Materialien :
Bauen soll klimafreundlicher werden

Von Silvia Benetti
Lesezeit: 5 Min.
Die Maya waren groß im Mörteln. Das taten sie allerdings mit Kalk, der das CO2 beim abbinden wieder aufnimmt. Bei dieser Eisenbahnbrücke, auf der bald Züge durch das Maya-Land rollen sollen, ist das leider anders.
Darf man in Zukunft noch Zement verwenden? Der damit angemischte Beton verursacht mehr Kohlendioxidemissionen als die Luftfahrt. Das muss nicht so bleiben.

Zement wird als Bestandteil von Beton überall im Bau eingesetzt. 4,1 Milliarden Tonnen wurden im Jahr 2022 weltweit hergestellt und verursachten acht Prozent der klimaschädlichen Emissionen an Kohlendioxid (CO2) weltweit. Wäre die Zementindustrie ein Staat, stünde sie gemessen an ihren Treibhausgasemissionen weltweit an dritter Stelle hinter China und den Vereinigten Staaten.

Emissionsintensive Zementproduktion

Die Produktion von Zement ist aus zwei Gründen so emissionsintensiv: Bei der Sinterung von Zementklinker wird das Rohmehl aus Kalkstein und Tonmineralien im Drehrohrofen auf 1450 Grad Celsius erhitzt. Zementklinker ist der Stoff, durch den Beton in Kontakt mit Wasser aushärtet. Die Prozesswärme stammt derzeit vor allem aus fossilen Quellen. 35 Prozent der Emissionen gehen auf das Konto der Sinterung. Zusätzlich setzt die Entsäuerung das Kohlendioxid frei, das im Kalziumkarbonat gebunden ist. Rund die Hälfte der Gesamtemissionen, die während der Betonherstellung entstehen, entfallen auf diesen Schritt.

Wie bei allen Materialien und Industrieverfahren stellt sich bei Beton und Zement die Frage, ob und wie Kreislaufwirtschaft machbar ist. Die „Cement Sustainability Initiative“, ein Zusammenschluss von 18 großen Herstellern weltweit, darunter Holcim und Cemex, beschäftigt sich bereits mit dem Recyceln von Beton. Allein in den USA, Japan und in Europa fallen jedes Jahr circa 900 Millionen Tonnen Abrissbeton an. Dieser Abfall lässt sich zerkleinern und als Gesteinskörnung nutzen, damit dient er als Gerüst für neuen Beton. Rund 20 Prozent der Zuschlagstoffe lassen sich so in neuem Beton ersetzen, was den Bedarf an Splitt und Schotter senkt und dazu beiträgt, dass die Betondeponien nicht überquellen. Auf den CO2-Fußabdruck wirkt sich diese Art der Wiederverwertung allerdings kaum aus, da der emissionsintensivste Bestandteil, der Zementklinker selbst, sich nicht recyceln lässt.

Ein Bauarbeiter auf einer Hochhausbaustelle mit frischem Beton. Bei dessen Herstellung werden bisher tonnenweise Treibhausgase frei.
Ein Bauarbeiter auf einer Hochhausbaustelle mit frischem Beton. Bei dessen Herstellung werden bisher tonnenweise Treibhausgase frei.Lucas Bäuml

Um den CO2-Ausstoß der Zementindustrie zu senken, zielt eine der Hauptstrategien darauf, den Klinkeranteil zu reduzieren. In herkömmlichem Portlandzement beträgt der Klinkeranteil im Schnitt 73 Prozent. Seit einigen Jahren produzieren einige Hersteller gemischte Zemente, die neben Klinker Zusatzstoffe wie Flugasche oder Hüttensand aus der Roheisenproduktion enthalten. Erstere besteht vor allem aus Siliziumdioxid und Aluminiumoxid, letzterer enthält zusätzlich auch Kalk. Es hat sich gezeigt, dass die gemischten Zemente trotz ihrer veränderten Zusammensetzung alle Anforderungen an Festigkeit und Bauteilqualität erfüllen.

Das Umweltbundesamt merkt an, dass die Ersatzstoffe Flugasche und Hüttensand knapp werden könnten, wenn die Stahlindustrie und Kraftwerke ihre Verfahren umstellen. Dennoch geht die Internationale Energieagentur davon aus, dass 14 Prozent der Emissionsminderungen bis zum Jahr 2070 auf eine Verringerung des Klinker-Zement-Verhältnisses zurückzuführen sein werden.

Es gibt weitere Ansätze, die Emissionen zu reduzieren. In Portland-Kalkstein-Zement wird beispielsweise bis zu 15 Prozent des Klinkers durch Kalkstein ersetzt, was die Emissionen um zehn Prozent senkt. Das niederländische Unternehmen Ecocem vertreibt zerkleinerte, granulierte Hochofenschlacke als Zementersatz. Alkalisch aktivierte Bindemittel, die aus Aluminosilikaten wie Metakaolinit oder Silikastaub bestehen und von einer Lauge wie Natriumhydroxid aktiviert werden, weisen gleiche oder bessere mechanische und thermische Eigenschaften auf als Portlandzement und haben einen geringeren Kohlendioxid-Fußabdruck. Doch selbst bei einem verringerten Klinkeranteil entstehen Emissionen. Aus dem Grund gelten Zementwerke als Kandidaten für die Nutzung von Techniken, die das anfallende Klimagas speichern oder weiterverwenden.

Kohlendioxid binden

Im Beton findet eine natürliche Karbonatisierung statt: Das Material bindet in feuchter Umgebung das Kohlendioxid aus der Luft, und aus dem im Beton enthaltenen Kalziumhydroxid wird so Kalziumkarbonat. Dieser Prozess verläuft allerdings langsam, zudem sinkt dadurch der pH-Wert des Betons, wodurch die Stahlverstärkung in den Betonbauteilen korrodiert. Seit dem Jahr 2022 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe um Frank Winnefeld an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) in beschleunigter Karbonatisierung. Dabei wird das Kohlendioxid in höheren Mengen aktiv dem Frischbeton hinzugefügt, beispielsweise während des Mischens. Die Ergebnisse haben die Forscher im Fachmagazin „Current Opinion in Green and Sustainable Chemistry“ veröffentlicht. Durch das CO2 gewinne das Material an Festigkeit, wodurch sich der Zementanteil reduzieren ließe, schreiben Winnefeld und seine Kollegen. Ein weiterer Ansatz ist die Speicherung von CO2 in den Betonschlämmen, die bei der Reinigung von Betonmischern entstehen. Diese Schlämme können anschließend neuem Beton zugefügt werden.

Als besonders interessant erscheint die Karbonatisierung von Bauschutt aus Beton. Dazu wird gasförmiges Kohlendioxid bei bis zu 95 Prozent Luftfeuchtigkeit hineingepumpt, nachdem der Bauschutt zerkleinert worden ist. Dabei entsteht an der Oberfläche des Granulats Kalziumkarbonat, das zu einer geringeren Porosität des Betons führt, verglichen mit nicht karbonisierter Gesteinskörnung. Je weniger porös der Beton ist, desto höher sind Druckfestigkeit und Frostbeständigkeit und desto weniger korrodiert die Bewehrung. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass Beton so zu einer CO2-Senke werden könne. Als Dauersenke für alle Emissionen, die während der Betonherstellung entstehen, reiche das jedoch nicht aus. „Dafür ist die Klinkerherstellung zu CO2-intensiv“, sagt Frank Winnefeld. „Die Technologie kann aber ein Puzzlestück sein, um die Emissionen zu reduzieren und die Eigenschaften des Betons zu verbessern.“

Planzenkohle im Baumaterial

Im Fachmagazin „Concrete & Asphalt Lab“ hat eine Forschergruppe der EMPA unter Leitung von Pietro Lura eine weitere Strategie vorgestellt. Die Wissenschaftler haben mit Pflanzenkohle in Baumaterial experimentiert. Die durch Pyrolyse von Pflanzenresten gewonnene Kohle wurde zuerst zu Pellets mit einem Durchmesser zwischen vier und 32 Millimetern verarbeitet und anschließend in Beton der Festigkeitsklassen C 20/25 bis C 30/37 integriert, die üblicherweise für Gebäude und Fundamente verwendet werden.

Solche Materialien aus organischen Resten, so schreiben die Forscher, könnten den Kies im Beton ersetzen. Da die unter Luftausschluss verkohlten Pflanzen anders als bei Verbrennung oder Zersetzung an Luft kein CO2 freisetzen, das sie während ihres Wachstums der Atmosphäre entzogen haben, würden solche Pellets als CO2-Senke fungieren. Bei einem Anteil von 20 Volumenprozent Kohlenstoffpellets im Beton wäre der Beton CO2-neutral. Bei Leichtbeton halten die Forscher einen Anteil von 45 Volumenprozent Kohlepellets für möglich, was sogar zu negativen Emissionen führen würde.

Entscheidend für die Nachhaltigkeit der Verfahren sei nicht nur der Anteil an gespeichertem CO, sondern auch die Herkunft der Materialien. Das Kohlendioxid sollte beispielsweise aus benachbarten Werken stammen, sodass lange Transportwege entfallen. „Somit wird es wahrscheinlich nicht nur eine Lösung geben, sondern für jedes Land eine lokale Lösung“, sagt Frank Winnefeld.

Heißt es also demnächst: Bauen für das Klima? So weit ist es noch nicht. Die vorgestellten Ansätze zeigen aber: Es ist durchaus machbar, den CO2-Fußabdruck der Beton- und Zement­indus­trie entscheidend zu verringern.