Verlagsspezial

Wer wagt, gewinnt!

Von Harald Czycholl
Lesezeit: 4 Min.
Die Börse in Frankfurt
Viele mittelständische Unternehmen schrecken vor einem Börsengang zurück, weil sie unter anderem Offenlegungspflichten fürchten. Mit einer Gesetzesänderung will die Bundesregierung diese Finanzierungsform interessanter machen.

Eine feine Adresse hatte Klaus Deller, Chef des Münchener Automobilzulieferers Knorr-Bremse ausgewählt, um Anfang September den Startschuss für den Börsengang des Familienunternehmens zu geben: In das Fünf-Sterne-Hotel The Landmark im Herzen von London hatte das Unternehmen Investoren und Analysten eingeladen, um die Kapitalmarktexperten von dem 1905 gegründeten Traditions­unternehmen zu überzeugen. Mit Erfolg: Satte 3,9 Milliarden Euro sammelte der Milliardär Heinz Hermann Thiele, der seit über 30 Jahren die Mehrheit gehalten hatte, Mitte Oktober mit der Emission des Aktienpakets ein.

Ein mehr als beachtliches Ergebnis, das die Wirtschaftskraft des deutschen Mittelstandes widerspiegelt. „Der Mittelstand ist fit wie nie“, betont Stefan Hauschild, Mittelstandsexperte beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Das zeigt der Blick in die umfassende Bilanzdatensammlung des Verbandes: Demnach wuchsen die Umsätze zuletzt um sechs Prozent, die Gewinne sogar noch stärker. „Die Zahl der Unternehmen steigt, die Insolvenzen gehen zurück“, fasst Hauschild zusammen. Diese Entwicklung hat auch mit dem Trend zu mehr Eigenkapital in den Bilanzen zu tun: Betrug die Eigenkapitalquote der Mittelständler im Jahr 2004 noch durchschnittlich 32 Prozent waren es zuletzt 39 Prozent – Tendenz weiter steigend.

12 Börsengänge im 1. Halbjahr

Dennoch sind Börsengänge zur Kapital­beschaffung im deutschen Mittelstand eher ein Randphänomen. Verglichen mit der Zahl von 3,3 Millionen Mittelständlern in Deutschland, nimmt sich die Anzahl der börsennotierten Unternehmen mit 450 im Jahr 2017 ohnehin eher bescheiden aus. Sie ist zudem seit Jahren rückläufig. 2007, vor der großen Finanz- und Wirtschaftskrise, lag die Anzahl im Maximum bei 761 börsennotierten deutschen Unternehmen. „Allerdings war das Emissionsgeschehen im ersten Halbjahr 2018 mit zwölf Börsengängen in Deutschland wieder recht erfolgreich“, sagt Hauschild. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2017 gab es insgesamt nur elf Börsengänge. Und bis zum Jahresende 2018 werden es noch einige mehr werden – insgesamt 18 werden für dieses Jahr erwartet, darunter zuletzt der von Knorr-Bremse.

Dass Börsengänge im deutschen Mittelstand die Ausnahme sind, hat unter anderem mit den damit verbundenen Kosten für die Vorbereitung zu tun. „Außerdem ergibt sich durch die Offenlegungspflichten nach dem Börsengang ein nicht unerheblicher Kulturwandel für traditionelle Familien­unternehmen, den viele Mittelständler einfach nicht möchten“, sagt DSGV-Experte Hauschild. Hinzu kommt ein grundsätzlicher Aspekt: Ein Börsengang ist vor allem für jene Unternehmen interessant, die stark wachsen wollen. Und das trifft längst nicht auf alle Mittelständler zu.

„Der deutsche Mittelstand wächst typischerweise organisch, also kontinuierlich und aus eigener Kraft“, erläutert DSGV-Experte Hauschild. „Wir sehen permanente Reinvestitionen der Gewinne in das eigene Unternehmen.“ Wenn trotzdem externes Kapital benötigt wird, sei der klassische Bankkredite nach wie vor der wichtigste Finanzierungsbaustein für den Mittelstand.

Doch EU und Bundesregierung wollen das Börsenparkett als Finanzierungsform auch für kleinere Unternehmen interessanter machen: Im Sommer wurde die neue Europäische Prospektverordnung durch Regelungen im deutschen Recht ergänzt – dadurch sollen der mit einem Börsengang verbundene bürokratische Aufwand sowie die Kosten für künftige Emittenten verringert werden. „Durch die auf europäischer Ebene angestoßenen Änderungen erlaubt das neue Wertpapierprospektgesetz nun unter anderem, dass Unternehmen bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren mit einem Wert von 100 000 Euro bis maximal acht Millionen Euro keinen umfangreichen Wertpapierprospekt mehr erstellen müssen und dadurch leichter Kapital aufnehmen können“, erklärt Jörg Baumgartner, Rechtsanwalt bei CMS Deutschland, der auf die kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Beratung von Emittenten, bereits börsennotierten Unternehmen sowie emissionsbegleitenden Banken bei Kapitalmarkttransaktionen spezialisiert ist.

Zur Information für die Investoren muss aber ein sogenanntes Wertpapier-Informationsblatt (WIB) erstellt und veröffentlicht werden. Dieses muss auf drei DIN-A4-Seiten die wesentlichen Informationen und Risiken über die Wertpapiere in kurzer und verständlicher Form enthalten. Die Erstellung eines regulären Prospekts, der das Unternehmen, dessen Geschäft und die Risiken beschreibt und üblicherweise mehrere hundert Seiten umfasst, ist bei öffentlichen Angeboten grundsätzlich erst erforderlich, wenn Wertpapiere im Wert von mehr als acht Millionen Euro im Jahr angeboten werden. Für einen Börsengang eines Unternehmens an einem geregelten Markt bleibt aber nach wie vor ein von der BaFin gebilligter Prospekt nach der Prospektverordnung erforderlich.

Daher muss auch ein kleinerer Börsengang eines mittelständischen Unternehmens umfassend vorbereitet werden. „Dafür sollte ausreichend Zeit eingeplant werden“, betont Rechtsexperte Baumgartner. In der Regel sind dies mindestens zwischen sechs und neun Monaten für die reine Vorbereitung des Börsengangs selbst. „Der Prozess bis zum Beginn der konkreten Vorbereitungen sollte aber schon früher starten“, rät der CMS-Anwalt – üblicherweise ein bis zwei Jahre vor dem Börsengang. Neben der begleitenden Bank müssen dabei Rechtsberater, Wirtschaftsprüfer und Investor-Relations-Berater in den Prozess eingebunden werden.

Organisation ist alles

Bei größeren Emissionen müssen auch ausreichend Ressourcen für die Erstellung und Billigung des Wertpapierprospekts eingeplant werden – „üblicherweise vier bis sechs Monate“, so Baumgartner. Nach dem Börsengang treffen das Unternehmen dann Folgepflichten, wie zum Beispiel die mindestens halbjährliche Veröffentlichung von Finanzinformationen, die Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen sowie die verpflichtende Veröffentlichung von Geschäften von Führungskräften in eigenen Aktien, erklärt der Kapitalmarkt­experte. „Auch auf diese Transparenzvorgaben sollte sich ein Unternehmen idealerweise bereits vor dem Börsengang organisatorisch vorbereiten.“

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