Körbel zum Tode Hölzenbeins :
„Bernd zählte zu den Allerbesten in Deutschland“

Von Karl-Heinz Körbel
Lesezeit: 4 Min.
Von der Eintracht vereint: Bernd Hölzenbein (links) und Karl-Heinz Körbel, hier 1981
Bernd Hölzenbein war der umgänglichste der „großen Drei“ bei der Eintracht – ein Mensch, der das Gute wollte und Gutes tat. Auch wenn seine Karriere nicht nur Höhen kannte. Ein Gastbeitrag.

Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Tag bei der Eintracht, an dem ich zum ersten Mal mit den Profis, mit den großen Drei Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein und Bernd Nickel trainieren durfte. Ich konnte einfach nicht glauben, wie unfassbar gut sie am Ball waren. Beim Aufwärmspiel 5 gegen 2 war ich minutenlang in der Mitte, weil ich einfach nicht an den Ball kam. Bernd war von den drei Großen der freundlichste, umgänglichste, ein Mensch, der immer anderen helfen wollte, wenn er nicht gerade einen Frust erlebt hatte. Dann zog er sich in sich zurück, wurde zum Eigenbrötler, dann war ihm alles egal, bis er den Ärger verarbeitet hatte.

Bernd war der, der mir als 17-Jähriger bei der Eintracht alles zeigte, erklärte, wie es in der Kabine lief. Nie werde ich ihm vergessen, dass er 1974 zu meiner Hochzeit in meine Heimatstadt Dossenheim kam. Er als frischgebackener Weltmeister zum Jungprofi von noch nicht mal 20 Jahren. Über 800 Schaulustige kamen, es war ein Highlight für ganz Dossenheim.

Etwas Besseres kann man über einen Fußballprofi kaum sagen

Als erstes fallen mir seine Kartengeschäfte mit der Eintracht ein. Für seinen Vater, der ein Busunternehmen in der Nähe von Limburg hatte und seinen Bruder Albert, der für Fans Fahrten organisierte, kaufte er auf der Geschäftsstelle Tickets. Einmal hatten sie sich verkalkuliert, in den 70er-Jahren waren längst nicht alle Heimspiele ausverkauft. Da stand er bis eine Stunde vor dem Anstoß vor dem Haupttor des Stadions und versuchte die Karten loszuwerden, am Ende hat er sie verschenkt. Ich weiß auch noch, dass er für das brisante Derby mit den Offenbacher Kickers, als es für beide Klubs gegen den Abstieg ging, über 100 Eintrittskarten für Freunde und Bekannte organisierte.

Für mich zählte Bernd in seinen Glanzzeiten zu den Allerbesten in Deutschland, auf einer Stufe mit den Offensivspielern von Bayern München und Borussia Mönchengladbach, den damals dominierenden Teams. Er hätte mehr um seinen Platz in der Nationalmannschaft kämpfen müssen, vielleicht mal Ansprüche stellen sollen, dann wäre er ganz sicher auf deutlich mehr als 40 Länderspiele gekommen. Aber dazu fehlte ihm das letzte Stück Selbstbewusstsein. Er zweifelte immer wieder an sich, wenn er im Spiel dreimal hintereinander im Dribbling hängenblieb, ging der Kopf runter.

Dabei waren seine Fähigkeiten enorm, Bernd konnte aus dem Nichts eine Chance kreieren oder ein Tor erzielen. Etwas Besseres kann man über einen Fußballprofi kaum sagen. Heute würde man Bernd als „Unterschiedsspieler“ bezeichnen. Er war ein Schlitzohr, dem Sachen einfielen und der Sachen machte, auf die kein anderer kam. Ein Instinktfußballer. So wie heute Thomas Müller oder damals Manni Burgsmüller. Er war ein Schleicher, der es immer wieder schaffte, in den Rücken der Verteidiger zu kommen, das habe ich oft selbst im Training erfahren dürfen.

Das „klassischste“ Bernd Hölzenbein-Tor entstand aber aus Zufall, da war er ganz einfach ausgerutscht. Im UEFA-Cup-Spiel gegen Steaua Bukarest fiel ihm im Sitzen der Ball auf den Kopf. Ein kurzes Nicken und der Ball lag im Tor. Doch jeder sagte „typisch Hölzenbein“, was ausdrückt, dass ihm alles zuzutrauen war.

„Holz“ hatte einen tolle Schusstechnik, ein gutes Kopfballspiel und konnte den Ball hervorragend kontrollieren. Dazu hatte er ein außergewöhnliches Spielverständnis, das sich mit den Fähigkeiten von Jürgen Grabowski und Bernd Nickel kongenial ergänzte. An guten Tagen spielten die drei jede Abwehr nach Belieben aus.

Gemeinsam auf dem Feld, auch 2010 noch: Karl-Heinz Körbel (links) und Bernd Hölzenbein
Gemeinsam auf dem Feld, auch 2010 noch: Karl-Heinz Körbel (links) und Bernd HölzenbeinPicture Alliance

Der „Grabi“ war der Star, die Diva, die es auch nicht gerne mochte, wenn jemand ihn überstrahlte, mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit oder in den Medien genoss. Bernd sagte immer, das wäre ihm alles egal gewesen, aber das glaube ich nicht ganz. Zwischen den beiden gab es immer wieder leichte Spannungen, die aber von Bernd Nickel gut austariert wurden. Auch ihre Frauen, Bernds Jutta und Jürgens Helga, verstanden sich prima und sorgten immer wieder dafür, dass sich ihre Männer vertrugen. Die beiden Frauen besuchten viele Spiele gemeinsam, und wenn ihre Männer kritisiert wurden, verteidigten sie im Spielerfrauenblock deren Ehre manchmal auch mit dem Regenschirm gegenüber lästernden Fans.

Bernd rüttelte aber nie an „Grabis“ Thron, er erkannte ihn als Boss immer an. Als wir 1980 den UEFA-Pokal gewannen, war es seine größte Sorge, „Grabi“ einzubinden. Der saß in den Endspielen wegen einer schweren Verletzung auf der Tribüne. „Holz“ ließ ihn herunterholen und reichte sofort die Trophäe an ihn weiter.

Der Vorwurf der „Schwalbe“ war falsch

Im Ausland war Bernd vielleicht bekannter als „Grabi“ wegen des Elfmeters, den er im WM-Finale 1974 gegen die Niederlande herausholte. Viele warfen ihm vor, eine „Schwalbe“ gemacht zu haben, danach erhielt er den Ruf eines Elfmeterschinders. Aber das war falsch. 99 Prozent der Elfer für ihn waren berechtigt. Bernd gehörte zu den ganz wenigen Spielern, die wegen ihrer unglaublichen Ballführung mit dem Ball am Fuß immer schneller wurden und nicht langsamer. Die Abwehrspieler verkalkulierten sich bei ihren Tacklings. Außerdem war Bernd ein grundehrlicher Mensch, er hätte sich zu Boden geschämt, unberechtigterweise einen Elfmeter zugesprochen zu bekommen. Er litt unter seinem schlechten Ruf.

Seine Karriere als Eintracht-Vizepräsident und Eintracht-Sportmanager war am Anfang auch sehr erfolgreich, solange er sich auf seinen Fußballverstand und seine Instinkte verließ. Mit der Verpflichtung von Jupp Heynckes als „Welttrainer“, dem er sehr viel Verantwortung für die sportliche Entwicklung übertrug, kam er von seinem Weg ab. Was nicht gut für die Eintracht war.

Heynckes hinterließ einen Scherbenhaufen, Bernd hatte beim Aufräumen nicht mehr das glückliche Händchen, das er vorher hatte und auch sein Vertrauen in sich selbst hatte gelitten. Ich will nicht verhehlen, dass auch ich in dieser Phase eine Zeit lang mit Bernd verkracht war, aber zum Glück haben unsere Frauen diesen Streit gekittet. Denn Bernd ist immer ein Mensch gewesen, der es mit allen gut meinte, der das Gute wollte und der viel Gutes tat.