Künstlerin Rebecca Horn zum 80 :
Sanfte Tier-Maschinistin

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Poetische Metamorphosen: Rebecca Horn
Weiblicher Ovid der Kräfte-Metamorphosen in Lagern und Verließen: Der Installationskünstlerin Rebecca Horn zum achtzigsten Geburtstag

Am Anfang war das Horn – 1970 schnallte sich die Künstlerin ein mehr als einen Meter langes Horn auf den Kopf und stellte sich wie ein semianimalischer Blitzableiter in ein weites Feld. Die mythologische Vergrößerung ihrer selbst als „Ein-Horn“ personifiziert die Künstlerin zum einen realsymbolisch durch ihren Namen, zum anderen lässt es als Körperextension auch die Last einer solchen Verkörperung anschaulich werden, indem der Betrachter spürt, wie wankend die Existenz durch diese gewaltige Antenne in die Natur wird.

Auf die physische Erfahrung solcher Ausweitungen der Körperkampfzone auch mit Metallkrallen und in Performances sowie ersten kinetischen Skulpturen in den Siebzigern, die stets innere Spannungen sichtbar machten, folgten in den Achtzigern und Neunzigern In­stallationen, die verborgene Negativkräfte ablesbar werden lassen. Vierzig Meter lange Aschewände für Buchenwald, reversive Konzerte in einem NS-Gefängnisstadtmauerturm in Münster, Türme auch für namenlose Flüchtlinge. Mechanisch spielende Violinen, Klaviere, die wie Geier vom Himmel stürzen, Automaten, die wie die „Sanften Gefangenen“ von 1978 ein raschelndes Rad aus Straußenfedern schlagen – die 1944 geborene Künstlerin baute nun die Menschen- und Tierwelt und ihre Zumutungen in Maschinen nach, metamorphosiert und poetisiert sie dabei zugleich.

Auch eine Metamorphose klanglicher Art

Der Klang ist dabei meist ohrenbetäubend dissonant. Auch Horns Videos und Filme werden oft von Schalmeiengeknarze oder verstimmten Pianotönen begleitet, die eine völlig andere Geschichte als die Bewegtbilder erzählen – eine Metamorphose klanglicher Art auch dies.

Auch der „Rabenbaum“ im Wiesbadener Museum aus medusenhaftem Kupferschlangen-Geäst mit Trichter-Schnäbeln voll Kohle wirkt nicht gerade anheimelnd. Obschon die Künstlerin sich als der Welt gehörend versteht, hat sie doch ihr Atelier in einem verborgenen Winkel des Odenwalds. Im Vorfeld ihres Geburtstags hat das Land Hessen einiges dafür getan, damit möglichst viel von ihrem Werk hier verbleibt. Im Rahmen einer Kooperation von Rebecca Horns Moontower Stiftung mit dem Land wurde etwa dem Museum Wiesbaden ein Werkkomplex von dreißig raumgreifenden Installationen sowie dreißig Malereien und Zeichnungen als Dauerleihgaben anvertraut, der alle wesentlichen Zyklen ihres Œuvres umfasst.

Zusammen mit den eigenen Arbeiten, allen voran der Großinstallation „Jupiter im Oktogon“, die mittels dreier Spiegel im gold­mosaikreflektierenden achteckigen Aachener-Münster-Zitat im Museum unseren Blick als „Krone der Schöpfung“ auf die glänzende Welt gehörig irritiert und bricht, beherbergt Wiesbaden nun den größten Bestand an Werken der Künstlerin, die von Beginn an ihre Werke auch international ausgestellt hat.

Horns wichtigstes Erbe aus dem Surrealismus ist ein anderes Körperbild, das jedoch für ein narzisstisches Selfiezeitalter wie dem aktuellen von zentraler Bedeutung ist: jene bewusst gemachte Wahrnehmung des Körpers mithin, die mühselig im Abgleich innerer und äußerer Bilder gewonnen wird. Heute wird Rebecca Horn achtzig Jahre alt.