Bundesligaklub in Abstiegsnot :
Darmstadt mit dem Mut der Verzweiflung

Von Daniel Theweleit, Bochum
Lesezeit: 3 Min.
Auf Augenhöhe: Bochums Anthony Losilla (links) und Darmstadts Klaus Gjasula kämpfen um den Ball.
20 Spiele ohne Sieg stehen für den SV Darmstadt 98 zu Buche in der Fußball-Bundesliga – na und? Die „Lilien“ holen in Bochum ein 0:2 auf. Und beschwören die neue Alles-egal-Mentalität.

Es ist eine kleine Meisterleistung, als Tabellenletzter und nach mittlerweile 20 Bundesligapartien ohne Sieg immer noch eine Zuversicht auszustrahlen, um die an diesem Osterwochenende selbst der große FC Bayern die tapferen Darmstädter beneiden konnte. „So zurückzukommen, das ist ein unbeschreibliches Gefühl, das muss Kraft und Energie geben für den Weg, der beschwerlich ist“, sagte Trainer Torsten Lieberknecht nach dem 2:2 beim VfL Bochum, in dessen Verlauf seine Mannschaft in der zweiten Halbzeit einen Zwei-Tore-Rückstand aufgeholt hatte.

„Das zeigt, dass die Mannschaft lebt“, ergänzte der Verteidiger Christoph Klarer. Kein Darmstädter mochte sich darüber ärgern, dass sie schon wieder nicht gewonnen hatten, und sie in Bochum womöglich eine Chance verpasst haben. „Es ist unsere Meisterschaft, wieder näher heranzurücken an den Relegationsplatz. Wir bleiben hartnäckig“, sagte Lieberknecht, der diesen Abend an der Castroper Straße offenkundig genossen hatte.

„Unsere Moral zeichnet uns aus“

In dem engen Stadion des VfL gebe es „Fußball pur“ zu erleben, sagte der 50 Jahre alte Fußball-Lehrer, hier wurde geackert und gekämpft, es regnete, das Flutlicht erleuchtete den düsteren Abendhimmel, und sogar der große Coup war möglich. Nachdem Bochum durch Treffer des Stürmers Philipp Hofmann 2:0 geführt hatte (30., 48.), entwickelten die Darmstädter eine erstaunliche Widerstandskraft.

Tim Skarke vollendete den schönsten Angriff des Spiels zum 2:1 (62.), bevor Oscar Vilhemlsson das 2:2 schoss. Der Schwede hatte allerdings viel Glück, dass der Bochumer Torhüter Manuel Riemann den eigentlich leicht haltbaren Ball durch seine Hände ins Tor gleiten ließ. Am Ende hatte Klaus Gjasula nach Eckbällen zwei hervorragende Möglichkeiten, auch noch ein drittes Tor folgen zu lassen, seine Kopfbälle waren aber nicht präzise genug.

Solche Gelegenheiten sollten nicht ungenutzt bleiben, wenn das unmöglich Erscheinende doch noch irgendwie gelingen soll, zumal ja die Chance bestand, auch den VfL Bochum noch tiefer in den Kampf um den Klassenerhalt hineinzuziehen. Hadern mochte aber trotzdem niemand, zumindest nicht öffentlich. Zwar räumte Skarke ein, dass „ein Unentschieden fast schon zu wenig“, sei, verband diese Aussage aber direkt mit einem großen Lob: „Unsere Moral zeichnet uns aus.“

„Scheiß-Egal-Einstellung“

Fußballerisch war der Auftritt des Tabellenschlusslichts allerdings durchwachsen. Das Ballbesitzspiel war in vielen Phasen eher unpräzise, das Gesamtniveau der Partie war schwach, und die Bochumer hatten etliche Chancen auf ein drittes oder gar viertes Tor. Es war ein Spiel, das ziemlich gut zur Tabellensituation und zur Lage der beiden Klubs passte: Die „Lilien“ haben 2024 noch gar nicht gewonnen und den Bochumern saßen vier Niederlagen am Stück in den Knochen.

Am besten spielten die Darmstädter seltsamerweise, als sie 2:0 zurücklagen und schon fast verloren hatten. „Viele Mannschaften fallen in der Situation auseinander, wir nicht“, sagte Schuhen und Klarer berichtete von einer „Scheiß-Egal-Einstellung“, die sein Team entwickelt habe, und diese Haltung „funktioniert einfach im Moment.“

Beflügelt vom Mut der Verzweiflung ist die Mannschaft von Torsten Lieberknecht offenbar am stärksten, was eher kein gutes Zeichen für den Showdown gegen Mainz 05 am kommenden Spieltag ist. Denn in diesem Duell können sie richtig viel verlieren, vielleicht sogar die letzte Hoffnung. Mit einer Niederlage würde der Rückstand auf den Relegationsplatz auf kaum einholbare neun Punkte anwachsen. Das weiß auch der Trainer, der bereits in Bochum begann, an der Haltung zu diesem wichtigen Duell zu arbeiten.

Seine Mannschaft bereite sich ab sofort auf ein „total geiles Spiel“ gegen den Tabellensechzehnten vor, sagte Lieberknecht, der Punkt von Bochum könne helfen, „die nächste Chance zu ergreifen“. Wenn sie – gemessen am Bundesliganiveau – schon nicht so gut Fußball spielen können am Böllenfalltor, so sind sie in jedem Fall die Könige der positiven Stimmung.