Umweltgifte :
Pestizide gelangen bis auf die Berggipfel

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Apfelplantagen im Etschtal. Die hier eingesetzten Pflanzenschutzmittel verbreiten sich bis in die Höhenlagen der angrenzenden Berge.
Selbst in abgelegenen Tälern und Nationalparks rund um den Vinschgau in Südtirol sind Pflanzen und Böden mit Chemikalien aus dem Apfelanbau belastet. Auch auf die Tierwelt wirkt sich dies offenbar aus.

Zehn Prozent aller Äpfel, die Europas Supermärkte anbieten, stammen aus den südtiroler Anbaugebieten. In den Tallagen des Vinschgau entlang der Etsch ziehen sich die Apfelplantagen so weit das Auge blickt. Dass sich die Pflanzenschutzmittel, die die Bauern dort ausbringen, auch in die Landschaften abseits der Monokulturen verbreiten, hatten Wissenschaftler bereits vermutet. Nun wurde dies erstmals nachgewiesen und im Fachjournal „Nature Communications Earth & Environment“ publiziert: 27 verschiedene Pflanzenschutzmittel, zehn Insektenvernichtungsmittel, elf Fungizide und sechs Unkrautvernichtungsmittel entdeckten Wissenschaftler der RPTU Kaiserslautern-Landau und der Universität für Bodenkultur Wien.

Die Menge der Pestizidrückstände nahm zwar mit zunehmender Höhe ab, sie fanden sich allerdings auch in höher gelegenen Seitentälern des Vinschgau wie dem Matscher Tal. Selbst in den Schutzgebieten mit empfindlichen Ökosystemen, im Nationalpark Stilfer Joch rund um den Ortler, den höchsten Berg Südtirols, sowie im Naturpark Texelgruppe am Alpenhauptkamm, wurden die Substanzen noch gemessen.

Der Vinschgau, Südtirol. Die schwarzen Punkte bezeichnen die Stellen, an denen Pflanzen und Bodenproben auf Pestizidrückstände untersucht wurden.
Der Vinschgau, Südtirol. Die schwarzen Punkte bezeichnen die Stellen, an denen Pflanzen und Bodenproben auf Pestizidrückstände untersucht wurden.Jakob Wolfram RPTU Kaiserslautern-Landau

In größeren Höhen rund um den Vinschgau wurden in den letzten Jahren immer weniger Schmetterlinge beobachtet. Vermutlich seien Pflanzenschutzmittel eine der Ursachen, schreiben die Autoren. An der Messstelle, an der die Menge an Schmetterlingen am höchsten ist, waren in Pflanzen keine Rückstände von Pestiziden nachweisbar und im Boden nur zwei Substanzen.

Insgesamt testeten die Wissenschaftler Pflanzen und Bodenproben auf 97 gängige Pestizide. Anfang Mai sammelten sie Probenmaterial an 53 Standorten auf Höhenstufen alle 300 Meter, von 500 bis auf 2300 Meter über dem Meeresspiegel.

Die chemischen Analysen zeigen Rückstände der Pflanzenschutzmittel in 98 Prozent der Pflanzen- und 59 Prozent der Bodenproben. Wiesen in Tallagen waren mit bis zu 13 verschiedenen Substanzen belastet. Die meisten der Pestizide sind Mittel gegen Apfelschädlinge. In drei der Bodenproben wurden zudem zwei Neonicotinoide gefunden. Das sind Insektizide, die in der EU seit dem Jahr 2020 nicht mehr eingesetzt werden dürfen.

Während einer Wachstumsperiode, von März bis September andauert, sprühen die Landwirte bis zu 38 Mal Pflanzenschutzmittel in den Apfelplantagen.