Triumph der Spitzenküche :
Keine Krise in der Küche

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Gehört nun zum Kreis der Drei-Sterne-Köche: Edip Sigl
Der neue Guide Michelin zeichnet eine Rekordzahl an Restaurants in Deutschland aus und nimmt Edip Sigl in den Kreis der Drei-Sterne-Köche auf.

Die Welt mag aus den Fugen sein, für den Guide Michelin Deutschland aber ist sie nicht nur noch immer in bester Ordnung, sondern blüht sogar im Glanze ihres Glücks. Fast ausschließlich erfreuliche Nachrichten verkündet der Restaurantführer in seiner Ausgabe für das Jahr 2024, und die spektakulärste, überraschendste ist die Erweiterung des Kreises von Deutschlands Drei-Sterne-Restaurants um Edip Sigls „es:senz“ in Grassau am Chiemsee. Eine ganz erstaunliche Entwicklung habe der Koch genommen, seit er sein eigener Chef in Oberbayern sei, und alle Inspektoren seien sich darin einig gewesen, dass er jetzt auf Weltspitzenniveau koche, sagte Ralf Flinkenflügel, der Direktor des Guide Michelin Deutschland, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Damit gibt es nun wieder zehn Köche in der höchsten Kategorie des Michelin. Neben Sigl sind das Torsten Michel („Schwarzwaldstube“, Baiersbronn), Claus-Peter Lumpp („Bareiss“, Baiersbronn), Marco Müller („Rutz“, Berlin), Kevin Fehling („The Table“, Hamburg), Christian Bau („Victor‘s Fine Dining“, Perl an der Mosel), Clemens Rambichler („Sonnora“, Dreis), Thomas Schanz („schanz.restaurant“, Piesport), Jan Hartwig („Jan“, München) und Sven Elverfeld („Aqua“, Wolfsburg). Verstoßen aus dem Kreis der besten deutschen Köche wurde, von seinem Arbeitgeber, nicht vom Guide Michelin, Christian Jürgens, dessen glanzvolle Karriere in der „Überfahrt“ in Rottach-Egern wegen angeblicher Verfehlungen im Umgang mit Mitarbeitern ein unrühmliches Ende fand – die wiederum kein Gericht für schwerwiegend genug befand, um Anklage zu erheben.

Rekordzahl von 340 Lokalen ausgezeichnet

Es ist erstaunlich, wie wenig sich die grassierende Krise der Gastronomie, verursacht von Fachkräftemangel, Konjunkturschwäche, Mehrwertsteuererhöhung und hohen Energiekosten, im neuen Michelin widerspiegelt. Statt einer zu erwartenden Dezimierung der Spitzenküchen wird die Rekordzahl von 340 Lokalen mit ein, zwei oder drei Sternen ausgezeichnet, sechs mehr als im Vorjahr. „Wir sind selbst davon überrascht worden, wie gut die deutsche Spitzengastronomie durch die Krise gekommen ist und wie klug die Köche auf die Herausforderungen reagiert haben“, sagt Flinkenflügel. Deswegen gibt es außer Jürgens auch kaum nennenswerte Verlustmeldungen. So wurden nur zwei der jetzt 50 Zwei-Sterne-Häuser gestrichen: Peter Maria Schnurrs „Falco“ in Leipzig, das aus betriebswirtschaftlichen Gründen geschlossen wurde, und „Le Moissonnier“ von Vincent Moissonnier und Eric Menchon in Köln, die sich nach fast 40 Jahren aus der Spitzengastronomie verabschiedet haben, um ihr Lokal in ein sehr feines Bistro umzuwandeln – das prompt mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wird.

Auf Anhieb zwei Sterne erhält das „Komu“ von Christoph Kunz in München, der sich zuvor ein paar Straßen weiter im „Dallmayr“ dieselbe Bewertung erkochte. Ebenfalls zwei Sterne haben nun der hochrespektable Veteran Ulrich Heimann vom „Pur“ in Berchtesgaden und Roland Pieber vom „Seo Küchenhandwerk“ in Langenargen am Bodensee. Dass der großartigen Sigi Schelling vom „Werneckhof“ in München diese Einstufung abermals verwehrt bleibt, ist hingegen so rätselhaft wie skandalös und wird von Ralf Flinkenflügel mit zu unterschiedlichen Beurteilungen der Inspektoren begründet.

Trotz der Missachtung Schellings hat sich Bayern mit dem neuen Guide Michelin endgültig neben dem angestammten Platzhirschen Baden-Württemberg als Gelobtes Land der Feinschmecker etabliert – außer dem neuen Drei-Sterner und den beiden Zwei-Sternern sind auch elf Lokale mit einem Stern hinzugekommen. Damit stärkt der Süden Deutschlands weiter seine Vormachtstellung, während der Osten und der Norden stagnieren. Dass allein in Berlin drei Ein-Sterne-Häuser geschlossen wurden, ist ein Indiz dafür, wie laut die Krise der Gastronomie auch an die Tür der Spitzenhäuser zu klopfen beginnt. Und ob der Michelin 2025 wieder nur gute Nachrichten parat haben wird, ist genauso dringend zu hoffen wie schmerzhaft zu bezweifeln.