Im neuen Gebetshaus: Elen Mary Machado (links) mit Dona Alda

Land der Indigenen

Von ROBERT WENKEMANN
Im neuen Gebetshaus: Elen Mary Machado (links) mit Dona Alda Foto: Robert Wenkemann

9. April 2021 · Umweltschutz als der gemeinsame Nenner:
 Wie das Projekt „Lebende Quelle“ in Brasilien die Zeit der Waldzerstörung überwindet. Eine Stippvisite in Jaguapirú-Bororó

Barfuß kam Elen Mary Machado zum Lauftreff in Frankfurts Grüneburgpark. „Sie haben das älteste Gebetshaus im Land der Indigenen abgebrannt. Komplett. Alles verbrannt.“ Feindselige Religionen seien es gewesen, sie breiteten sich immer weiter aus in Machados Stammesgebiet. Die erfahrene Managerin aus Brasilien hatte Tränen in den Augen. Ihre Urururgroßmutter, Dona Senhorinha, die erste Schirmherrin der brasilianischen Flagge, war eine mächtige Frau. Im 19. Jahrhundert bewirtschaftete sie im Bundesstaat Mato Grosso zehntausend Hektar Land. In dieser Gegend, unweit der Stadt Dourados und des benachbarten Stamms, in Jaguapirú-Bororó, wuchs Elen Mary Machado auf. Die Großeltern waren noch Farmer, die Eltern aber verkauften das Land, zogen nach Süden und steckten das Geld lieber in die Bildung ihrer Kinder. Als Machado noch zur Schule ging, hieß es verächtlich, sie komme aus einer „Indianer-Gegend“. Jedes Jahr verbrachte sie drei Monate am Fluss auf dem Bauernhof ihrer Großeltern. Sie studierte, lernte den Sohn einer deutschen Auswandererfamilie kennen, zog mit ihm nach Deutschland und entwickelte ihre Karriere als Spezialistin für interkulturelles Management. Doch der Stamm ließ sie nicht los.

  • Im Permakulturgarten kann jeder sehen, wie Anbau funktioniert
  • Alle Samen werden geprüft, nur heimische Arten sind erlaubt
  • Im Samenhaus werden die kreolischen Samenarten der Ureinwohner aufbewahrt. Jeder kann sich bedienen.
  • Das klimatiosierte Samenhaus wurde zum neuen Treffpunkt im Stamm
  • Im Gewächshaus werden die Samen der Schüler zu Setzlingen
  • Neben dem Gewächshaus haben die Schüler Heilkräuter gepflanzt, die sie von ihren Familien kennen
  • Im Permakulturgarten kann jeder sehen, wie Anbau funktioniert Foto: Robert Wenkemann
  • Alle Samen werden geprüft, nur heimische Arten sind erlaubt Foto: Robert Wenkemann
  • Im Samenhaus werden die kreolischen Samenarten der Ureinwohner aufbewahrt. Jeder kann sich bedienen. Foto: Robert Wenkemann
  • Das klimatiosierte Samenhaus wurde zum neuen Treffpunkt im Stamm Foto: Robert Wenkemann
  • Im Gewächshaus werden die Samen der Schüler zu Setzlingen Foto: Robert Wenkemann
  • Neben dem Gewächshaus haben die Schüler Heilkräuter gepflanzt, die sie von ihren Familien kennen Foto: Robert Wenkemann


Der in den Städten Brasiliens verbreitete Vorwurf „Die Indianer sind böse und gewalttätig. Sie greifen euch an!“ machte Machado nur noch neugieriger auf die Menschen im sogenannten Reservat. Zuerst durchstreifte sie das Gebiet auf dem Motorrad ihres Cousins. Dann empfahl ihr alter Schulfreund João Flávio, ein Arzt, der die Indigenen auf eigene Rechnung behandelte, mit Malú, einer Krankenschwester in das „Reservat“ zu gehen, um die Indigenen endlich persönlich kennenzulernen. Das war Anfang 2000. Armut überall. Nicht Federschmuck, sondern alte abgewetzte Kleidung sah sie. Manche waren verletzt, hatten Wunden, waren zahnlos. Sie lebten in Holzhütten oder Zelten. Wasser gab es nur in weit entfernten Tanks, kein Anschluss an Wasserleitungen der Stadt. Müll wurde nicht entsorgt. Es gab keine Straßen und keine Friedhöfe. Bei Regen quoll der rote Boden auf. Trost suchten die Männer in viel zu viel Zuckerrohrschnaps. Neben den Hütten lagen die Flaschen. Nirgendwo in Brasilien gab es mehr Selbstmorde als hier.

Zurück in Deutschland beriet Machado Industrie und Automobilkonzerne beim Aufbau von Wirtschaftszweigen in Lateinamerika. 2014 meldete sich der Deutsche Fußball-Bund. Die Weltmeisterschaft stand bevor. Machado half dem deutschen Team, in der brasilianischen Öffentlichkeit glänzend anzukommen.

Dona Lenir, Vorstand des Indigenen Frauenvereins „Du wirst den Hut vor mir ziehen!“
Prof. Zefa Lobschenko, technisch verantwortlich „Ich zeige welche Art von Baum sie wo pflanzen sollen.“
Cajetano Vera, Lehrer „Bei mir steht Biologische Vielfalt auf der Kappe.“
Nelson Alves da Silva, Liderança „Die Drogen kamen von den Mühlen zum Stamm.“
Luana, Schülerin „Hier sieht man unglaubliche Sachen.“

Dann meldete sich die Universität von Dourados. Dem Stamm Jaguapirú-Bororó drohte der Kollaps. Lenir Paiva Flores, Vorstand des Vereins der indigenen Frauen, rief um Hilfe. Der Fluss Jaguapirú, Lebensader des Stamms, versiegte im Sand. In keinem anderen „Reservat“ Lateinamerikas leben mehr Indigene. 3500 Hektar teilen sich die mehr als 17.000 Guaraní, Kaiowá, Terena und Mestizen – gut 18 Prozent der indigenen Bevölkerung des Bundeslandes Mato Grosso do Sul. „Lass die Finger davon“, sagten Machados Freunde noch. Sie aber machte sich sofort auf den Weg. 

An der Universität arbeitete Zefa Lobschenko, Professorin für Botanik und Wiederherstellung degradierter Flächen, bereits an einem Konzept. Machado holte noch den Buddhisten Olácio Komori dazu. Er ist Vorstand des Verbands der Bioproduzenten von Mato Grosso do Sul (Apoms). Komori kannte Aquiles, einen erfahrenen Anwalt für die Angelegenheiten der Indigenen. Zusammen mit den beiden Lehrern Cléber Dias und Cajetano Vera entwickelten sie ein ehrgeiziges Umweltprojekt für den Stamm. Als Ziele definierten sie die Wiederherstellung der natürlichen Wasserquelle, Renaturierung der ursprünglichen Flora, Einbindung der Schulen zur Umweltbildung und den Bau eines Brunnens, eines Gewächshauses, eines Samenhauses, eines Muster-Bio-Gemüsegartens und den Aufbau und Betrieb eines Marktes mit Lagerhalle. Die Schule sollte die Basis des Projekts sein. Dem Projekt gaben sie den Namen Nascente Viva („Lebende Quelle“). Eine sozial desillusionierte indigene Gemeinde ohne Zusammenhalt, die sich nicht selbständig ernähren konnte, sollte, indem sie sich auf ihre indigenen Wurzeln besinnt, zu nachhaltig agierenden Selbstversorgern und Händlern werden.

<b>Gemeinschaft:</b> Dona Lenir, Vorstand des Vereins der indigenen Frauen hat das Team zum Essen eingeladen.
Gemeinschaft: Dona Lenir, Vorstand des Vereins der indigenen Frauen hat das Team zum Essen eingeladen. Foto: Robert Wenkemann

Zwei Jahre später trafen sich alle Beteiligten zur Bestandsaufnahme in einem Klassenzimmer der Schule. Die Stühle im Kreis. Zum ersten Mal waren beide Caciques der Bororó und Jaguapirú dabei. Wortlos nahmen sie Platz. Es gab süßen Kaffee. Lobschenko präsentierte auf Bildern den Zustand und Fortschritt der Wiederherstellung des 800 Meter entfernt verlaufenden Flusses. Durch jahrelanges Abholzen waren einheimische Vegetation und viele Tierarten fast vollständig verschwunden. Ein Großteil der biologisch aktiven Bodenschicht war weg. Ohne Waldbedeckung konnten die Böden kein Regenwasser mehr aufnehmen. Statt im Boden zu versickern, lief das Wasser in Hütten, bildete sogar Sturzbäche. Wertvolle Bodenpartikel wurden weggespült. Was blieb war Sand. Die Caciques folgten Lobschenkos Präsentation mit verschränkten Armen. Sie zeigte, wie das Bachbett des Jaguapirú erst mit einem Bagger, dann mit bloßen Händen freigelegt wurde. Danach wurde das meterhohe Braquiária-Gras knapp über dem Boden geschnitten, um den Boden vor der Sonne zu schützen. Jederzeit musste mit giftigen Schlangen zwischen den Halmen gerechnet werden. Im nächsten Schritt wurden Bäume mit zwei Meter Abstand zueinander gepflanzt, insgesamt 2500 Setzlinge je Hektar. 300 Bäume haben die Indigenen allein am ersten Tag gepflanzt. Inzwischen sind es über 6000. Dabei wurden Pionier- und Nichtpionierarten durchmischt. Die Pionierarten bildeten die Deckungsgruppe. Sie reproduzieren sich schnell, sterben ab, zersetzen sich und erhöhen so den Humusgehalt des Bodens. Nun konnte der Boden Wasser und mineralische Nährstoffe besser halten. Die Nichtpionierpflanzen wurden für Diversität gepflanzt. Hochwassertolerante Arten kamen in Hangnähe, weniger wasserverträgliche Arten in trockenere Gebiete, und wenn die schnellwachsenden Pionierarten endlich in der Lage sind, Schatten zu spenden, geht auch das wuchernde Braquiária zurück.

Gaudêncio Benites, Cacique „Fast jedes Wochenende, haben wir Tote auf den Straßen gesehen.“
Cléber Dias, Lehrer „Es geht um die kommenden Generationen.“
Bruno, Schüler „Ich helfe beim Erhalt des Flussbetts.“
Sara, Schülerin „Viele müssen die Schule verlassen, um ihre Familie zu ernähren.“
Ailcson, Student „Ein Baum kann 20 Menschen Schatten spenden.“

Außerdem konnte ein Gewächshaus erworben und neben der Schule errichtet werden. Dias, der Geographielehrer, berichtete, wie seine Schüler auf dem Weg zur Schule Samen sammeln, oft über 500 pro Tag, im Gewächshaus pflanzen und pflegen. Zuvor müssen die Samen aber immer das strenge Auge von Biologielehrer Vera passieren. Denn auch hier wird auf heimische Arten geachtet. 

Immer wieder gab es Wochen ohne Regen, in denen der Direktor, Luiz Freire, das Wasser für die Kinder brauchte und das Gewächshaus trocken lassen musste. Gaudêncio Benites, der Cacique von Bororó, kannte zwar Leute, die über hundert Meter tief für einen Brunnen gebohrt haben, Wasser kam trotzdem keins. Neben dem Gewächshaus haben die Schüler auf Initiative von Dona Lenir Heilkräuter gepflanzt, die sie von ihren Familien kennen. Im Unterricht nahm die Umweltbildung mehr Raum ein. „Jetzt sind sie Kinder, später sind sie Eltern und geben alles weiter“ sagte Dias. Vera berichtete vom neuen Samenhaus, das von einer Organisation des Wissenschaftsministeriums (CNPQ) finanziert und im Garten der gegenüberliegenden Schule errichtet wurde. Klimatisiert lagern hier organische Schätze. Die Indigenen können sich bedienen, um ihre Felder zu bewirtschaften. Das Samenhaus wurde zum neuen Treffpunkt. Durch die Samen kann jeder Selbstversorger sein. Außerdem pflegt Vera einen Permakulturgarten für Gemüse, um allen zu zeigen, wie der Anbau funktioniert. Dünger wird verachtet. Grummeln im Raum. Der Boden sei schließlich stark genug. Mehrmals im Jahr veranstaltete die Schule Pflanztage. Dann trafen sich die Kinder am Fluss und forsteten weiter auf. Freire hat die Kinder sogar schon beim Fischen gesehen. Zu Hause erzählten sie ihren Eltern davon. Soziale Entwicklung ist oberstes Ziel.

  • Das Gebetshaus von Argemiro Arce und seiner Frau Aparecida
  • „Das Land der Indigenen war früher 200 Hektar größer“, sagt Argemiro Arce
  • Regenwasser zum Waschen
  • Die meisten Indigenen leben arm
  • Schmuck wird aus den Samen der Region hergestellt und mit den Zeichen der Guaraní und Terena verziert
  • Das Gebetshaus von Argemiro Arce und seiner Frau Aparecida Foto: Robert Wenkemann
  • „Das Land der Indigenen war früher 200 Hektar größer“, sagt Argemiro Arce Foto: Robert Wenkemann
  • Regenwasser zum Waschen Foto: Robert Wenkemann
  • Die meisten Indigenen leben arm Foto: Robert Wenkemann
  • Schmuck wird aus den Samen der Region hergestellt und mit den Zeichen der Guaraní und Terena verziert Foto: Robert Wenkemann


Nelson Alves da Silva saß auch in der Runde. Er wurde im Stamm geboren und als Verstärkung ins Team geholt. Sein eigenes Stück Land hat er schon auf organischen Anbau umgestellt und sogar erste Erzeugnisse auf dem Markt in Dourados verkauft. Was für ein Erfolg. Denn im Gegensatz zu Alves da Silva ist noch immer ein Großteil der Familien von Hilfslieferungen aus Dourados für ihren Lebensunterhalt abhängig, sagte Aquiles, der Anwalt. „Die Lebensqualität aller im Dourados-Stamm hängt von besseren Lebensbedingungen, einer Schulbildung ab, die ihre Traditionen respektiert und die Geschichte jeder ihrer Ethnien wiederherstellt. Kern dieser Geschichte ist die Identifikation als Mitglied eines Ganzen. Die Umwelterneuerung und agroökologische Produktion führen zur Wiederherstellung einer dauerhaften Schutzumgebung ihrer Kultur.“ Die Konsumgüter verdrehen den Indigenen den Kopf. Komori wies auf den Einfluss der wachsenden benachbarten Stadt hin. Er initiierte eine Gruppe, die Schmuck aus Samen herstellt. Doch noch führt das Zusammenleben der vielen Ethnien zu Problemen, sagte er.

Deshalb ist ein Gemeinschaftsprojekt wie Nascente Viva ein besonderer Erfolg. „Es funktioniert, weil es ein Umweltthema ist. Umwelt ist der gemeinsame Konsens“, sagte Machado. Mit dem Verein Tarahumara-Fans und ihrer Laufgruppe machte sie das Projekt international bekannt und sorgte für Spenden. So liefen Sportler aus dem Rhein-Main-Gebiet, von denen jeder einen Baum spendete, mit Indigenen aus dem Stamm, die ihnen dafür Medaillen aus kreolischen Samen fertigten. All das brachte dem Team den Preis „Grüner Meilenstein“ – „Marco Verde“ – für seine positiven gesellschaftlichen und Umweltveränderungen ein. Machado streckte ihn stolz in die Höhe. Die Indigenen fühlten sich wertgeschätzt. Vielen von ihnen war das bislang fremd.

<b>Wiederbelebung:</b> Biologe, Cajetano Vera inspiziert die jungen Pflanzen am Flussufer.
Wiederbelebung: Biologe, Cajetano Vera inspiziert die jungen Pflanzen am Flussufer. Foto: Robert Wenkemann

Nach der Fluss-Besichtigung traf sich das Team noch einmal verschwitzt und durstig im Vereinshaus von Dona Lenir. An rohen Wänden hingen Federschmuck und Schülerzeichnungen mit Fischen des Flusses. Dona Lenir rührte in dampfenden Töpfen. Maniok, Hühnerwürste, schwarze Bohnen, Reis, eiskalte süße Limo. Nichts konnte jetzt besser schmecken. Leidenschaftlich wurden die nächsten Aufgaben besprochen. Nach dem Brunnen ein Markt, dann sind die nächsten Schulen dran, sechs gibt es noch im Stamm, sie haben noch keine Gewächshäuser und keine Samenhäuser. Und dann erzählten alle, was sie im Stamm so bewegte. Luana, Schülerin und Gewinnerin des Partnerlaufs mit dem Akzent der Indigenen-Sprache, sagte, dass sie sich erst jetzt daran gewöhnt, eine Indigene zu sein. Benites erinnerte sich an die vielen mit Macheten Getöteten, Alves da Silva, der schon mit zwölf in den Zuckerrohrfabriken arbeitete, wo die Indigenen lernten zu trinken, zu rauchen und Drogen von den Fabriken zum Stamm kamen, Lobschenko, die am Tag danach die Voruntersuchung für ihre Krebsoperation hatte, von mit Atrazin verseuchtem Wasser, das schlimmer sei als Glyphosat, und Dona Lenir von der Genehmigung für die Baggerarbeiten am Fluss mit dem Mann von der Behörde, der ein Bündel Anträge aus der Schublade zog und sagte, dass bisher niemand die Genehmigung bekam und dass er den Hut vor ihr zöge, wenn sie, die nicht schreiben kann, das schaffte – was er dann tun musste.

Warum funktioniert das Projekt? „Weil es wie die Natur ist“, sagte Machado, „wir sind mit unserer Organisation flexibel. Wir geben Impulse. Wir haben eine Struktur. Aber die Sachen geschehen auch. Da kommt ein Jurastudent, der im Stamm geboren ist, vorbei und sagt: Ich habe hier einen Kokossamen, und schon kommt er in das Samenhaus. Jeder ist an diesem Projekt beteiligt.“ Als es wenig Wasser gab, hat Komori nach der Quelle gesehen und dort einen Biogärtner kennengelernt. Sofort wurde der Gärtner integriert und konnte sich mit Alves da Silva und Vera austauschen. Das brauchte der Stamm, Menschen, die gemeinsam aktiv und motiviert sind. Die Indigenen wurden selbst Gestalter des Projekts. Das Team gab nur einen Rahmen. Es gibt keine gleichwertige Verbindung der Menschen, die in der Stadt leben, und denen, die im Stamm leben. Aber hier im gemeinsamen Arbeiten und gegenseitiger Wertschätzung wurde eine Einheit geschaffen, die auf gegenseitiger Achtung beruht.

<b>Integration:</b> Jeder ist beteiligt, wenn die Quelle des Jaguapirú freigelegt wird.
Integration: Jeder ist beteiligt, wenn die Quelle des Jaguapirú freigelegt wird. Foto: Olacio Komori

Die Sonne näherte sich dem Horizont. Alves da Silva kannte den Weg zu Argemiro Arce und seiner Frau Aparecida, zwei der wenigen spirituellen Führer des Stamms. Die Indigenen suchen sie als Berater und Wahrsager auf. Mit seinem Motorroller fuhr Alves da Silva uns über rote Wege voran. Schlaglöcher ließen die Motorhaube wippen. Das Land wurde weiter. Wir kamen zu einem seitlich von Bäumen gesäumten Platz. Eine Handvoll Hütten, ein Stuhl, Hühner, Hunde. Arce und Aparecida standen vor dem zusammengezimmerten Gebetshaus. Die rechte Außenwand bildete das verwitterte Reservatschild. „Reserva“, ein Wort, das den Indigenen nicht über die Lippen kommt.

Arce und Aparecida grüßten wortlos. Dann stimmten sie eine Zeremonie mit meditativ mäanderndem Gesang an. Arce stieß den Rhythmus mit einem Bambusrohr auf den Boden. Die beiden bewegten sich im Kreis und wiesen den Weg. Machado folgte ihnen. Wind kam auf. Im Gras schnaubte ein weißes Pferd. Sterne am wolkenlosen Himmel. Danach saßen wir auf Kisten, saugten mit einem Metallstrohhalm Eiswasser durch frisch gestampften Mate, während die beiden von ihrer Zeit als Aktivisten in den Vereinigten Staaten erzählten. Alves da Silva befestigte Hängematten im Gebetshaus und schob seinen Motorroller neben die Zeichen der Ahnen. „Alles und alle sind eins, trotz Zwietracht“, sagte Arce. Das klang nach Aquiles’ Worten von der Identifikation mit dem Ganzen.

Auf dem Heimweg näherten wir uns dem spirituellen Zentrum des Stamms. Hier verbrannte das große alte Gebetshaus. Wenn etwas aus dem Gleichgewicht kam, war dies der Ort, an dem die Indigenen die Harmonie mit den kosmischen Entitäten und die kulturelle Harmonie innerhalb ihrer Gemeinschaft wiederherstellten. Machado warf die Sandalen beiseite, lief barfuß über die rote Erde und begrüßte die Lideranças Espirituais Alda Lopes und Getúlio Juca. Dona Alda gab dem Projekt zum Auftakt ihren Segen. Nun führte sie Machado ein paar Meter weiter zum neuen fast fertigen Gebetshaus. Dicke, stabile Balken überspannten einen großen Raum. In den Ecken sind jetzt Überwachungskameras geplant. Am Ausgang des Stammesgebietes brannten alte Autoreifen und verbreiteten schwarzen Rauch. Es roch nach Benzin.

Zum Beitrag in portugiesischer Sprache

<b>Starke Frauen:</b> Dona Alda (links) und Elen Mary Machado
Starke Frauen: Dona Alda (links) und Elen Mary Machado Foto: Robert Wenkemann

Hier kann für das Projekt gespendet werden:
www.betterplace.org/de/projects/73794-nascente-viva-lebende-quelle
Biodynamische Farm Ein Haus aus Termitenhügeln
Ökobauern in Brasilien Da wächst etwas heran