Inflation :
Zeit der Niedrigzinsen ist vorbei

Gerald Braunberger
Ein Kommentar von Gerald Braunberger
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Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank
Die EZB dürfte im Juni ihre Leitzinsen senken. Aber auf mittlere Sicht könnten die Zinsen wieder steigen. Besonders für hoch verschuldete Länder wäre dies keine gute Nachricht.

Die Europäische Zentralbank hat von einer sofortigen Senkung ihrer Leitzinsen abgesehen, aber sie hält die Tür für eine Senkung ihrer Leitzinsen im Juni weit offen, an die sich im Jahresverlauf noch weitere Senkungen anschließen könnten. Die Inflationsrate lag im März bei 2,4 Prozent und damit nur noch knapp über der Zielmarke von 2 Prozent. Zum Vergleich: Im Herbst 2022 hatte die Inflationsrate mit 10,7 Prozent einen Höchststand erreicht und manche Schwarzmaler meinten damals, die Situation drohe außer Kontrolle zu geraten.

Doch dürfte es der EZB nicht leicht fallen, die Inflationsrate auf mittlere Sicht bei 2 Prozent zu halten. Dafür sprechen mehrere Gründe. Die Wirtschaft in der Eurozone könnte im Jahresverlauf in eine dringend notwendige, wenn auch nur leichte Erholung eintreten, die im Zusammenhang mit der im langjährigen Vergleich erfreulich niedrigen Arbeitslosenquote für heimischen Lohn- und Preisdruck sorgen wird. Schon jetzt beträgt in einer noch bestenfalls stagnierenden Wirtschaft die Inflationsrate für die Dienstleistungen 4 Prozent.

Zweitens zeigt sich die amerikanische Wirtschaft allen Unkenrufen zum Trotz als äußerst robust, was die Federal Reserve länger von Zinssenkungen abhalten dürfte als die EZB. Es hat nach aller Erfahrung keinen Sinn, konkrete Wechselkursprognosen abzugeben, aber eine Vergrößerung des erwarteten Zinsabstands zwischen Anlagen in Dollar gegenüber Anlagen in Euro könnte eine Abwertung des Euros am Devisenmarkt zur Folge haben, die Einfuhren nach Europa verteuert. Aus gutem Grund verzichtet die EZB daher darauf, einen konkreten mittelfristigen Pfad für ihre Leitzinsen zu schätzen. Selbst wenn die Zinsen in den kommenden Monaten sinken werden, schließt dies nicht aus, dass sie auf mittlere Sicht weiter leicht steigen.

Das wäre keine gute Nachricht für jene Länder, die sich mit der Eindämmung ihrer staatlichen Neuverschuldung bei ohnehin hohen Beständen an Staatsschulden schwer tun. Auch sie werden akzeptieren müssen, dass die Niedrigzinsen des vergangenen Jahrzehnts zumindest auf absehbare Zeit der Vergangenheit angehören.