Kunststoffrecycling :
Was soll aus dem Plastikmüll werden?

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Betrieb für Kunststoffrecycling.
Verfahren, die Kunststoffe in ihre chemischen Einzelteile zerlegen, könnten die Recyclingquote steigern. Dies erfordert allerdings mehr Forschung – und Anreize, etwa durch eine Plastiksteuer.

Bis zum Jahr 2030 sollen in der EU alle Verpackungen so beschaffen sein, dass sich das Recycling lohnt. Die Stoffe sollen im Kreislauf bleiben. Davon ist Deutschland noch weit entfernt, wie ein Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung im Bundestag (TAB) feststellt, der am 7. März erschienen ist.

Mehr als die Hälfte der Kunststoffverpackungen in Deutschland wird nach wie vor verbrannt, „thermisches Recycling“ wird dies genannt. Die Verpackungsindustrie verbraucht mit Abstand die meisten Kunststoffe. 1,2 Millionen Tonnen, das sind 40 Prozent der Kunststoffverpackungen, werden alleine für Lebensmittel verwendet. Davon lassen sich 724 Tausend Tonnen nicht so recyceln, dass ein gleichwertiger Kunststoff entsteht. Sie werden also nicht mehr für Lebensmittelverpackungen eingesetzt, sondern meistens verbrannt. Denn oft bestehen diese Verpackungen aus verschiedenen Kunststoffen, aus Verbundmaterialien, bei denen beispielsweise Papier, Aluminiumfolie und eine Kunststofffolie fest miteinander verklebt sind. Kunststoffverpackungen sind auch dann nicht hochwertig recycelbar, wenn sie verunreinigt sind, sie dunkle Farbstoffe enthalten sowie wenn Etiketten oder Lackreste auf ihnen kleben.

Die Technik ist weiter

„Insgesamt befindet sich das werkstoffliche Kunststoffrecycling in Deutschland derzeit in einer sehr großen Krise“, sagt Johannes Betz vom Öko-Institut, Darmstadt, gegenüber dem Science Media Center. Viele Produkte seien nicht recyclinggerecht designt. Die große Vielfalt der eingesetzten Kunststoffe und die Zusatzstoffe erschwerten zusätzlich das werkstoffliche Recycling, also dass die Kunststoffe eingeschmolzen und zu neuen Produkten verarbeitet werden können.

Der TAB-Bericht konstatiert, Deutschland verfüge zwar über eine leistungsfähige Abfallwirtschaft, doch das führe nicht unbedingt zu einer starken Kreislaufwirtschaft. Der Stand der Technik bei Recyclingunternehmen bleibe hinter dem zurück, was technisch machbar sei. Als erforderlich beschreibt der Bericht Investitionen in die Sortiertechnik, die den Plastikmüll nach Kunststoffart, Materialform und Farbe trennt. Zudem müsse die Verpackungsindustrie die Menge an unterschiedlichen Werkstoffen und deren Inhaltsstoffen reduzieren.

Investitionshürden seien allerdings die niedrigen Preise für Erdöl, nach wir vor der wichtigste Rohstoff für die Kunststoffproduktion, und die geringen Kosten für die Müllverbrennung. Zudem gibt es für den Einsatz von Rezyklaten strenge Grenzen und Vorschriften. Die Kosten für Sammlung und Aufarbeitung gehen bei Plastik vollständig in den Preis für Rezyklatkunststoffe ein, so dass sie teurer werden als Kunststoffe, die frisch aus Erdöl hergestellt werden. Umweltkosten werden bei neuem Kunststoff nicht einberechnet.

Kunststoffe in ihre Bausteine zerlegen

Für Verpackungsabfälle, die sich nicht als Werkstoffe einschmelzen und dann zu neuen Verpackungen verwenden lassen, bietet sich laut dem TAB-Bericht chemisches Recycling an. Das bedeutet, dass Kunststoffe in ihre chemischen Einzelteile zerlegt und im günstigsten Fall wieder zu einem hochwertigen Kunststoff zusammengesetzt werden. Nach Informationen von Regina Palkovits von der RWTH Aachen wendet die Industrie bereits als Verfahren für chemisches Recycling die Pyrolyse an. Dabei werden die Kunststoffe bei hohen Temperaturen zerlegt.

Andere Verfahren wie Vergasung oder Verflüssigung seien technisch bisher nicht ausgereift. „Insbesondere bei heterogenen Produktströmen entstehen beim chemischen Recycling komplexe Produktgemische“, sagt Palkovits gegenüber dem Science Media Center. Dies erfordere eine sehr aufwendige und energieintensive Reinigung der Stoffe. „Diese macht die Prozesse unwirtschaftlich.“

Enzyme statt Hitze

Weniger energieintensiv können biochemische Recyclingprozesse werden, also Vorgänge, bei denen Enzyme die Polymerketten eines Kunststoffs aufbrechen. Bislang funktioniert das nur für wenige Polymere, etwa Polyethylentherephthalat (PET), Nylon oder Polyurethan, wie Uwe Bornscheuer von der Universität Greifswald zu bedenken gibt. Theoretisch sei damit ein 100-prozentiges Recycling möglich. Verfahren, die zum Beispiel mit Enzymen Polyesterfasern verarbeiten, funktionieren bereits bei 70 Grad Celsius, die Pyrolyse von Kunststoff erst oberhalb von 500 Grad Celsius.

Dennoch sind die Verfahrenskosten für enzymatische Verfahren noch zu hoch und nur in wenigen Fällen so weiterentwickelt, dass die Industrie sie mit den erforderlichen Mengen umsetzen kann.

Um die geforderten Recyclingquoten zu erreichen, sind nach Ansicht der Fachleute neben einem recyclingfreundlicherem Design neue Verfahren erfoderlich – chemisch wie biochemisch. Allerdings werde sich ohne wirtschaftliche Anreize wie eine Plastisteuer wenig ändern. Nach Bornscheuers Ansicht solle sich eine solche Steuer auch an der Einsparung von Kohlendioxid-Emissionen orientieren. Gleichzeitung solle eine Plastiksteuer dazu führen, sagt Henning Wilts vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie, „dass nicht nur das Recycling gefördert wird, sondern auch die Vermeidung“.

Der Verbrauch an Plastikverpackungen hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Und die Produktion von Kunststoff verbraucht Ressourcen, verursacht Treibhausgasemissionen und erzeugt Schadstoffe, die in die Umwelt gelangen können.