Formel-1-Weltmeister gestoppt :
Feuer bei Verstappen begünstigt Ferrari-Sause

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Nichts wie raus: Max Verstappens Red Bull gerät in Australien in Brand.
Carlos Sainz gewinnt das dritte Rennen des Jahres in der Formel 1. Der Red Bull von Weltmeister Max Verstappen geht früh in Flammen auf. Doch der Doppelerfolg von Ferrari hat einen kleinen Schönheitsfehler.

Ob er ihn noch eingeholt hätte? Diese Frage wird sich Max Verstappen nach dem Großen Preis von Australien stellen, zusammen mit seinen Ingenieuren. Erstmals in dieser Saison kam der Formel-1-Weltmeister nicht als Erster ins Ziel. Und so ist etwas Feuer unter dem Dach im Team des Seriensiegers.

Erst ein paar Qualmwolken, dann züngelnde Flammen kündigten das relativ frühe Ende der großen Sause für den Champion beim dritten Rennen der Saison im Red Bull nach nur vier Runden an. „Die hintere rechte Bremse funktionierte nicht“, gab Verstappen zu Protokoll. Der erste Ausfall seit zwei Jahren, damals auch in Melbourne, beendete den Versuch des Niederländers, zum zehnten Mal in Serie zu gewinnen. Oder hätte das Glückskind des Tages diesen Triumph nicht zugelassen?

„Das ist wunderbar“

Carlos Sainz auf Ferrari lag im Moment von Verstappens Pech in Führung, hatte schon in der zweiten Runde nach dem Start den dreimaligen Weltmeister überholt. „Die Bremse machte von Anfang an zu“, erklärte Verstappen seinen Rückfall, als er den Wettkampf um seine – vorübergehende – Nachfolge als enttäuschter Zuschauer verfolgte.

Und sah, wie der Spanier die erstbeste Position bis ins Ziel nicht mehr hergab, vor seinem Teamkollegen Charles Leclerc siegte und der McLaren-Fraktion mit dem Briten Lando Norris als Drittem vor Oscar Piastri bei dessen Heimrennen.

Ferraris Mechaniker und Ingenieure feierten den Doppelerfolg von Melbourne als gewaltigen Triumph über den Branchenführer ausgelassen, singend, feixend. Weil zur Qualität von Rennwagen auch deren Standfestigkeit gehört. Und weil Sergio Pérez im identischen Red Bull mit 56 Sekunden Rückstand nur Fünfter wurde, teils um zwei Sekunden langsamer kreiste als Sainz. „Was für ein Glück, das ist wunderbar. Ich konnte mein Tempo kontrollieren, die Reifen managen. Es war ein sauberes Rennen“, sagte er zu seinem dritten Sieg in der Formel 1.

Wahrscheinlich ist es ein Novum in der Geschichte der Formel 1: Zwei Wochen nach seiner Blinddarmoperation während des Rennwochenendes in Saudi-Arabien stieg Sainz zum Fahrer des Tages auf. „Ich bin eigentlich noch gar nicht vollständig fit“, hatte er noch am Samstag berichtet, nach Rang zwei im Qualifying.

Schon bei der Jagd auf die beste Startposition überraschte der Sohn des Rallye-Weltmeisters Carlos Sainz Senior. Eigentlich ist Leclerc der Meister der „schnellen“ Runde. Und nicht nur eigentlich der Mann der Zukunft bei der Scuderia.

Hat der Falsche gewonnen?

Und so haftet der wunderbaren Geschichte aus Sicht der Ferrari-Strategen ein kleiner Schönheitsfehler an: Hat der Falsche gewonnen? Zumindest der Schnellere an diesem Wochenende. Auch wenn die Strategen an der Boxenmauer mit Blick auf den greifbaren Erfolg eine Art Teamorder aussprachen, stellte niemand die besondere Leistung von Sainz infrage. Der Mann, der zum Ende dieses Jahres dem Rekordweltmeister Lewis Hamilton weichen muss, machte am Sonntag die beste Werbung für einen guten Anschlussvertrag an anderer Stelle – warum nicht bei Red Bull? Vielleicht bei Mercedes.

Ein Ringtausch bedeutete für Sainz – gemessen an der aktuellen Leistungsfähigkeit der Boliden – einen Rückfall. Mercedes erlebte ein Desaster auf dem Kurs im Albert Park von Melbourne. Hamilton musste seinen Silberpfeil offenbar wegen eines Motorschadens abstellen. Teamkollege George Russell sah sich schon als Fünfter im Ziel, als er in der letzten Runde zu dicht an den vergleichsweise langsamen Aston Martin Fernando Alonsos heranschoss. Dabei verlor er den Anpressdruck in der Kurve und schoss durch das Kiesbett.

Nach dem Einschlag kam der Mercedes auf der Piste zum Stillstand, auf der Seite liegend. Russell kletterte unverletzt aus dem Wrack. Aber ernüchtert: ein Fehler, null Punkte. „Ich bin abgeflogen, es war mein Fehler, aber es war ein bisschen komisch“, sagte der Engländer, „Fernando hat 100 Meter vor der Kurve gebremst, wir müssen die Daten prüfen. Er ist plötzlich sehr langsam geworden, das hat mich überrascht. Es ist interessant, dass er zu den Streckenkommissaren gerufen wurde.“

Alonso sprach von Problemen mit der Batterie zum Ende des Rennens. „Ich kann mich nicht auf die Autos hinter mir konzentrieren.“ Später sprach die Rennleitung Alonso die Schuld für den Unfall zu. Er wurde mit einer zwanzigsekündigen Zeitstrafe belegt und fiel im Klassement von Platz sechs zurück auf acht. Die Stewards betrachteten „die Tatsache, dass Alonso sich zu diesem Zeitpunkt für ein ungewöhnliches Manöver entschieden hat, als einen erschwerenden Umstand“.

Punkte für Hülkenberg

Von Russells Unglück profitierte nicht zuletzt Nico Hülkenberg im Haas. Der Rheinländer rückte im letzten Moment von Rang zehn auf neun vor, gefolgt von seinem Teamkollegen Kevin Magnussen. Goldwerte Platzierungen für einen Rennstall, der seinen Vorsprung vom Ende des Feldes bestätigte.

Auch der Teamchef von Ferrari, Fred Vasseur, fühlt sich bestätigt. Auf einer Runde im Qualifying zeigte Verstappen am Samstag zwar seine Extraklasse. Und „wenn Max problemlos fährt, kann man Ferrari in den Griff bekommen“, sagte Red Bulls Sportchef Helmut Marko. Aber über die Grand-Prix-Distanz von rund 300 Kilometern zeigte vor allem Sainz, was in dem neuen Ferrari steckt. In jedem Fall die mit Abstand beste Nummer zwei im Feld, wenn der Weltmeister aufgeben muss.

Mit diesmal einem Piloten am Steuer, der sich mit dieser Position im Team nicht zufriedengeben wird. „Erst der Anfang der Saison (mit Bekanntgabe des Hamilton-Wechsels/d. Red.), dann die Operation in Dschidda und nun der Sieg. Das Leben ist eine Achterbahnfahrt“, sagte Sainz.

In der Fahrerwertung führt Verstappen mit nur noch vier Punkten vor Leclerc. Sainz liegt auf Rang vier mit 40 Punkten hinter Pérez (46). Wenn man so will, dann ist er der Siegertyp bei Ferrari. Im vergangenen Jahr bremste nur einer Red Bull erfolgreich auf dem Weg zum Sieger in allen Grands Prix: Sainz.