Zugvogel :
Wie hilft man einem Langstreckenflieger?

Von Wilhelm Irsch
Lesezeit: 2 Min.
Der Knutt frisst sich im Wattenmeer Fett an
Der Knutt ist ein Rekordflieger, der im deutschen Wattenmeer seine Energiereserven auftankt. Damit das auch weiterhin gelingt, müssen Menschen ihm helfen.

Der Knutt steht seit 2009 im Fokus der Zugvogelforschung. Damals wurde der Antrag geschrieben, das Wattenmeer zum Nationalpark zu machen. Im Rahmen der Zugvogeltage in Wilhelmshaven wurden nun Daten präsentiert, wie es dieser Schnepfenvogelart geht. Im UNESCO-Biosphärenreservat Wattenmeer, in dem die Produktion von Biomasse enorm hoch ist und mehr als zehntausend Tier- und Pflanzenarten leben, sollte der Knutt wenig Probleme haben.

68 Prozent der Knutt-Population leben im Watt – nur hier finden die Vögel genügend Nahrung, um ihr Normalgewicht von 120 Gramm innerhalb von drei bis vier Wochen auf 220 bis 250 Gramm mehr als zu verdoppeln. Marc van Roomen vom niederländischen Zentrum für Feldornithologie betont, wie gut die Daten über den Knutt mittlerweile sind: Erfolgten zu Beginn im Jahre 2009 noch alle drei Jahre Gesamterfassungen auf einer jährlichen regionalen Grundlage, so beteiligten sich im Januar 2023 an der Simultanzählung 36 Länder mit über 13.000 Beobachtern.

Verbunden mit Laboranalysen von Federn und Blut fanden Wissenschaftler heraus, dass Knutt nicht gleich Knutt ist. Eigentlich sind es zwei Populationen. Eva Kok und Tim Oortwijn vom Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung (NIOZ) haben die beiden Populationen untersucht.

Veränderte Flugzeiten

Getrieben durch eine innere Uhr, getriggert durch die Tageslänge in Abhängigkeit von der Außentemperatur, hat der Knutt seinen Abflug in den vergangenen 25 Jahren um etwa zehn Tage nach vorne verlegt. Im Wattenmeer sind in den vergangenen Jahren die mittleren Frühjahrstemperaturen kontinuierlich gestiegen. Bis Anfang Mai ist die Unterart Calidris canutus islandi­ca zu Besuch, die anschließend in die Brutgebiete nach Island, Grönland und Nordostkanada weiterzieht. Von Anfang bis Ende Mai wird sie von der Unterart Calidris canutus canutus abgelöst, die in Westafrika überwintert hat und sich im Frühjahr nur etwa drei bis vier Wochen im Wattenmeer aufhält, bevor sie zum Brüten nach Sibirien zieht.

Um im Körper Platz für das zusätzliche Fett zu haben, verkleinert der Vogel vor dem Start alle Organe, die er während des Fluges nicht benötigt. Die Verkleinerung betrifft sogar den Muskelmagen, was mit einer Ernährungsumstellung einhergeht. Eigentlich frisst er Muscheln und braucht, um deren Schalen zu zerkleinern, einen Muskelmagen. Doch wenn er auf weiche Wattwürmer ­umstellt, kann er den Magen ver­kleinern.

Muscheln für den Muskelmagen

Die Unterart canutus legt im Watt innerhalb von drei Wochen 3,7 Gramm pro Tag an Gewicht zu und dies 27 Tage lang, berichtet Gregor Scheiffarth von der Nationalparkverwaltung. Eine wichtige Nahrung ist dabei Macoma balthica, die Baltische Plattmuschel. Je weniger es davon gibt, umso weniger Knutts gibt es.

Das gilt auch für die Herzmuscheln: je mehr gefischt werden, desto schlechter für den Knutt. Die gute Nachricht: Wird die Muschelfischerei eingeschränkt, kommen die Vögel zurück. Ein Beleg dafür, dass ein gutes Management wichtig ist für den Erhalt der Zugsysteme wie den ostatlantischen Zugweg.

Auch der Klimawandel ist für den Knutt eine enorme Herausforderung: Beginnt der sibirische Frühling früher, kommt der Knutt zu spät an. Seine Küken bleiben kleiner und haben kürzere Schnäbel, wodurch sie weniger gut an die Muscheln im Wattboden herankommen. Erreichen sie nicht ihr Optimalgewicht, haben sie wiederum schlechtere Voraussetzungen für den Zug und die Brut.