Biennale überrascht frühzeitig :
Russischer Kunstdeal in Venedig

Stefan Trinks
Ein Kommentar von Stefan Trinks
Lesezeit: 2 Min.
Wird an Bolivien ausgeliehen: Der Russische Pavillon in den Giardini der 60. Kunstbiennale von Venedig, die ab dem 20. April dieses Jahres eröffnet wird.
Einen knappen Monat vorher wartet die Venedigbiennale mit Überraschungen auf: Russland verleiht seinen Länderpavillon an Bolivien, und der Vatikan gemeindet einen ehemaligen Kritiker Papst Johannes Pauls II. ein.

Da die in einem knappen Monat beginnende Venedig-Biennale fast seit ihrer Gründung auf das Prinzip der nationalen Länderpavillons setzt, sind die Echos der internationalen Krisen wie etwa des Ukrainekriegs in den Giardini jeweils besonders deutlich zu vernehmen. Bisher nahmen die meisten Kenner der Biennale an, der russische Pavillon werde zur 60. Ausgabe abermals vakant bleiben, wie schon vor zwei Jahren.

Nun kommt die nach vorgezogenem Aprilscherz klingende Nachricht, Russland leihe seinen grüngrau gestrichenen, mit einer Mischung aus Rastrelli-Rokoko und Zuckerbäckerstil schon äußerlich auffälligen Pavillon in einem seltsamen Franchise an Bolivien aus. „Der bolivianische Pavillon hat dank der Russischen Föderation, die an die Bedeutung, Qualität und den Inhalt unseres Projekts glaubt, die Möglichkeit, in den Giardini auszustellen“, lauten nach Boliviens Venedig-Kuratoren die Argumente für den Kunst-Deal.

Der Papst kommt zur Biennale

Geologen fiele vielleicht noch ein weiterer triftiger Grund für die überraschende Pavillon-Leihe an ein künstlerisch bislang nicht übermäßig hervorgetretenes Land ein: Bolivien besitzt mit geschätzten 23 Millionen Tonnen mit Abstand das meiste Lithium weltweit, ein Viertel der insgesamt vermuteten Vorkommen, die wiederum für die Produktion von Mobiltelefonen und Batterien unverzichtbar sind. Voriges Jahr buhlten deshalb Russland und China in La Paz gleichermaßen um weitreichende Lieferverträge der kostbaren Metalls, Putin erhielt den Zuschlag und investiert über eine staatlich-russische Firma umgerechnet mehr als 400 Millionen Euro in die Lithium-Förderung.

Schwerer Schlag für den Vatikan: Maurizio Cattelans Plastik „Die neunte Stunde“ von 2016 mit der Wachseffigie von Papst Johannes Paul II., der von einem Meteoriten getroffen wurde.
Schwerer Schlag für den Vatikan: Maurizio Cattelans Plastik „Die neunte Stunde“ von 2016 mit der Wachseffigie von Papst Johannes Paul II., der von einem Meteoriten getroffen wurde.Picture Alliance

Eine politisch-wirtschaftliche Umarmung mit Kunst-Überzuckerung, wie sie die Päpste seit Jahrhunderten praktizieren, wo beispielsweise durch die päpstliche „Teilung“ Südamerikas in einen spanischsprachigen und einen portugiesischsprachigen Teil die doppelte Menge Goldes nach Rom kam, um dort unter anderem die Decken der Hauptkirchen zu vergolden – und die Weltpolitik der Päpste zu finanzieren.

Was aber der Vatikan mit der Biennale di Venezia zu schaffen habe? Viele Besucher wissen gar nicht, dass der Heilige Stuhl seit Jahrzehnten auf jeder Ausgabe der Kunstschau präsent war. In diesem Jahr kommt es sogar zu einer Realpräsenz, denn mit Franziskus wird zum ersten Mal in der Geschichte der Biennale ein Papst leibhaftig zu Gast sein, ein den „Vatican News“ zufolge „historisches Ereignis“.

Wer sich also eine niedrigschwellige Kurzaudienz, das kunstvolle Hissen einer weißen Friedensflagge oder zumindest einen erneuten Lapsus erhofft, nächtige vor dem Pavillon des Heiligen Stuhls, der den Menschenrechten und den „Geringsten unter uns“ gewidmet ist. Der Pavillon selbst unter dem Titel „Mit meinen Augen“ ist diesmal spektakulär in das Frauengefängnis auf der Insel Giudecca in Venedig eingepflanzt und man wird von dessen Häftlingen geführt.

Dem Beispiel von Putins Umarmungspolitik scheint Franziskus (und seine Kuratorin Chiara Parisi vom Centre Pompidou-Metz) auf seine Weise zu folgen, führt doch die Künstlerliste ausgerechnet Maurizio Cattelan an, der vor Jahren mit seiner von einem Meteoriten niedergestreckten Figur Papst Johannes Pauls II. massiven Unmut des Vatikans auf sich zog. Auch Werke der populären Pop-Art-Nonne Sister Corita Kent werden als Feigenblatt für Frau in der Kirche gezeigt, ebenso die Syrerin Simone Fattal. Selig, wer von solchen Bündnissen Gutes und Schönes erhofft.