Umfrage :
Warum die Inflation so unpopulär ist

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Zuletzt schwächte sich der Preisauftrieb in Deutschland und der Eurozone wieder ab.
Steigende Preise sind allseits unbeliebt, sogar bei denen, die davon profitieren. Das liegt auch an der Selbstüberschätzung der Menschen, sagt eine Harvard-Ökonomin.

Inflation ist unbeliebt. In Deutschland steht sie auf Platz 1 der größten Sorgen der Bevölkerung, die das Marktforschungsinstitut GfK erhebt. Dabei ist nicht gesagt, dass jeder schlechter dran ist, wenn die Preise steigen. Inflation schafft Gewinner und Verlierer. Nur wenn die Löhne nicht mithalten und wenn die Ersparnisse als Nominalbetrag auf dem Bankkonto liegen, wird sie unmittelbar zum Ärgernis. Wer etwa einen festverzinsten Hauskredit abbezahlen muss, für den kann Inflation sogar eine tolle Sache sein, wenn das eigene Gehalt ordentlich steigt. Für die wirtschaftliche Entwicklung ist ­Inflation in Maßen ohnehin besser als Deflation, also sinkende Preise.

Wie also kommt es, dass steigende Preise in der Bevölkerung so verhasst sind? Diese Frage hat die Harvard-Ökonomin Stefanie Stantcheva in zwei Umfragen in den Vereinigten Staaten untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Menschen Inflation eben nicht als neutrales Phänomen betrachten. Wenn die Preise steigen, dann geben sie der Regierung oder den Unternehmen die Schuld.

Wem genau, das hängt von der politischen Einstellung ab. Republikaner sehen die Schuld eher bei Joe Biden, Demokraten eher bei gierigen Konzernen. Steigen dann in der Folge die Löhne, ist das für die meisten nicht Folge der Inflation. Stattdessen verorten sie den Grund dafür eher bei ihrer eigenen Leistung.

Dahinter steckt die Überzeugung, so Stantcheva, dass Löhne nicht das Ergebnis von Marktkräften seien, sondern dass die Unternehmen großen Spielraum hätten, diese selbst festzulegen. Deshalb glauben die Befragten auch, dass die Löhne viel langsamer stiegen als die Preise. Die Befragten glaubten, dass die Inflation systematisch ihre Kaufkraft abschmelzen lässt. Außerdem hält sich die Überzeugung, dass höhere Einkommen stärker steigen als niedrige, sodass die Ungleichheit zunehme. Zwei Drittel der Befragten glaubten, dass Inflation allgemein auf einen „schlechten Zustand der Wirtschaft“ hindeute. Tatsächlich kann aber gerade Wirtschaftswachstum und eine niedrige Arbeitslosigkeit zu Inflation führen.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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An die positiven Auswirkungen von Inflation glauben die Menschen kaum. Insbesondere unter Menschen mit niedrigem Einkommen ist sogar die Überzeugung weit verbreitet, dass Inflation es schwerer mache, Schulden zurückzuzahlen, und die reale Schuldenlast erhöhe.

Darüber hinaus hat Inflation auch eine emotionale Dimension. Über alle Einkommensgruppen hinweg berichten Menschen, dass sie durch steigende Preise stärker gestresst sind. 87 Prozent sagten, sie seien deshalb manchmal oder häufig wütend.

Stefanie Stantcheva
Stefanie StantchevaImago