Fremdgehen im Tierreich :
Erfolgsfaktor Alter beim Seitensprung

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In festen Händen, aber mitunter untreu: Die Blaumeise (Cyanistes caeruleus)
Auch Blaumeisen sind untreu. Die älteren Männchen stellen sich beim Fremdgehen besonders geschickt an. Warum ist das so?

Wenn Blaumeisen, Parus caeruleus, sich fortpflanzen, bilden sie feste Brutpaare – treu sind sie jedoch nicht. In vielen Nestern findet sich mindestens ein Kuckuckskind. Bei den Seitensprüngen zeigt sich dabei eine altersbedingte Kluft: Während reifere Männchen es öfter fertigbringen, Nachwuchs außerhalb ihrer Partnerschaft zu zeugen, schaffen es die jungen Männchen kaum.

Warum ist das so? Mangelt es den Jungspunden an Erfahrung? Sind sie körperlich noch nicht so weit? Oder fehlt ihnen schlicht das Interesse an einem Seitensprung?

Vaterschaftstests zeigen: Viele Blaumeisen gehen fremd

Eine Gruppe von Biologen um Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz wollte Licht in dieses komplexe Beziehungsgeflecht bringen. Dafür beobachteten die Forscher Blaumeisen, die in 277 Nistkästen in einem oberbayrischen Wald brüteten über Jahre hinweg. Von 2007 bis 2022 sammelten sie dort Daten.

Mitthilfe von DNA-Analysen konnten die Forscher herausfinden: Fast die Hälfte der Nester enthielten mindestens ein Ei, das von einem fremden Männchen befruchtet worden war. Allerdings schafften es von den Männchen im Alter von bis zu einem Jahr nur 13 Prozent, ein solches „Kuckucksei“ in ein fremdes Nest zu legen. Bei den älteren Tieren waren es über 40 Prozent.

Jüngere kommen gegen die erfahrene Konkurrenz kaum an

Zusätzliche hungrige Mäuler: In fast der Hälfte der Blaumeisen-Nester findet sich ein Küken von einem fremdem Vater.
Zusätzliche hungrige Mäuler: In fast der Hälfte der Blaumeisen-Nester findet sich ein Küken von einem fremdem Vater.dpa

Als nächsten griffen die Forscher in das Treiben ein. Sie fingen 184 – und damit fast alle – ältere Männchen in der Gegend und ließen sie in 30 Kilometern Entfernung wieder frei. Bei den zurückgebliebenen jungen Männchen, die nun ohne ältere Konkurrenz waren, tat sich etwas. In diesem Jahr schafften es deutlich mehr von Ihnen, Nachkommen außerhalb der Partnerschaft zu zeugen: 33 Prozent von ihnen gelang der Seitensprung, berichten die Forscher im Magazin „Plos Biology“.

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Da der Anteil von Nestern mit mindestens einem Kuckuckskind sich im Vergleich zu den Vorjahren kaum veränderte, kommen die Forscher zu dem Schluss, dass die Unerfahrenen den Platz der reifen Meisen eingenommen hatten. Es liegt somit an der Konkurrenz mit den Alten, dass die jungen Männchen sich seltener außerhalb der Partnerschaft fortpflanzen.

Der evolutionäre Vorteil des Seitensprungs

Warum genau die Erfahrenen ihre jungen Konkurrenten ausstechen, ist jedoch unklar. Möglicherweise siegen sie häufiger in Kämpfen um Weibchen. Denkbar wäre auch, dass sie bei der Nahrungssuche geschickter vorgehen, und dadurch schlichtweg mehr Zeit für die Fortpflanzung haben, oder dass die Weibchen ältere Meisen attraktiver finden.

In jedem Fall gehen Wissenschaftler davon aus, dass der Seitensprung evolutionär gesehen Vorteile bietet. Die Weibchen bekommen eine Chance, die genetische Vielfalt ihres Nachwuchses zu erhöhen. Männchen wiederum geben ihre Gene an mehr Nachkommen weiter ­– ohne sich um die zusätzliche Brutpflege scheren zu müssen.