Kampf gegen die Inflation :
Galbraith redivivus

Gerald Braunberger
Ein Kommentar von Gerald Braunberger
Lesezeit: 2 Min.
Olivier Blanchard im Jahr 2015
Linke Ökonomen greifen wieder auf Ideen von John Kenneth Galbraith zurück. Galbraith war zwar ein sehr erfolgreicher Autor und ein kluger Kopf. Aber seine Ideen waren auch aus guten Gründen gescheitert

Kaum ein Ökonom dürfte in den vergangenen Jahrzehnten als Sachbuchautor erfolgreicher gewesen sein als der langjährige Harvard-Professor John Kenneth Galbraith (1908 bis 2006). In der Mitte des 20. Jahrhunderts galt Galbraith nicht nur wegen seiner Ablehnung des Vietnamkriegs als ein Star unter den Linksintellektuellen weit über die Vereinigten Staaten hinaus.

Der gebürtige Kanadier, der im Zweiten Weltkrieg eine führende Rolle in der Washingtoner Behörde für Preisregulierungen gespielt hatte, war auch als ein wichtiger Anhänger der Lehren von John Maynard Keynes und Unterstützer der Demokratischen Partei in den USA bekannt.

Nach dem Krieg sorgte er mit einer Reihe flott geschriebener Bücher für eigene Akzente. „The Affluent Society“ (1958) postulierte ein Nebeneinander von privatem Reichtum und staatlicher Armut. „The New Indus­trial State“ (1967) sowie „Economics and the Public Purpose“ (1973) behandelten die Macht großer Konzerne, Verschränkungen eines „militärisch-industriellen Komplexes“ und das Gebot weit reichender Regulierungen.

Hat die Linke heute nicht mehr als Ladenhüter zu bieten?

Viele akademische Ökonomen verachteten Galbraith als ahnungslosen Außenseiter, aber rund 50 Ehrendoktorwürden zeigen, dass er gelesen wurde. In der Öffentlichkeit galt Galbraith als wichtigster Widersacher Milton Friedmans. Aller Prominenz zum Trotz war Galbraith, der keine bedeutenden akademischen Schüler hatte, jedoch bald in Vergessenheit geraten: Seine Ideen konnten sich in theoretischer wie in politischer Sicht nicht durchsetzen.

Doch plötzlich erblicken sie wieder das Tageslicht – freilich meist ohne Berufung auf den Altmeister. Am Wochenende überraschte Olivier Blanchard, einer der prominentesten Makroökonomen, mit der These, Inflation sei eigentlich das Ergebnis von Verteilungskonflikten, weshalb man die Rolle der Geldpolitik überdenken müsse.

Das ist ebenso typisch Galbraith wie aktuelle Plädoyers für Preiskontrollen oder Klagen über eine „Profitinflation“. Galbraith war ein kluger Kopf, aber man konnte schon damals nachlesen, woran seine Konzepte krankten. Die Frage sei gestattet: Hat die Linke heute nicht mehr als Ladenhüter zu bieten?