Formel 1 in Dschidda :
Verstappen siegt weiter und langweilt die anderen

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Max Verstappen fährt zum zweiten Mal allen davon.
Im Red-Bull-Team kracht es gewaltig. Doch Weltmeister Max Verstappen hält der Streit nicht auf. Auch in Saudi-Arabien enteilt er dem Rest des Feldes. Nico Hülkenberg erkämpft mithilfe des Teamkollegen einen Punkt.

So viel zu tun wie in Dschidda haben die Elitepiloten der Formel 1 selten. Die Bahn am Roten Meer weist mit 27 Kurven die meisten des Jahres auf. Ständig müssen Verstappen und Co. am Steuer drehen, pro Runde elfmal nach rechts, 16-mal nach links. Die langsamste Passage wird mit Tempo 80 durchfahren, andernorts biegen sie mit 300 Kilometern pro Stunde ab. Da zieht’s im Nacken, und zwar kräftig.

Die meiste Zeit aber stehen die Steuermänner auf dieser Highspeed-Piste voll auf dem Gaspedal. Und der dieser Tage unangefochtene König der Schnellfahrer hing die anderen beim zweiten Grand Prix des Jahres abermals ab. Weltmeister Max Verstappen gewann im Red Bull vor Teamkollege Sergio Pérez und Charles Leclerc auf Ferrari. Auch Nico Hülkenberg durfte sich freuen: Der Emmericher wurde in seinem Haas als Zehnter abgewinkt und sammelte einen WM-Punkt.

„Red Bull war zu schnell“

„Es war wieder ein phantastisches Wochenende“, sagte Verstappen, der seinen 56. Karriereerfolg bejubelte. „Das Rennen war ein bisschen langweilig“, befand hingegen Leclerc: „Red Bull war zu schnell.“ Platz drei sei demnach das Maximum gewesen, bekannte der Monegasse, der noch den Extrapunkt für die schnellste Runde des Rennens ergatterte. „Wir waren überlegen“, sagte Helmut Marko, Motorsportchef von Red Bull, dem Sender Sky und unterstrich damit Leclercs Worte. Mit Red Bull kann niemand mithalten.

Beim Start um 20 Uhr Ortszeit wählten die meisten Piloten die weichen Reifen. Nur Valtteri Bottas (Sauber) und Ferrari-Pilot Oliver Bearman setzten auf Medium-Pirellis. Bearman, aus dem Ferrari-Nachwuchs, kreist für gewöhnlich in der Formel 2. Weil jedoch Carlos Sainz wegen eines akut entzündeten Blinddarms operiert werden musste, stieg der 18-jährige Brite rasanter Weise auf zum Formel-1-Piloten. Der aus der Klinik entlassene Sainz drückte in der Garage die Daumen.

Für Verstappen lief es gleich wie geschmiert. Er reagierte den entscheidenden Wimpernschlag schneller als Charles Leclerc, der, statt den Weltmeister anzugreifen, in den Abwehrmodus schalten musste gegen Sergio Pérez im zweiten Red Bull. Das gelang fürs Erste, doch vor ihm war Verstappen nach wenigen Kurven ungestört enteilt. „Ich brauche einen guten Start“, hatte Leclerc vor dem Rennen noch gesagt. Ein Satz mit X. In der vierten Runde zog Pérez schließlich vorbei, früh schienen so die Weichen gestellt für den nächsten Doppelerfolg des Weltmeisterteams.

Konflikt um Horner schwelt weiter

Die sportlichen Geschehnisse wurden in Dschidda abermals von der Affäre um Teamchef Christian Horner überschattet. Helmut Marko, einer seiner Gegenspieler im Team und enger Vertrauter Max Verstappens, musste sich Spekulationen um seine Ablösung erwehren. Verstappen hatte am Freitag direkt nach seiner Fahrt auf die Pole Position energisch Partei ergriffen für den Österreicher, der ihn schon als Nachwuchspilot gefördert hatte. „Ohne ihn im Team, glaube ich, wird es ein Problem geben, auch für mich selbst“, sagte der Niederländer.

Die deutliche Drohung, Red Bull notfalls zu verlassen, zeigte anscheinend Wirkung. Am Renntag verkündete Marko bei Sky nach einem klärenden Gespräch mit Red-Bull-Geschäftsführer OIiver Mintzlaff: „Ich mache weiter, ja.“ Es müsse wieder Ruhe ins Team einkehren, fügte der 80-Jährige hinzu und setzte später nach: „Mit zwei Doppelsiegen ist die Welt wieder in Ordnung.“

Danach aber sieht es nicht unbedingt aus. Am Sonntag soll ein Treffen von Mintzlaff mit den thailändischen Red-Bull-Mehrheitseigentümern in Dubai folgen. Die Thailänder stützen Teamchef Horner in der Affäre und wollen ihn im Amt halten. Verstappens Vater Jos indes bekräftigte am Samstag in der englischen Tageszeitung „Daily Mail“ seine Rücktrittsforderung: „Ich habe bereits gesagt, dass es Probleme gibt, wenn er bleibt.“

Stroll schießt in die Bande

„Hier kann immer viel passieren“, hatte Verstappen vor dem Start noch gesagt, meinte aber ausnahmsweise den Sport. Er warnte vor dem unfallträchtigen Straßenkurs. Und plötzlich übernahm ein Aston Martin die Führung. Es war das Safety-Car mit dem Schwaben Bernd Mayländer am Steuer. Lance Stroll hatte die Kurve geschnitten und die Begrenzung touchiert, die vordere Radaufhängung knickte ab. Ohne lenken zu können, schoss Stroll in die Barriere, kletterte aber unverletzt aus dem zerstörten Dienstwagen (ebenfalls ein Aston Martin).

Die Piloten nutzten die Neutralisierung für den einzigen obligatorischen Service. Lando Norris, Lewis Hamilton und Nico Hülkenberg taktierten hingegen und blieben draußen. Apropos Hamilton: Im Dezember 2021 hatte der siebenmalige Champion in Dschidda sein bis dato letztes Rennen gewonnen. Ewigkeiten ist das her.

Norris wurde vorübergehend an die Spitze gespült und selbst für den so überlegenen Verstappen war es auf harten Reifen zunächst schwierig, das Tempo des McLaren mitzugehen. Doch ein paar Touren später waren die Walzen auf Temperatur und der Weltmeister zog mühelos vorbei.  

Ungemach derweil für Sergio Pérez: Die Rennleitung brummte ihm fünf Extrasekunden auf. Seine Crew hatte ihn beim Service in das rege Treiben der Schnellspur geschickt. Doch wer wie der Mexikaner in einem dominanten Auto sitzt, den brauchen lästige Strafsekunden nicht zu schrecken. Pro Runde war Pérez mehr als eine halbe Sekunde schneller als Leclerc, der ihn nie bedrängen konnte.

Zwei Drittel der Grand-Prix-Distanz waren absolviert, an der Spitze nahmen die Dinge ihren Lauf, da wurde es wenigstens im Mittelfeld hitzig. Kevin Magnussen im Haas, auf Rang zwölf liegend, bremste willentlich eine Meute von sechs Verfolgern aus. Mit teils halsbrecherischen Manövern. Die Mission des Dänen, dessen Rennen durch zwei satte Zeitstrafen früh gelaufen war, und der nun die rollende Schikane spielte: seinem Teamkollegen Nico Hülkenberg helfen. Der war, von Platz 15 gestartet, mithilfe des Safety-Cars vorangekommen in die Punkteränge.

Albon schimpft auf Magnussen

Nun wollte das Team sicherstellen, dass der Rheinländer nach dem obligatorischen Reifenwechsel noch Aussicht auf Zählbares hat. „Unanständig“, kommentierte Williams-Pilot Alex Albon als einer der Gekniffenen das ausgeklügelte Zusammenspiel der Haas-Kollegen, das, da Hülkenberg vor Magnussen schließlich Zehnter wurde, aufging. „Erstklassige Teamarbeit“, wurde Magnussen per Funk gelobt.

„Ich habe gehört, dass mir mein Teamkollege den Weg geebnet hat“, sagte Hülkenberg bei Sky. „Alex Albon kam zu mir und sagte ‚Magnussen hat für dich gekämpft als wäre er dein Bruder‘.“ Für Luftsprünge sei es beim Haas-Team aber noch zu früh, ergänzte der Rheinländer. Der positive Trend müsse sich noch bestätigen.

Ferrari hinterlegte in Dschidda, die zweite Kraft der Formel 1 hinter Red Bull zu sein. Mercedes liegt noch hinter McLaren zurück. „Nicht gut, nicht gut“, kommentierte Teamchef Toto Wolff das Ergebnis. Lewis Hamilton wurde schließlich Neunter, sein Stallgefährte George Russell war als Sechster abermals schneller. Wolff sprach von vielen „Fragezeichen“ bei den Silberpfeilen, die sich „im Kreis“ drehten.

Für McLaren wurde Piastri Vierter, Norris Achter. Fernando Alonso auf Aston Martin kam als Fünfter ins Ziel. Und Bearman, der Debütant im Ferrari? Kam nach 50 Runden und 308 Kilometern als Siebter an. Die Scuderia bescheinigte ihm einen „mega Job“, der Youngster schwärmte, wie viel Spaß ihm die Hatz durch Dschidda gemacht habe.

Wenn die Formel 1 in zwei Wochen in Australien aufschlägt, jagt Dauersieger Verstappen den nächsten Rekord. Saisonübergreifend gewann der Niederländer jetzt neunmal in Folge. Die Bestmarke von zehn Siegen hintereinander stellte er im vergangenen Jahr selbst auf. So ist der Stand der Dinge in der Formel 1: Max Verstappen fährt nur gegen sich selbst.