Mehr-BB Entertainment setzt auf Musicals und Shows

Winterzeit ist Musicalzeit. Allerorts werben große und kleine Theaterhäuser für ihre neuen Musiktheater-Inszenierungen und künden Plakate von den bevorstehenden Gastspielen aufwendiger Tourneeproduktionen. Musicals verheißen aber nicht nur Glitzer und Glimmer in der dunklen Jahreszeit, sie sind auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in den Spielplänen privat geführter Häuser, wobei in den vergangenen Jahren auch viele öffentlich finanzierte Stadt- und Landestheater Gefallen an der Zugkraft von Musicals gefunden haben. Weil sie im besten Fall mehrere Generationen - vom Enkel bis zur Oma - ansprechen, und dies nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern auch zu Ostern oder zum Abschluss einer Spielzeit. Mag für Stadt- und Landestheater ein populäres Musical auf dem Spielplan auch ein Marketinginstrument sein, um ein neues Publikum für die unmittelbare Kraft des Bühnenbetriebs zu gewinnen und zu begeistern, ist für privat geführte Häuser das Musical im Spielplan nicht selten entscheidend über Wohl und Wehe einer Saison und mitunter darüber hinaus. So sagt etwa Daniel Nicolai, Direktor des English Theatre Frankfurt, dass der wirtschaftliche Erfolg der Musical-Produktionen, die sein Haus seit vielen Jahren stets zum Jahreswechsel ins Programm nimmt, unmittelbare Auswirkungen auf die folgende Spielzeit hat: "War das Musical ein Publikumsmagnet, dann kann ich in der neuen Saison auch mal ein sperrigeres oder ganz neues Sprechtheaterstück inszenieren lassen und muss nicht gleich an den finanziellen Ruin denken." Doch nicht nur in der Kalkulation eines mit rund 300 Plätzen eher kleinen Hauses wie dem English Theatre, das in dieser Spielzeit auf den Klassiker „Sister Act" setzt, ist das jährliche Musical ein bedeutender Posten. Auch große Kulturtempel wie die Semperoper Dresden, das Festspielhaus Baden-Baden oder die Alte Oper Frankfurt verdanken den Musical-Aufführungen jährlich Zehntausende Besucher. Wenn in der Alten Oper von 20. Dezember an die Katzen schnurren, der bekannteste Schrottplatz der Bühnengeschichte beleuchtet wird und Andrew Lloyd Webbers Welterfolg „Cats" anhebt, ist dies aber keine Eigenproduktion des Hauses, sondern die bewährte Kooperation mit einem auf Liveunterhaltung spezialisierten Unternehmen, der in Mannheim ansässigen BB Promotion GmbH. 1987 von Michael Brenner als Veranstaltungsagentur gegründet, setzt BB Promotion von Anfang an auf Kooperationen, unter anderem mit Köln-Musik, der Betreibergesellschaft der Kölner Philharmonie, wo seit dem Jahr 1988 das Kölner Sommerfestival als wahrscheinlich wichtigste Plattform zur Präsentation neuer Musical-Inszenierungen, Tanzshows oder genreübergreifender Liveunterhaltungsformate veranstaltet wird. Brenners seinerzeit noch als kleiner Familienbetrieb agierende Unternehmung verpflichtet Tanz-Größen wie Rudolf Nurejew oder das Alvin Ailey American Dance Theater und streckt früh die Fühler zum Broadway aus, um Hits wie „A Chorus Line" bei Gastspielen in deutschen Städten zu präsentieren. Der Durchbruch als Musical-Produzent gelingt BB Promotion dann im Jahr 1996 mit „Grease", das als En-Suite-Gastspiel am Capitol Theater Düsseldorf Premiere hat und danach zwei Jahre lang das Publikum in Deutschland begeistert. Mit dem bis heute populären Trommel- und Rhythmusspektakel „Stomp" gelingt BB Promotion 1997 ein echter Coup, dem 1998 mit der Tournee-Produktion des Gershwin-Klassikers „Porgy & Bess" und 1999 mit der Inszenierung von „Saturday Night Fever", die gleich drei Jahre lang Abend für Abend im Musical Dome Köln aufgeführt wird, weitere Bühnenhits folgen. Dauerbrenner West Side Story Die Erfolge öffnen den Mannheimern Türen, die sonst vermutlich geschlossen geblieben wären. Das zeigt sich exemplarisch im Jahr 2003, als es Michael Brenner gelingt, sich die Rechte am wahrscheinlich größten Musical aller Zeiten zu sichern: der „West Side Story". Den Geniestreich für die Ewigkeit mit der Musik von Leonard Bernstein, den Gesangstexten von Stephen Sondheim, dem Buch von Arthur Laurents und den Choreographien von Jerome Robbins darf in seiner Originalversion aus dem Jahr 1957 eigentlich nur aufführen, wer mit den Erbengemeinschaften des vierköpfigen Kreativteams sowie einer Phalanx alter, mit allen Wassern gewaschenen Broadway-Anwälten ein Einvernehmen erzielt hat und dafür auch einen Batzen Geld auf den Tisch zu legen bereit ist. Brenner glaubt vor 20 Jahren an die ungebrochene Strahlkraft des Klassikers, schlägt in den Deal ein und wird belohnt. Zu Weihnachten 2003 hat die „West Side Story" in der Alten Oper Premiere und ist seither in Gastspielen auf der ganzen Welt zu sehen. Im vergangenen Sommer hat BB Promotion die Aufführungsrechte mit den Erben um zehn Jahre verlängert und schickt die „est Side Story" von Dezember an in einer neuen Inszenierung des renommierten Broadway-Regisseurs Lonny Price auf große Tournee. Premiere ist diesmal in München, jener Stadt, in der das berühmte Musical überhaupt das erste Mal in Deutschland aufgeführt wurde. In Frankfurt in der Alten Oper ist es dann in der Osterzeit vom 4. bis 16. April 2023 zu sehen. Michael Brenner kann diese Erfolgsgeschichte selbst nicht mehr erleben. Der Gründer von BB Promotion starb im Jahr 2011 bei einem Verkehrsunfall. Sein mit einer Handvoll Mitarbeiter gestartetes Unternehmen ist da schon ein großer Name in der deutschen Liveentertainment-Branche, der in der Rhein-Main-Region zudem eine wichtige Rolle als regionaler Konzertveranstalter spielt und die großen Namen der Rock- und Popwelt wie die Rolling Stones, Bob Dylan, Bruce Springsteen, Elton John, Ed Sheeran oder Metallica nach Frankfurt und Mannheim holt. Als Investoren in New York Die Geschicke der zur BB Group gewachsenen Firmengruppe führt seit Brenners Tod der langjährige Geschäftsführer Ralf Kokemüller. Auch er setzt sowohl auf deutschsprachige Versionen von Broadway- und West End-Hits wie „Bodyguard - Das Musical" oder „We Will Rock You", die im besten Fall mehrere Jahre lang an einem festen Standort wie dem Musical Dome in Köln aufgeführt werden, als auch auf aufwendige Musical- und Showproduktionen, die auf internationale Tourneen gehen. Um sich frühzeitig die Rechte für den deutschsprachigen Raum zu sichern, tritt die BB Group oft schon als Ko-Produzent bei den Originalinszenierungen etwa in New York oder London auf den Plan. Ein Vorgehen, das im internationalen Musical-Geschäft üblich ist, in dem sowohl institutionelle als auch private Investoren die Mittel für Bühnenproduktionen zur Verfügung stellen, bei allen Risiken eines Flops doch stets auf den nächsten Hit hoffend. Weit gespanntes Netzwerk Im internationalen Geschäft ist die BB Group nicht nur über ihr weit gespanntes Netzwerk auf allen Kontinenten aktiv, sondern seit dem Jahr 2015 auch als Teil des weltweit agierenden britischen Theaterproduzenten und Theaterbetreibers The Ambassador Theatre Group (ATG), der das Mannheimer Unternehmen seinerzeit gekauft hat. Im Jahr 2018 übernehmen die Briten zudem das in Düsseldorf ansässige Unternehmen Mehr! Entertainment von Maik Klokow und fusionieren die beiden deutschen Töchter zur etliche Hundert Mitarbeiter zählenden Mehr-BB Entertainment GmbH, die nun nicht nur Musical-Hits wie „Cats", die „West Side Story", „Evita" oder „Richard O'Brien's Rocky Horror Show", Revuen wie „Berlin, Berlin" und Tanzshows wie „Ballet Revolución" oder „Star Dust" auf die Bühnen bringt, sondern auch mehrere Theater besitzt. Darunter das seit bald 35 Jahren die Massen lockende Starlight-Express-Theater in Bochum und eben den Musical Dome in Köln. Dort hatte Anfang November das Musical „Moulin Rouge!" nach dem gleichnamigen Erfolgsfilm von Baz Luhrmann Premiere, das im besten Fall nun mehrere Jahre lang in der Domstadt zu sehen sein soll. Die liegt auch in Reichweite der Musical-Fans aus dem Rhein-Main-Gebiet, die auch Aufführungen in Mannheim oder Köln quasi als Heimspiele verstehen. Mehr als 20 Millionen Euro hat Mehr-BB Entertainment in den nötigen Umbau des Kölner Musical Dome und in die Inszenierung der deutschsprachigen Version des preisgekrönten Broadway-Hits gesteckt. Den hat sich eine australische Produktionsgesellschaft ausgedacht, die wiederum in Maik Klokow einen Ko-Produzenten fand, der schon vor zehn Jahren an einen Erfolg von „Moulin Rouge!" glaubte. Harry Potter wird auf einen Abend gekürzt Das Musical in aller plüschig-bunten Pracht auf die Bühne zu bringen ist dabei nur eine von mehreren großen Investitionen des in diesem Jahr wohl an die 200 Millionen Euro umsetzenden Unternehmens, das sich in einer die Unterhaltungsbranche noch immer stark fordernden Zeit nach eigenen Angaben wacker schlägt. Trotzdem wollen auch die Ausgaben für die Verlängerung der Rechte zur Aufführung der „West Side Story" sowie deren Neuinszenierung erst einmal amortisiert sein, ebenso wie das millionenschwere Engagement in Hamburg, wo das Unternehmen sein dortiges Theater umgebaut hat, um seit Dezember 2021 das Bühnenspektakel „Harry Potter und das verwunschene Kind" aufzuführen, das derzeit noch als Zweiteiler gespielt wird, im Februar aber auf die etwas kürzere einteilige Version umgestellt wird, die am Broadway in New York schon seit einigen Monaten mit großem Erfolg läuft. „Michael Brenners Wagemut hat uns auf den Weg gebracht", sagt Ralf Kokemüller über den verstorbenen Unternehmensgründer, der früh erkannt hatte, welches Potential in hochwertigen Bühnenprogrammen steckt, die sich nicht nur an einem bestimmten Ort aufführen, sondern auf Tournee schicken lassen. Und dies nicht nur zur Weihnachtszeit.