Wegmarken der Geschichte : Revolution ohne Aufruhr
Die Geschichte des rasenden Reporters Egon Erwin Kisch, der die Redaktion der „Presse“ stürmt, ist so oft erzählt worden, dass sie, um es mit Friedrich Torberg zu sagen, fast schon die Patina historischer Wahrheit angenommen hat. Sie spielt sich in den revolutionsartigen Wirren des Novembers 1918 ab. Kisch, einer Prager bürgerlichen jüdischen Familie entstammend, hatte nach bolschewistischem Vorbild eine bewaffnete „Rote Garde“ gebildet, die am 11. November die kaiserliche Militärkommandantur besetzte und am Tag darauf das Redaktionsgebäude der bürgerlich-liberalen „Neuen Freien Presse“. So weit ist alles verbürgt. Es gibt sogar noch Exemplare der erzwungenen Sonderausgabe der „Neuen Freien Presse“ mit einer Proklamation der „Roten Garde“. Es blieb bei zwei Nummern vom 12. November. Schon tags darauf erschien die Zeitung wieder normal. Kisch, so geht die Anekdote, stürmte an der Spitze seines Trupps in die Redaktion dieses Horts des Kapitalismus. Ihm entgegen tritt sein Bruder Paul. Egon fuchtelt mit der Waffe, Paul lenkt ein: „Gut, gut, ich weiche der Gewalt. Aber ich schreibe es heute noch der Mama nach Prag.“ Daraufhin gab Egon das Signal zum geordneten Rückzug. Der Verlauf der Geschichte ist erfunden. Die steht aber für die Wahrnehmung jener Tage: Was als dramatische Aktion angelegt war, wirkt in der Rückschau eher operettenhaft.
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