Führungskrise in Ingolstadt :
VW lässt Audi-Chef Markus Duesmann fallen

Von Christian Müßgens, Hamburg, Henning Peitsmeier, München
Lesezeit: 4 Min.
Vor dem Absprung: Audi-Chef Markus Duesmann während einer Pressekonferenz im vergangenen August
Der Machtkampf in der Volkswagen-Tochtergesellschaft Audi ist entschieden. Der amtierende Chef muss gehen. Sein Nachfolger steht schon fest – auf ihn warten schwierige Aufgaben.

Markus Duesmann hat lange um seinen Chefposten an der Spitze von Audi gekämpft, aber am Ende verloren.  Wie am Donnerstag bekannt wurde, hat der Aufsichtsrat beschlossen, den 54 Jahre alten Topmanager  zu ersetzen. Zum 1. September tritt Gernot Döllner die Nachfolge am Audi-Stammsitz in Ingolstadt an.

Der Chefstratege des Mutterkonzerns Volkswagen soll Ruhe in die Führung bringen und dafür sorgen, dass die angekündigte Modelloffensive zum Befreiungsschlag für die Marke mit den vier Ringen wird. Audi brauche eine Führung, „die geschlossen und vertrauensvoll zusammensteht“, heißt es aus dem VW-Konzern. Duesmann habe sich in Grabenkämpfen aufgerieben.

Zuletzt war der Streit im Management immer stärker eskaliert. Trotzdem versucht VW nun, den Paukenschlag in Ingolstadt als friedliche Übergabe zu inszenieren. Am Donnerstagvormittag trat Duesmann zusammen mit seinem Nachfolger Döllner und VW-Konzernchef Oliver Blume gemeinsam vor die versammelten Wolfsburger Konzernvorstände, um den Wechsel zu verkünden, wie Teilnehmer berichten. Von 14 Uhr an schaltete sich dann der Aufsichtsrat von Audi zu einer Sitzung zusammen. Einige Kontrolleure seien in Wolfsburg vor Ort gewesen, andere virtuell zugegen. Das Ergebnis stand fest: Duesmann, dessen Vertrag eigentlich noch bis März 2025 läuft, scheidet vorzeitig aus.

Auf zu vielen Baustellen unterwegs

Der studierte Maschinenbauer war bei Audi auf zu vielen Baustellen unterwegs. Neben mehreren verpatzten Modellanläufen schwächelt die Premiummarke ausgerechnet auf dem größten Automarkt der Welt. In China hat Audi nur mit dem elektrischen Q4 ein wirklich gutes Fahrzeug im Angebot. Auch in den USA bleibt der Marktanteil hinter den Rivalen Mercedes und BMW zurück.

Daheim in Ingolstadt rumort es unterdessen schon länger. Im Frühjahr stellten sich mehrere Vorstände gegen Duesmann, unter ihnen Produktionschef Gerd Walker und Personalvorstand Xavier Ros. Auch mit Vertriebsvorständin Hildegard Wortmann, mit der Duesmann einst bei BMW zusammenarbeitete, knirschte es zunehmend, ebenso mit Entwicklungschef Oliver Hofmann und wichtigen Führungskräften aus der zweiten und dritten Reihe.

Das „Manager Magazin“ berichtete von einem „Putschversuch“, den der Audi-Chef nur knapp überlebt hatte. Seither wurde es nicht besser, im Gegenteil: „Wenn man große Teile der gesamten Führung gegen sich hat, dann kann das auf Dauer nicht gut gehen“, heißt es aus Konzernkreisen. Immerhin: VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch schickte ihm lobende Worte hinterher. Duesmann habe die Weichen zum vollen Umstieg auf E-Mobilität gestellt und damit „frühzeitig Klarheit für einen geordneten Umbau des Unternehmens“ geschaffen, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns.

Der Nachfolger hat das Vertrauen des VW-Chefs

Sein designierter Nachfolger hat dagegen das Vertrauen von VW-Chef Blume, der in Personalunion auch Porsche führt. Der 53 Jahre alte Döllner arbeitete mehr als zwei Jahrzehnte auf verschiedenen Positionen für den Sportwagenhersteller, unter anderem als Produktstratege und als Leiter der Baureihe Panamera. Im Mai 2021 wechselte er auf Wunsch des damaligen VW-Chefs Herbert Diess nach Wolfsburg. Döllner treibt seitdem die Transformation zur Elektromobilität voran. Als Pluspunkt gilt, dass er auf seinen jüngsten Positionen eng in den Umbau der krisengeplagten Softwaresparte Cariad eingebunden war.

Designierter Audi-Chef: Gernot Döllner
Designierter Audi-Chef: Gernot DöllnerVolkswagen AG

Etliche Schwierigkeiten von Audi haben ihre Ursache in dieser Einheit, die Duesmann in der Anfangszeit selbst verantwortete. Wegen des Debakels mit der neuen Softwarearchitektur von Cariad mussten mehrere neue Modelle verschoben werden. So kommt etwa der in der Produktfamilie so dringend benötigte Elektro-SUV Q6 E-tron erst Anfang 2024 auf den Markt – mit zwei Jahren Verspätung. Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) Anfang September in München wird die aktuelle Schwäche von Audi für viele Besucher sichtbar werden: Kein großer Stand, keine Weltpremieren. Den Q6 E-tron soll die Öffentlichkeit erst später zu sehen bekommen. Cariad wird derweil völlig neu aufgestellt mit etlichen Auswirkungen für zukünftige Modelle von Audi.

Vordergründig sprechen die Zahlen für Duesmann

Die reinen Geschäftszahlen sehen vordergründig so aus, als sprächen sie für Duesmann: Mit einem Jahresgewinn von 7,6 Milliarden Euro und einer Umsatzrendite von 12,2 Prozent lag Audi zuletzt nah am Zielwert von 13 Prozent. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass die Marke mit den vier Ringen im vergangenen Jahr von einer Vorzugsbehandlung profitierte: andere Konzernmarken mussten auf die knapp gewordenen Halbleiter verzichten, damit diese in den teureren Audi-Modellen eingebaut werden konnten.

Zudem sorgte die günstige Marktlage mit dem hohen Nachfrageüberhang dafür, dass Audi wie andere Premiumhersteller fast gar keine Rabatte geben musste. Im laufenden Jahr hat sich die Marktlage jedoch geändert. Im Mutterkonzern VW ist man nicht zufrieden mit der Geschäftsentwicklung, die sinkende Kundennachfrage und wachsender Wettbewerb dürften kräftigen Abrieb verursachen. Die Umsatzrendite könnte dieses Jahr um mehre Prozentpunkte abrutschen und einstellig werden, schätzen Finanzmarktanalysten – für die Premiummarke und ihren Vorstandschef ein herber Schlag.

Für Konzernchef Blume ist der Führungswechsel in Ingolstadt ein weiterer Schritt im Umbau von VW. Er will Europas größten Autokonzern effizienter und rentabler machen, auch durch eine stärkere Ausrichtung am Kapitalmarkt. Erst vor wenigen Tagen hatten Blume und sein Finanzvorstand Arno Antlitz auf dem „Capital Markets Day“ am Hockenheimring neue Ziele für ihre Marken angekündigt. Auch Audi soll ein Effizienzprogramm starten.

Duesmann war vor drei Jahren als Hoffnungsträger zu Audi gekommen. Der frühere BMW-Vorstand war vom damaligen VW-Chef Diess früh als Vorstandschef auserkoren worden, doch sein alter Arbeitgeber belegte Duesmann mit einer mehr als einjährigen Wettbewerbssperre. Diess musste vor einem Jahr den Konzern verlassen. Nun ereilt Duesmann dasselbe Schicksal.