beteuert, für mehr Tierwohl zahlen zu wollen, dann aber doch zum Billigfleisch greift. Also will die Politik handeln. Zuletzt war eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch im Gespräch.

Dafür hatten sich die Mitglieder der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ ausgesprochen, mit denen sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor Kurzem getroffen hatte. Minister Özdemir begrüßte die Mehrwertsteuererhöhung, obwohl er zuvor mit dem „Tierwohl-Cent“ ein anderes Konzept vorgeschlagen hatte. Aus der CDU hagelte es Kritik an der „Beliebigkeit“ von Özdemirs Äußerungen. Der Bauernverband lehnt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab. Das Geld müsse aus dem Bundeshaushalt kommen – und sicher beim Bauern ankommen.