Zum Tod von Peter Higgs :
Der Vater des „Gottesteilchens“

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Peter Higgs bei einem Besuch am Forschungszentrum CERN. Im Hintergrund der CMS-Teilchendetektor, mit dem 2012 die Existenz des Higgs-Bosons nachgewiesen werden konnte.
Er hatte erkannt, wie Elementarteilchen zu ihrer Masse kommen. Fünfzig Jahre später bekam er für diesen Geistesblitz den Physiknobelpreis. Am Montag ist Peter Higgs im Alter von 94 Jahren gestorben.

Ihm kamen beim Wandern die besten Einfälle. Als er eines Tages, Anfang der 1960er Jahre, im schottischen Hochland umherstreifte, fiel Peter Higgs plötzlich die Lösung für eines bis dato ungelösten Rätsels der Teilchenphysik ein. Für diesen Geniestreich sollte er den Nobelpreis erhalten und Weltruhm erlangen, allerdings erst fünfzig Jahre später.

Was, so fragte er sich damals, steckt hinter der Tatsache, dass viele Elementarteilchen überhaupt eine Masse haben, und warum fällt diese je nach Teilchen so unterschiedlich aus? In einem nur eineinhalb Seiten langen Aufsatz, den er bei den „Physics Letters“ einreichte, beschrieb der in Newcastle upon Tyne geborene Brite ein hypothetisches Kraftfeld, das sich kurz nach dem Urknall bemerkbar machte, nachdem sich das Universum hinreichend abgekühlt hatte. Teilchen wie Elektronen oder Protonen, die mit jenem Feld in Wechselwirkung treten, würden, so seine Idee, dadurch in ihrer sonst lichtschnellen Fortbewegung behindert und erst dadurch träge. Die Folge ist eine Masse.

Die Herausgeber der „Physics Letters“ schickten die Arbeit zurück mit der Begründung, ihr fehle jede Bedeutung für die Physik. Higgs gab nicht auf, schrieb seinen Artikel um, erwähnte darin zwei andere Theoretiker, die ähnliche Überlegungen angestellt hatten, und reichte ihn abermals ein. Seine Arbeit wurde schließlich am 19. Oktober 1964 in den renommierten „Physical Review Letters“ veröffentlicht, fand aber zunächst keine große Beachtung. Das änderte sich erst im Laufe der Zeit, als sich immer mehr namhafte Physiker mit dem Mechanismus beschäftigten, der das Rätsel der Teilchenmasse elegant erklären konnte. Heute ist das Feld, das nach Peter Higgs benannt wurde, ein fester Bestandteil des Standardmodells, mit dem die Physiker den Aufbau der Materie beschreiben können.

Der LHC bringt den Durchbruch

Es erwies sich allerdings als äußerst schwierig, das mit dem Higgs-Feld selbst einhergehende Elementarteilchen – das heute so genannte Higgs-Boson – nachzuweisen und damit die Hypothese zu bestätigen. Die Teilchenbeschleuniger waren lange Zeit nicht leistungsfähig genug, um Bedingungen zu schaffen, wie sie kurz nach dem Urknall herrschten. Das änderte sich erst, als der „Large Hadron Collider“ am europäischen Forschungszentrum CERN bei Genf in Betrieb ging. Und am 4. Juli 2012 verkündete der damalige Generaldirektor des CERN, Rolf Heuer, in Genf die spektakulärste Entdeckung in der Teilchenphysik seit Jahrzehnten: „Ja, wir haben es!“ Grenzenloser Jubel brach danach unter den Physikern im überfüllten Hörsaal aus, in dem auch etwas verloren Peter Higgs und der Belgier François Englert saßen. Englert hatte seinerseits einen ähnlichen Ansatz wie der Brite entwickelt, doch erst im Hörsaal begegneten sie sich erstmals persönlich.

Gentleman ohne Starallüren

Schon im Jahr darauf bekamen die beiden Theoretiker den Anruf aus Stockholm. Peter Higgs soll damals von einer Nachbarin informiert worden sein, dass er den Nobelpreis erhalten würde. Er war gerade wieder spazieren.

Dass er sich als Namensgeber für den Mechanismus und das entdeckte Teilchen durchsetze, und nicht Englert, war dem öffentlichkeitsscheuen und bescheidenen Peter Higgs eher unangenehm. Er betrachtete die Entwicklung der Theorie und ihre Bestätigung stets als Gemeinschaftsleistung.

Sir Peter Mathieson, Rektor und Vizekanzler der Universität von Edinburgh, sagte damals: „Peter Higgs war eine bemerkenswerte Persönlichkeit – ein wahrhaft begnadeter Wissenschaftler, dessen Vision und Vorstellungskraft unser Wissen über die Welt, die uns umgibt, bereichert haben. Seine Pionierarbeit hat Tausende von Wissenschaftlern motiviert, und sein Vermächtnis wird noch viele weitere Generationen inspirieren.“

Kollegen erinnern sich an Peter Higgs auch als wahren Gentleman. Er sei bescheiden und höflich gewesen und habe anderen Forschern stets die gebührende Anerkennung gezollt. Am Montag ist Peter Higgs im Alter von 94 Jahren in seinem Haus in Edinburgh gestorben.