Darmstadt-Stürmer Vilhelmsson :
Der Spätzünder dreht endlich auf

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Volltreffer: Oscar Vilhelmsson hat seine Anlaufschwierigkeiten überwunden.
Torgefährlich, robust – und nun auch beschwerdefrei: Im Kampf gegen den Abstieg baut Darmstadt 98 auch auf den Schweden Oscar Vilhelmsson. Der 20-Jährige hat noch mehr Facetten.

Im Dezember 2023 hat Oscar Vilhelmsson in einer Presserunde eine Anekdote erzählt. Als Darmstadts Stürmer ein paar Wochen davor von einer Länderspielreise mit Schwedens U-21-Nationalmannschaft zurückgekommen war, habe ihn ein Mitspieler in bester Absicht gefragt, ob es seinem Kopf besser gehe. Seinem Kopf? Vilhelmsson war verdutzt. Ihn plagten Schmerzen an der Hüfte. Von „hip head“ war damals im Englischen die Rede. Seinem Kopf ging es gut – der Angreifer konnte seinen besorgten Kollegen beruhigen.

Als Vilhelmsson vor Kurzem wieder nach zwei Einsätzen für Schwedens Nachwuchsauswahl zu seinem deutschen Arbeitgeber zurückgekehrt war, gab es keine Missverständnisse. Der 20-Jährige erfreute sich bester Gesundheit. Und war auch bester Laune, weil er für sein Heimatland auf dem Fußballplatz pflichtbewusst abgeliefert hatte: Beim 6:1 gegen Zypern gelangen ihm drei Treffer, gegen Nordmazedonien (2:0) einer. Im Nationalmannschaftstrikot (insgesamt sechs Tore in sechs Spielen) ist der Torjäger prächtig in Schuss.

Anlaufschwierigkeiten überwunden

Aktuell können sich auch die Darmstädter, die an diesem Samstag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) in Mainz zu einer Art Abstiegsendspiel antreten, über Vilhelmssons Abschlussstärke nicht beklagen. Der in Asa in der Nähe von Göteborg geborene Fußballprofi kommt nach Anlaufschwierigkeiten auch in der Bundesliga immer besser in Schwung.

Beim 2:2 zuletzt in Bochum erzielte Vilhelmsson den Treffer zum 2:2, davor gegen Bayern München setzte er ebenfalls den diesmal eher bedeutungslosen Schlusspunkt zum 2:5. Mit insgesamt drei Toren (er traf auch beim 1:5 gegen Leverkusen in der Hinrunde) in 19 Einsätzen ist Vilhelmsson jetzt sogar der erfolgreichste „Lilien“-Offensivspieler – zumindest im Hinblick auf die als Stürmer im Kader gelisteten Profis.

Treffsicherster Akteur im Ensemble ist der 27 Jahre alte „Mittelfeldspieler“ Tim Skarke, der acht Tore in 24 Einsätzen vorweisen kann. Der von Union Berlin ausgeliehene Profi spielt seine bisher stärkste Erstligarunde. Skarkes Marktwert beträgt laut „Transfermarkt.de“ drei Millionen Euro; bei Vilhelmsson sind es – Stand Dezember 2023 – zwei Millionen Euro. Sein Wert dürfte gestiegen sein. Der Schwede harmoniert gut im Zusammenspiel mit Skarke. Mit muskulären Problemen droht dieser gegen Mainz jedoch auszufallen.

Anders Vilhelmsson: „Oscar blüht richtig auf, weil er über einen längeren Zeitraum verletzungsfrei ist“, sagte in dieser Woche dessen Mitspieler Jannik Müller. So groß die Darmstädter Freude über Vilhelmssons Leistungsaufschwung auf der Bundesliga-Zielgeraden ist – ein bisschen in Sorge um ihren durchstartenden Spätzünder dürften die Darmstädter trotzdem sein. Als der Schwede als Sturmtalent Fahrt in Darmstadt aufgenommen hatte, warfen ihn Verletzungen und Krankheiten meistens wieder zurück. So brachte er keine Kontinuität in sein Spiel und konnte kein Selbstvertrauen aufbauen.

„Mit beiden Füßen abschließen“

Nun aber ist Vilhelmsson seit längerer Zeit beschwerdefrei. Der 1,88 Meter große Profi ist körperlich robuster geworden. Er habe „an Gewicht und Muskulatur zugelegt, ich bin angekommen“, teilte der flinke Schwede im September 2023 mit. Die „Lilien“ profitieren von Vilhelmssons Kopfball- und Zweikampfstärke; auch bei der Arbeit nach hinten geht er mit gutem Beispiel voran.

Sein Trainer Torsten Lieberknecht lobt die „vielen Facetten“ des Angreifers wie die Fähigkeit, „mit beiden Füßen abschließen“ zu können. Vilhelmsson sei „auf jeden Fall reifer“ geworden, findet der Fußballlehrer. Im harten Abstiegskampf – Darmstadt ist seit 20 Spielen sieglos – soll der Schwede jetzt der Trumpf der Südhessen sein.

Im Alter von 18 wurde Darmstadt die erste Auslandsstation des Schweden. Bei seiner Verpflichtung im Sommer 2022 soll er mit einer Ablösesumme von gut einer Million Euro der zweitteuerste Transfer des SVD gewesen sein. Der damalige Sportliche Leiter Carsten Wehlmann pries Vilhelmsson als „eines der aktuell vielversprechendsten Talente im schwedischen Fußball“.

Schon mit 15 Jahren hatte der Stürmer im September 2019 beim IFK Göteborg debütiert; der Klub ist neben Malmö FF Schwedens erfolgreichster Fußballverein. Als Interessent für den „Shooting Star“ galt vor einigen Jahren auch Borussia Dortmund. Vilhelmsson ordnete die Sache später aber ein: Weit fortgeschritten seien die Gespräche noch nicht gewesen. Und er wäre wohl zunächst für die zweite Vereinsmannschaft vorgesehen gewesen, so der Stürmer. Vor seinem Wechsel ans Böllenfalltor sagte Vilhelmsson dann offenbar Vitesse Arnheim und Groningen ab.

Seine Ankunft in Darmstadt hatte er kaum erwarten können. Da damals alle Flüge ausgefallen waren, reiste Vilhelmsson als Beifahrer zusammen mit seinen Eltern im Minivan an. Die Fahrtzeit: rund zwölf Stunden. „Ich habe eine gute Familie, die sich immer sehr um mich gekümmert hat. Dann war ich in Darmstadt auf einmal allein, musste kochen, abwaschen und putzen“, sagte der Angreifer im Herbst 2023 und grinste. Lieberknecht nahm die Vorlage mit Humor auf: „Ich glaube, seine Mutter hat für ihn in Schweden siebenmal am Tag essen gemacht.“ Momentan treibt Vilhelmsson der Hunger auf Tore an.