Neue Prognose :
Währungsfonds sagt weniger Wachstum für Deutschland voraus

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Laserschneidemaschine in Aktion: Deutschlands Wirtschaft wächst dem IWF zufolge in diesem Jahr um 0,2 Prozent.
Viele Länder haben sich in den jüngsten Krisen wacker geschlagen, analysieren Fachleute des IWF. Doch die mittelfristigen Aussichten sind mau – auch wegen Ländern wie Deutschland.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Wachstumsprognose für Deutschland deutlich nach unten revidiert. Das geht aus dem World Economic Outlook hervor, der zum Auftakt der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank am Dienstag veröffentlicht wurde. Deutschlands Wirtschaft wächst demzufolge nach einer leichten Schrumpfung im Vorjahr in diesem Jahr um 0,2 Prozent. Das sind 0,7 Prozentpunkte weniger als noch im vorigen Herbst vorhergesagt. Für 2025 erwarten die IWF-Ökonomen dann ein Plus von 1,2 Prozent, ebenfalls 0,7 Prozentpunkte unter der Herbstprognose des Fonds. Unter den Industrieländern, die zusammen genommen dieses Jahr um 1,7 Prozent wachsen, schneidet Deutschland damit am schwächsten ab. Geringe Konsumneigung erklärt einen Teil der Flaute.

Die Entwicklung steht im Kontrast zur Dynamik der US-amerikanischen Volkswirtschaft, die 2023 um 2,5 Prozent zulegte und für dieses Jahr um 2,7 Prozent wachsen soll (plus 1,9 Prozent in 2025). Die USA gehören zu den wenigen Ländern, die die Pandemiekrise hinter sich gelassen haben und sogar den vor der Pandemie beschrittenen Wachstumstrend übertreffen. Der ist allerdings auch einer staatlichen Ausgabenpolitik geschuldet, die der Fonds als nicht nachhaltig einstuft.

Rezession wird in den USA wohl vermieden

Nichtsdestotrotz erweisen sich die USA damit als Zugpferd für die Weltwirtschaft, die auch deshalb insgesamt besser abschnitt, als düstere Vorhersagen erwarten ließen, so IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas. Der Fonds rechnet in diesem und im nächsten Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent für die Weltwirtschaft, während sich die Inflation von 2,8 Prozent in diesem Jahr auf 2,4 Prozent im kommenden Jahr reduziert.

Pierre-Olivier Gourinchas
Pierre-Olivier GourinchasAP

Die meisten Datenpunkte deuten Gourinchas zufolge auf eine „weiche Landung“ hin: Trotz restriktiver Geldpolitik werde eine Rezession wohl vermieden. Die Kriegspartei Russland schneidet deutlich besser ab als prognostiziert mit einem Wachstum von 3,1 Prozent in diesem Jahr. Für China kalkuliert der Fonds ein Wachstumsplus von 4,1 Prozent.

Beschäftigung legte fast überall zu

Zu den positiven Nachrichten gehört, dass die meisten Länder mit weniger Narben durch die jüngsten Krisen gekommen sind als gedacht. Die Beschäftigung legte zu, während Einkommen stetig blieben. Eine Erklärung dafür, dass Volkswirtschaften sich als krisenfester als gedacht erwiesen, liefert die Beschäftigung. Sie legte fast überall zu und trug damit dazu bei, dass die Löhne nicht in die Höhe schossen. In der EU und in Großbritannien ist der inflationsdämpfende Beschäftigungseffekt fast ausschließlich zugewanderten Ausländern zu verdanken, die vakante Stellen besetzten. In den USA und Kanada ist das Bild ähnlich, wenn auch weniger ausgeprägt.

Allerdings sind die Konjunkturaussichten nicht rosig. Der IWF ist besorgt darüber, dass das Verhältnis von Staatsschulden zur Wirtschaftsleistung in vielen Ländern stark gestiegen und nach der Pandemie hoch geblieben ist. In den 59 ärmsten Ländern übersteigen die Zins­zahlungen für Kredite 14 Prozent der Staatseinnahmen und sind damit nicht nur doppelt so hoch wie vor 15 Jahren, sie übersteigen auch in vielen Ländern die staatlichen Budgetposten für Bildung oder Gesundheit.

Mäßige mittelfristige Perspektiven

Der IWF erwartet, dass Regierungen beginnen, die Schulden und Defizite zu begrenzen durch höhere Steuern und niedrigere Staatsausgaben. Das belastet kurzfristig die wirtschaftliche Dynamik, ist aber nach Einschätzung des IWF in vielen Ländern notwendig, um Reserven zu bilden und sich besser für neue Erschütterungen zu wappnen. Australien und Deutschland gehören nach Darstellung des IWF zu den wenigen Ländern, die nicht zu Kürzungen oder Steuererhöhungen greifen müssten.

Auch die mittelfristigen Perspektiven sind mäßig. Die prognostizierten Wachstumsraten für die Wirtschaft und für den Handel sind die niedrigsten seit Jahrzehnten. Das Wirtschaftswachstum je Kopf geht zurück. Vor der Finanzkrise von 2008 gingen Mittelfristprognosen von einem Wirtschaftswachstum je Kopf von 3,9 Prozent aus. In den jüngsten Projektionen hat sich die Wachstumsrate fast halbiert auf 2,1 Prozent. Damit schwinden auch die Aussichten der ärmsten Länder, die Kluft zu den reichen Nationen in absehbarer Zeit überwinden zu können.

Speziell in entwickelten Volkswirtschaften bremsen geringe Investitionen, eine durch Alterung bestimmte schrumpfende Beschäftigungsneigung und vor allem Produktivitätsdefizite die Entwicklung. Der IWF empfiehlt politische Maßnahmen, die die Produktivität steigern lassen. Jüngste Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz geben Hoffnung. Der IWF vermutet, dass die Technologie mittelfristig zu Produktivität und Wachstum, aber auch zu Entlassungen und Ungleichheit beitragen könnte.