Tötung von Wirbeltieren :
Forscher kritisieren geplante Reform fürs Tierversuchsrecht

Lesezeit: 3 Min.
Versuchstier Maus. Für Tierversuche gezüchtetem, aber nicht verwendete Tiere werden häufig getötet.
Bei der Tötung von Millionen Versuchstieren, die für wissenschaftliche Zwecke nicht genutzt werden können, gibt es Rechtsunsicherheit. Eine geplante Gesetzesänderung verringert sie nicht, sondern sieht härtere Strafen vor.

Vom Bundeslandwirtschaftsministerium vorgesehene Verschärfungen des Tierschutzgesetzes seien „fatal“ für alle tierexperimentell forschenden Labore, warnt die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften: Leitern von Versuchstierhaltungen drohten Haftstrafen. Daher sei zu befürchten, dass sich künftig keine Forscher mehr dazu bereit erklären werden, solche Arbeiten durchzuführen oder zu verantworten. „Das hätte mittel- bis langfristig fatale Auswirkungen auf den Wissenschaftsstandort und die Gesundheitsversorgung in Deutschland.“

Bisher sieht das Tierschutzgesetz für das Töten eines Wirbeltiers „ohne vernünftigen Grund“ bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafen vor. Gleiches gilt für das Zufügen erheblicher Schmerzen, die anhaltend sind, sich wiederholen oder aus Rohheit erfolgen. Zukünftig gibt es für all diese Taten eine Strafverschärfung auf mindestens sechs Monate bis zu fünf Jahre Haft für Täter, die die Handlungen „beharrlich“ wiederholen oder sie aus Gewinnsucht oder an einer großen Zahl von Wirbeltieren begehen.

Wie mit „überzähligen“ Tieren umgehen?

Und da es bei Tierversuchen um viele Tiere geht und Experimente wiederholt werden, sind die Sorgen in der Community groß. Im Jahr 2022 wurden laut der offiziellen Statistik etwa 1,7 Millionen Wirbeltiere für Forschungszwecke eingesetzt, rund sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Außerdem wurden rund 712.000 Wirbeltiere für Forschungszwecke getötet. Die Zahl stieg um rund 11 Prozent an. Doch die Bedenken der Forscher beziehen sich speziell auf weitere 1,77 Millionen gemeldete Tiere, die für Forschungszwecke gezüchtet, aber nicht eingesetzt, sondern getötet wurden. Sie entstehen, da oft nur ein Teil des Nachwuchses die benötigten genetischen Eigenschaften hat oder weil in der Zucht teils mehr Tiere geboren als benötigt werden. Tiere aus genetischer Forschung dürfen nicht einfach verfüttert werden, und wenn sie nicht getötet werden, bräuchte es größere Tierhaltungskapazitäten.

Im Jahr 2021 lag diese Zahl noch bei rund 2,5 Millionen Tieren. Lange wurden diese „überzähligen“ Tiere öffentlich kaum beachtet, ihre Zahl war unbekannt. Doch hatten Tierschützer in dem Jahr in Hessen flächendeckend Strafanzeigen gegen Hochschulen und Forschungsinstitute gestellt, nachdem dort erstmals Zahlen für einzelne Einrichtungen bekannt geworden waren. Die Verfahren sind überwiegend erledigt, bis auf eine bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt noch anhängige Beschwerde. Die Behörde hatte in anderen Fällen die Ansicht der Ermittler bestätigt, dass kein Anfangsverdacht vorliege: Die Tötung sei legitim, „soweit eine artgerechte Haltung nicht möglich ist, ohne die Fähigkeit der Institution zu weiterer Forschung zu gefährden“. Da Forschung es rechtfertigen könne, ein Tier bis hin zur Tötung zu schädigen, sei dies auch möglich, wenn es um die Tötung nicht nutzbarer Tiere gehe; doch müsse diese angemessen und alternativlos sein.

Kritik von der Opposition

Diese Begriffe sind jedoch recht unbestimmt, wie auch der des „vernünftigen Grunds“. Auch hatte die Staatsanwaltschaft Marburg keinen Anfangsverdacht gesehen, da Tier­schüt­­­zer keine konkreten Fälle angezeigt hatten, sondern die generelle Praxis. Aus kriminalistischer Sicht sei „durchaus naheliegend“, dass die Zucht der Tiere nicht ausreichend sorgfältig die Entstehung überzähliger Tiere vermieden habe. Doch die Beweislage sei zu dünn, als dass etwa Laborbücher beschlagnahmt werden könnten.

Wissenschaftler hatten sich eigentlich eine gesetzliche Präzisierung dieser Fragen erhofft – stattdessen sieht die geplante Reform härtere Strafen vor. Die Rechtsunsicherheit werde „unnötig gesteigert“, kritisiert die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Zudem erfasse der Qualifikationstatbestand mit den Varianten der beharrlichen Wiederholung und der großen Zahl an Wirbeltieren „bereits strukturell Handlungen, die in den allermeisten Szenarien tierexperimenteller Forschung vorkommen“. Auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller fordert eine Klarstellung.

Der Gesetzesentwurf sei „übergriffig und voll von Misstrauen gegenüber Wissenschaft“, die sehr verantwortungsbewusst sei, kritisiert Steffen Bilger, Vizechef der Unionsfraktion. Dem Forschungsstandort drohe „ein irreparabler Schaden“.

Doch auch aus eigenen Reihen muss Landwirtschaftsminister Cem Özdemir vielleicht mit etwas Widerstand rechnen. Die Abgeordnete Laura Kraft, Grünen-Obfrau im Forschungsausschuss, erklärt auf Anfrage, Tierschutz sei ein wichtiges Ziel der Koalition – und doch: „Auswirkungen auf die Forschung schauen wir uns genau an.“ Die Koalition wolle die Zahl der Versuche reduzieren. „Dennoch ist es wichtig, dass die Forschung weiterhin unter klaren Vorgaben arbeiten kann“, sagt sie. Eventuelle Rechtsunsicherheiten würden im parlamentarischen Verfahren aufgelöst.