Sport und Speise :
Vorsicht, Kastanien!

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Beim Conker-Spiel versucht man mit seiner Kastanie die des Gegners zu zerschmettern.
Es ist Kastanien-Zeit! Die braucht es für einen britischen Nationalsport. Verspeisen darf man sie nicht. Dafür wachsen auch in Deutschland überall Esskastanien.

Für Menschen, die ihr Auto lieben, und Eltern, die Basteln hassen, ist es eine schwere Zeit. Für alle anderen ist der Herbstanfang ein großer Spaß, wenn die Rosskastanie ihre grünen, stachligen Kugeln regnen lässt.

Als Anwohnerin eines mit großen Kastanien gesäumten Spielplatzes kann ich bestätigen: Kinder sammeln ganze Säcke voll, und man sieht auch Erwachsene, die die Kastanien mit Freude umherkicken.

In Großbritannien, wo man kindliche Albernheiten grundsätzlich mit größerem Ernst betreibt, ist das Spielen mit Kastanien, also der „Conker“, seit Jahrhunderten sogar Traditionssport. Alljährlich findet am zweiten Sonntag im Oktober im Dörfchen Southwick in Northampton­shire die „World Conker Championship“ statt. Rund 250 Teilnehmer traten dieses Jahr an, um den mit Kastanien geschmückten Thron des Kastanien-Königs und der -Königin zu erklimmen. Sogar Kronen gibt es für die Sieger, natürlich mit Kastanien dekoriert.

Die Gewinner der World Conker Championship im Jahr 2022.
Die Gewinner der World Conker Championship im Jahr 2022.picture alliance / empics

Die Regeln des Spiels sind einfach: Man braucht eine Kastanie, die an einer Schnur baumelt. Dazu durchbohrt man die Nuss, fädelt sie etwa auf einen Schnürsenkel und verknotet diesen. Im Kampf lässt der eine Spieler seine Kastanie am ausgestreckten Arm baumeln, und der Gegner darf mit seiner Kastanie drei Schläge auf diese wagen. Ziel ist, die feindliche Kastanie zu zerschmettern. Haut er daneben, ist der andere Spieler dran.

Wie bei jedem vernünftigen Spiel kann man auch beim Conker schummeln. Um die Kastanie robuster zu machen, könne man sie etwa von einem Schwein verspeisen lassen, lerne ich in einem Video. Durch die Verdauungssäfte des Tiers würde die Schale gestählt. Es bedarf allerdings wahrer sportlicher Hingabe, die frisch verdaute Kastanie wieder aufzusammeln. Einfacher ist es, sie mit durchsichtigem Nagellack zu bepinseln. Der älteste Trick ist aber, sie in Essig einzulegen und zu backen. 1993 wurde etwa Michael Palin, Monty-Python-Star und vielen besser als Pontius Pilatus bekannt, aufgrund dieses Kniffs vom Wettbewerb disqualifiziert.

Die World Conker Championships finden bei einem Pub im Dorf Southwick statt.
Die World Conker Championships finden bei einem Pub im Dorf Southwick statt.picture alliance / empics

Zum Sieg braucht man mehr als eine harte Kastanie. Wer es ausprobiert, merkt, dass man sich eher selbst haut als die gegnerische Kastanie. An vielen britischen Grundschulen wurde das Conkern in der Pause aufgrund der vermeintlichen Verletzungsgefahr gar verboten, wie eine Umfrage schon 2000 zeigte. Die Schulleiter hatten Angst vor rechtlichen Folgen.

Auch so fürchten sich anscheinend viele vor Verletzungen durch Kastanien: In einem Dorf im britischen Suffolk wurden vor einigen Jahren Warnschilder angebracht, nachdem zwei Spaziergängern Kastanien auf den Kopf gefallen waren. Ich kann Sie an dieser Stelle beruhigen: In medizinischen Datenbanken finden sich keine Fallbeschreibungen von Menschen, die von Kastanien tatsächlich verletzt wurden. Häufige Opfer sind Autodächer, und da Schäden oft erst ab Windstärke acht von der Versicherung gezahlt werden, parkt man im Herbst besser woanders.

Kastanien zum Basteln und essen
Kastanien zum Basteln und essenpicture alliance / Wolfgang Minich

Für Eltern, die keine Lust auf Jeff-Koons-ähnliche Bastelambitionen ihrer Kinder haben, habe ich auch einen Tipp: In Deutschland wachsen in manchen Wäldern Esskastanien. Im Taunus gibt es gar einen Edelkastanien-Erlebnispfad. Nutzen Sie die Sammelleidenschaft ihres Nachwuchses also für eine schmackhafte und kostengünstige Pilz-Maronen-Pfanne. Doch Vorsicht, denn die Esskastanie und die Rosskastanie sind botanisch nicht miteinander verwandt. Die Namensvetterschaft rührt einzig daher, dass sich die Früchte ähneln. Die Rosskastanie, Aesculus hippocastanum, gehört zu den Seifenbaumgewächsen, und die Kastanie enthält giftige Saponine, darum darf man sie nicht essen. Es besteht also doch Verletzungsgefahr. Wo bleiben die Warnschilder?