Mehrkampfmeisterschaften :
Attraktivität ist nicht alles

Von Katja Sturm, Frankfurt
Lesezeit: 3 Min.
Mit neuer Bestleistung: Siebenkampfsieger Tim Nowak
Die Ausrichtung der deutschen Mehrkampfmeisterschaften hin in der Schwebe. Nun bietet Eintracht Frankfurt als einer von drei regelmäßigen Veranstaltern den eigenen Athleten und Sponsoren eine Plattform.

Der Europameister gratulierte im Vorbeigehen. Niklas Kaul war am Sonntag nicht der Einzige aus dem Kreis der besten deutschen Mehrkämpfer, der bei den nationalen Titelkämpfen in der Leichtathletikhalle von Frankfurt-Kalbach gewesen ist, ohne selbst eine Kugel in die Hand zu nehmen oder über die Hürden zu sprinten.

Siebenkampfsieger Tim Nowak hatte kein Problem damit, dass nur sieben Konkurrenten ihm seinen Premierentitel streitig machten und nicht nur bei den Männern, sondern auch bei den Frauen, bei denen Kauls Freundin und Mainzer Klubkollegin Mareike Rösing den Fünfkampf mit 4327 Punkten vor der Neu-Frankfurterin Marie Jung (4139) gewann, diejenigen fehlten, die als heißeste Kandidaten auf die Olympiateilnahme in Paris gelten.

Nowak: „Ich bin topfit“

Mit 6032 Zählern toppte der Ulmer seine bisherige Bestleistung unterm Dach um 126 Punkte und bewies, dass seine neue Taktik, im Training vermehrt an seinen Schwächen zu feilen und im Wettkampf auf seine Stärken zu vertrauen, aufgeht. „Das war heute ein absoluter Befreiungsschlag“, sagte Nowak. Zwei Jahre lang sei er nicht richtig in die Freiluftsaison hineingekommen, nun darf der Weltmeisterschaftszehnte von 2019 wieder auf einen erfolgreicheren Sommer hoffen.

„Eine deutsche Meisterschaft ist eine deutsche Meisterschaft“, begründete der 28-Jährige seine Motivation, in Kalbach an den Start zu gehen. Außerdem teste er seine Fortschritte gerne unter Wettkampfbedingungen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er die Probe schon am kommenden Wochenende beim stark besetzten Meeting in Aubière wiederholt. „Ich bin topfit“, betonte Nowak, und ein Siebenkampf sei leichter wegzustecken als ein ganzer Zehnkampf.

Andere scheuen so eine Doppelbelastung, treten nur in Frankreich oder, wie die Königsteinerin Vanessa Grimm, eine Woche später im estnischen Tallinn zu einem ersten Mehrkampf 2024 an. Bei diesen Meetings werden, wie der Leitende Mehrkampf-Bundestrainer Frank Müller erklärt, mehr Punkte für die Weltrangliste verteilt, die bei Verpassen der Direktnorm für die Olympiaqualifikation zählt.

Bezieht man noch den Fakt ein, dass Sportler wie Kaul oder die frühere WM-Zweite Carolin Schäfer im Winter nur in Einzeldisziplinen antreten, stellt sich die Frage, warum sich Eintracht Frankfurt zusammen mit Leverkusen und Halle/Saale verpflichtet hat, von 2024 an neun Jahre lang im Wechsel die nur bedingt attraktiven Mehrkampfmeisterschaften jeweils am dritten Januar-Wochenende auszurichten. Abteilungsleiter Michael Krichbaum will den eigenen Athleten und Sponsoren eine Plattform bieten. Der Mehrkampf stellt neben den Wurfdisziplinen einen der Schwerpunkte im Klubleben dar, weil sich die Verantwortlichen dort die besten Chancen auf internationale Erfolge ausrechnen.

„Sie haben Planungssicherheit“

In den vergangenen Jahren hingen die Meisterschaften oft in der Schwebe, weil sich nur kurzfristig Ausrichter fanden. „Jetzt haben die Athleten Planungssicherheit“, sagt Krichbaum. Zudem sei es billiger, den Gastgeber zu spielen, als Hotel und Anreise für Athleten und Trainer zu finanzieren, und man könne über den Verkauf von Speisen und Getränken sogar etwas verdienen.

Überlegungen, die DM aufzuwerten, gab es. Doch eine Öffnung für Aktive aus dem Ausland scheiterte an den „starren Regularien“ des Weltverbandes, wie Krichbaum sagt. Der immer wieder aufkommenden Kritik am Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), dass er bei den Mehrkampfmeisterschaften keine Top-Athleten zulässt, die nicht alle Disziplinen absolvieren wollen, und diese deshalb parallel bei anderen Wettkämpfen melden, hält Müller entgegen, dass das den Wettkampf für die anderen negativ beeinflussen könnte.

„Endlich mal clever bauen“

Einer, der durchziehen will, könne beispielsweise für einen Fehlstart disqualifiziert werden, nur weil einer der Einzelstarter schon vorher einmal zu früh aus dem Startblock kam. Zudem laufe man Gefahr, dass der Weltverband den gesamten Wettbewerb als „nicht regelkonform“ wertet und die Leistungen nicht anerkannt werden.

Für die Eintracht gibt es einen weiteren triftigen Grund, sich für das Event zu engagieren. „Es sind die einzigen deutschen Leichtathletik-Meisterschaften, die wir in Frankfurt ausrichten können“, sagt Krichbaum. Die sogenannte Sportstadt verfügt seit dem Neubau des Waldstadions über keine größere Sportstätte mit einer Laufbahn mehr, „und die Stadt hat ja leider auch aus der FSV-Arena ein reines Fußballstadion gemacht“. Vielleicht, so Krichbaum weiter, könne man sich ein Beispiel an Leipzig nehmen und die geplante Multifunktionsarena mit einer Rundbahn versehen. „Dann würde die Stadt endlich mal clever bauen.“