Verlagsspezial

Hochmotivierte Nachfolger

Von Benjamin Knöfler
Lesezeit: 4 Min.
Nachfolge bedeutet, Verantwortung für das Lebenswerk eines anderen, aber auch für die Mitarbeiter und die eigene Zukunft zu übernehmen.
Die nachfolgende Generation ist hochmotiviert und gut ausgebildet. Viele junge Unternehmer haben im Ausland studiert oder gearbeitet, haben die Chancen genutzt, die ihnen eine globalisierte Welt und das hohe Ansehen des deutschen Mittelstands boten.

Der Generationswechsel rollt über den Mittelstand hinweg. Eine aktuelle Studie der KfW-Bankengruppe beziffert allein die Anzahl der im Jahr 2018 und 2019 zu übergebenden Unternehmen auf 236 000, was etwa sechs Prozent aller kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland entspricht. Die nachfolgende Generation ist hochmotiviert und gut ausgebildet. Viele junge Unternehmer haben im Ausland studiert oder gearbeitet, haben die Chancen genutzt, die ihnen eine globalisierte Welt und das hohe Ansehen des deutschen Mittelstands boten. Auch wenn die Familiennachfolge in Deutschland immer noch dominiert – die KfW beziffert die Zahl auf 54 Prozent –, hat sich auch die Übergabe in fremde Hände mittlerweile einen festen Platz in der Statistik erkämpft.

„Die größte Herausforderung in der Unternehmensnachfolge liegt im Veränderungsprozess traditioneller Strukturen hin zu digitalen Organisationen“, sagt Thomas Scholz. Er übernahm 2015 die Arno Hentschel GmbH. Seine Sporen verdiente er sich zuvor als Manager in der Automobilbranche, optimierte mit seiner Expertise die Produk­tion des kleinen Mittelständlers aus Oderwitz in Sachsen konsequent und führt heute unter der internationalisierten Marke „Arnell“ einen erfolgreichen Hidden Champion. Sein Unternehmen beliefert nicht nur Kunden in der EU, sondern auch in Asien oder Nordamerika.

Übernahme des Familienbetriebs ist kein „gemachtes Nest“

Von den Herausforderungen, die ein Wandel hin zu digitalisierten und internationalisierten Märkten mit sich bringt, weiß auch Viktoria Schütz zu berichten. Sie leitet gemeinsam mit ihrem Vater Winfried die Deguma-Schütz GmbH, einen Maschinenbauer für die Gummi- und Kunststoffverarbeitung mit Sitz in Geisa/Thüringen. „Das Unternehmen ist in einem anderen Stadium als zur Zeit des Aufbaus, Dinge wurden früher einfach gemacht und müssen heute in Prozesse gegossen werden“, erzählt die junge Unternehmerin. Bei der Nachfolge in der Familie spielten außerdem persönliche Themen eine große Rolle. Es müsse gegenseitige Akzeptanz dafür geben, dass Gründer und Nachfolger jeweils andere Stärken und Schwächen einbringen.

Dass die Optimierung oder auch Auflösung von gewachsenen Strukturen zu den täglichen Herausforderungen der Nachfolger gehört, bestätigt auch Ina Henze-Ludwig. Ihr Vater gründete 1996 ein Unternehmen für Reinraumtechnik, das heute unter dem Namen Colandis GmbH mit Sitz in Kahla firmiert. „Bei guter Auftragslage beschäftigt uns außerdem der schon ausgesuchte Arbeitnehmermarkt.“ Es sei zunehmend schwierig, gut ausgebildetes Personal für die Herausforderungen einer digitalisierten Wirtschaft zu finden.

Die Übernahme eines Familienunternehmens wird in der Gesellschaft immer noch gerne als „gemachtes Nest“ gesehen. Tatsächlich müssen die Nachfolger intensiv in die Sicherung und Weiterentwicklung des Geschäftsmodells investieren. Nachfolge bedeutet, Verantwortung für das Lebenswerk eines anderen, aber auch für die Mitarbeiter und die eigene Zukunft zu übernehmen. In der Breite funktioniert der einstige Erfolgsgarant „Made in Germany“ nur noch bedingt als Selbstläufer. Gleichzeitig kämpfen die Jungen oft auch intern gegen Windmühlen. Schafft es die vorherige Generation nicht, sich von einzelnen Aufgaben oder gar dem gesamten Tagesgeschäft zu lösen, ist Ärger programmiert. Das Killerargument: „Wir haben das schon immer so gemacht.“ Mitarbeiter sehen im „alten“ Chef oft eine Chance, sich zu beschweren und die Führungsebene gegeneinander auszuspielen, um eigene Interessen besser durchsetzen zu können. Gedanken über seine Konkurrenzfähigkeit macht sich auch Julian Schultes vom gleichnamigen Maschinenbaubetrieb im bayerischen Bessenbach. „Für einen Lohnfertiger wie unser Unternehmen sehe ich nur bedingt Chancen in Deutschland, es sei denn, man hat seine Prozesse komplett unter Kontrolle und arbeitet absolut effizient“, sagt der 26-jährige Unternehmer in dritter Generation. Noch habe man einen Vorsprung bei der Fertigung komplexer Teile, aber die Konkurrenz in Übersee schlafe schließlich auch nicht. „Wir investieren viel Zeit und Geld in Forschung und Entwicklung, damit wir mit innovativen Verfahren und Produkten für die Zukunft gerüstet sind.“

Junge Unternehmer zwischen Spezialisierung und Globalisierung

Diversifikation bedeutet bei den Nachfolgern vor allem auch Internationalisierung, starke Partnerschaften und die generelle Verbreiterung des eigenen Portfolios. Vorgemacht hat das Arnd Becker von Jebsen Shipping Partners mit Sitz in Jork im Alten Land. Als Nachfolger einer Familienreederei mit 100-jähriger Tradition überführte er die eigenen Geschäfte vor wenigen Jahren in eine Partnergesellschaft mit drei befreundeten Schiffseigentümer-Familien. „Wir haben unsere Stärken ausgebaut und Schwächen systematisch durch Spezialisierung ausgemerzt“, fasst er seine Strategie zusammen. Jebsen unterhält Töchter in Asien und dem Mittleren Osten und betreibt mit Erfolg mehr als 20 Mehrzweck- und Containerschiffe auf allen Weltmeeren. Arnd Becker zeichnet damit verantwortlich für 600 Mitarbeiter.

Wie die Nachfolge in kurzer Zeit und erfolgreich gelingen kann, hat auch die ULT AG aus Löbau gezeigt. Mit 130 Mitarbeitern gehört das von Christian Jakschik gegründete Unternehmen zu den Weltmarktführern im Bereich der Absaug- und Filtrationstechnik. „Mein Vater hat sich nach Übergabe sofort aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und war dann nur noch für uns erreichbar“, erzählt Nachfolger Alexander. Die Verantwortung teilt er sich heute mit seinem Bruder Stefan Jakschik. „Wir haben uns professionelle Begleitung im Übergabeprozess geholt, was uns bei emotionalen wie sachlichen Themen sehr geholfen hat.“ Bewährt habe es sich, dass langjährige Angestellte bei bestimmten Entscheidungen einbezogen werden, resümiert er. „Das hilft, sachlich gute Entscheidungen zu treffen, die den Tatendrang ‚der Neuen‘ mit der Erfahrung des Unternehmens kombinieren.“

Benjamin Knöfler ist Generalsekretär des Jungen Mittelstandes im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) sowie Vizepräsident der European Confederation of Young Entrepreneurs (YES for Europe).

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