Bitkom-Index :
Wie digital sind die Bundesländer?

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Ausbau nötig: Glasfaserkabel im Datacenter Leipzig
Deutschland gilt als digitales Entwicklungsland, dabei sind die Unterschiede enorm. Während Hamburg der digitale Vorreiter ist, tut sich Thüringen schwer – offenbar auch, weil der politische Wille fehlt.

Der digitale Fortschritt schreitet in Deutschland in ganz unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran. Während sich Hamburg und Berlin als digitale Avantgarde fühlen dürfen, ist Thüringen weit abgeschlagen. Das hat ein neues Digital-Ranking zum Zustand der Digitalisierung in den Bundesländern ergeben, das der Branchenverband Bitkom am Dienstag vorgestellt hat. „Bei Thüringen stellt sich die Frage, ob der politische Wille zur Digitalisierung ausgeprägt genug ist, um im Mittelfeld mitspielen zu können“, kritisierte der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Ralf Wintergerst.

Thüringen sei das „absolute Schlusslicht“ bei den Start-up-Gründungen, betonte der Verbandschef. Es gebe kein Ökosystem, das für ein attraktives Umfeld für Neugründungen sorge. Auch bei der Versorgung mit dem neuen Mobilfunkstandard 5 G und schnellem Internet hinke das ostdeutsche Bundesland hinterher. Der Erhebung zufolge sind nur 9 Prozent der Haushalte mit Glasfaserkabel verbunden.

Auf Thüringen liegt in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk, weil die AfD unter Führung des vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuften Björn Höcke dort gerade besonders hohe Umfragewerte erzielt. Im September wird in dem Bundesland eine neue Landesregierung gewählt. Derzeit steht der Linkspartei-Politiker Bodo Ramelow als Ministerpräsident an der Spitze einer Minderheitsregierung.

Hamburg steht an der Spitze

Wintergerst berichtet aus Gesprächen mit Telekommunikationsunternehmen, dass diese in dem Bundesland „eigentlich Gas geben wollen“ und es auch Investitionsmittel gebe, aber die Genehmigungsverfahren noch beschleunigt werden müssten. „Da könnten Unternehmen und Politik die Infrastruktur noch deutlich stärker vorantreiben“, sagte er. „Die Landesregierungen haben viel in der Hand.“ Er erinnerte daran, dass es wichtiger sei, nicht nur ein Augenmerk auf die Spitzenreiter zu legen. Wichtiger sei es, die Digitalisierung in den Ländern am unteren Rand der Skala zu verbessern. Sachsen-Anhalt belegte den vorletzten Platz. Konkret bedeutet das: Thüringen erreichte einen Indexwert von 49,6 Punkten, Sachsen-Anhalt insgesamt 52,2 Punkte.

An die Spitze des Digitalrankings setzte sich Hamburg vor Berlin und Bayern. Die Hansestadt konnte vor allem mit Bestnoten bei der digitalen Infrastruktur punkten sowie mit einer ausgefeilten Digitalstrategie. So würden in der Hansestadt für die Bereiche Verwaltung, Infrastruktur, Bildung und Wirtschaft messbare Digitalziele definiert.

Hamburg erzielte damit über alle gemessenen Bereichen hinweg 73,5 von 100 möglichen Punkten. Untersucht wurden vier Kategorien: „digitale Wirtschaft“, „digitale Infrastruktur“, „Governance & digitale Verwaltung“ sowie „digitale Gesellschaft“. Innerhalb dieser Kategorien wurden 26 Indikatoren untersucht, etwa der 5G-Ausbau, die Glasfaserversorgung oder die Ladeinfrastruktur für Elektroautos in der Infrastruktur-Kategorie.

Grundlage der Bewertung sind gleich mehrere Datenquellen: Danach haben die Bitkom-Mitarbeiter alle 16 Landesregierungen befragt und eine „Vielzahl an Drittstudien“ und amtlichen Statistiken ausgewertet. Hinzu kam eine empirische Befragung von mehr als 5600 Bürgern durch Bitkom Research, die repräsentative Ergebnisse für alle Länder lieferte.

Bayern immer wieder in der Kritik

Berlin schnitt mit seiner Fülle an Start-ups vor allem im Bereich digitale Wirtschaft gut ab und kam insgesamt auf 71,5 Punkte. Der Anteil an IT-Fachkräften ist mit 4,3 Prozent in Berlin ebenfalls besonders hoch. In Spitzenfeld liegen auch die Werte beim 5G-Mobilfunk. Nachholbedarf sieht der Bitkom-Index dagegen beim Ausbau von Glasfaser und der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Bayern belegte mit 66,9 Punkten den dritten Platz, unter anderem, weil es ein eigenes Digitalministerium eingerichtet hat. Außerdem überzeugte der Freistaat bei der digitalen Verwaltung: Bayern habe bereits 43 Prozent der digitalen Verwaltungsleistungen des Onlinezugangsgesetzes umgesetzt, deutlich besser als der Länderdurchschnitt (35 Prozent).

Bayern zieht allerdings immer wieder Kritik auf sich, weil es darauf besteht, in vielen Digitalfragen seinen eigenen Weg zu gehen und wenig auf ein einheitlichen Vorgehen aller Bundesländer zu achten. Das monierte Wintergerst: Bayern gehe gerne Sonderwege, die Kooperationsfähigkeit sei noch ausbaufähig. „Die fehlende Kooperation kostet uns richtig Geld“, sagte er mit Blick auf seine eigenen Erfahrungen als Vorsitzender der Geschäftsführung eines Unternehmens, das sich auf Sicherheitstechnologie spezialisiert hat.

Mit dem Länderindex sollen in den kommenden Jahren der Digitalisierungsgrad in den 16 Bundesländern vergleichbar werden. „Es zeigen sich enorme Unterschiede zwischen den digital führenden Ländern und den Nachzüglern“, sagte Wintergerst. Er verwies darauf, dass auch jenseits der Stadtstaaten und den bevölkerungsreichen Ländern wie Baden-Württemberg und NRW auch kleine Bundesländer in einzelnen Kategorien zu den Vorreitern gehörten: So liege Mecklenburg-Vorpommern in der Kategorie digitale Gesellschaft auf dem ersten Platz. Schleswig-Holstein belege beim Ausbau der digitalen Infrastruktur einen für ein Flächenland hervorragenden Platz 2.