Dritter „Starship“-Test :
Elon Musks Superrakete nimmt ihre nächste Hürde

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Atemberaubende Bilder: Der dritte „Starship“-Test
„Daten sind die Nutzlast bei solchen Flügen“: Alles hat nicht geklappt. Trotzdem können Elon Musk und seine Ingenieure mit dem dritten Teststart ihrer Superrakete „Starship“ zufrieden sein.

Solche Bilder kannte man bisher nur von Computeranimationen: In der 46. Minute nach dem Start um 14.25 Uhr mitteleuropäischer Zeit sah man live aus dem All, wie sich rotorange leuchtendes Plasma um eine Seite des Rumpfes von „Ship 28“ legte. Diese Oberstufe der bislang noch experimentellen Schwerlastrakete vom Typ „Starship“ des amerikanischen Raumfahrtunternehmens SpaceX befand sich da in 97 Kilometer Höhe über dem Indischen Ozean und raste mit mehr als 26.000 Kilometern pro Stunde durch die Hochatmosphäre.

Die Übertragung dieser Bilder mithilfe des konzerneignen „Starlink“-Satellitensystems war eine technische Leistung für sich allein. Normalerweise unterbindet das Plasma, ein Gas aus elektrisch geladenen Teilchen welches Raumschiffe während des Wiedereintritts in die Atmosphäre umgibt, die Übertragung von Funksignalen während eines solchen Manövers.

Sie bringt es auf den doppelten Schub der Mondrakete Saturn V

Trotzdem klappte bei dem heutigen Flug nicht alles. Zunächst war unsicher, ob der Start von der Rampe bei Boca Chica an der südtexanischen Küste des Golfes von Mexiko überhaupt würde stattfinden können. Aufgrund starker Winde war der Countdown mehrfach zurückgesetzt worden, bis von den 110 Minuten des Startfensters nur noch 15 Minuten übrig waren. Doch dann glühten alle 32 Triebwerke der ersten Stufe, des „Superheavy-Boosters“, am Himmel über Texas, und auch die Trennung der beiden Stufen funktionierte wie im Bilderbuch.

Allerdings gelang es anschließend nicht, die Triebwerke des Boosters nach dessen erfolgreichem Drehen in die Senkrechte wieder zu zünden, und so stürzte er ungebremst in den Ozean. Materiell war das zu verschmerzen, denn eine Bergung war für diesen Testflug ohnehin nicht vorgesehen gewesen. Doch das ausgereifte Starship soll einmal vollständig wiederverwendbar sein. Das ist Firmenphilosophie: Mit widerverwendbaren Unterstufen seiner Raketen „Falcon 9“ und „Falcon Heavy“ hat SpaceX das Raumfahrtbusiness ziemlich auf den Kopf gestellt.

Auch die Oberstufe Starship ist auf Wiederverwendbarkein ausgelegt. Bei diesem Flug sollte sie allerdings nur kontrolliert in den Ozean westlich von Australien fallen. Dieses Ziel wurde ebenfalls nicht erreicht. Etwa drei Minuten nach den ersten eindrucksvollen Plasmabildern aus dem Orbit riss der Datenstrom von der Oberstufe vollständig ab, die sich zu diesem Zeitpunkt in 65 Kilometer Höhe befand – und kam nicht wieder. „Ship 28“ war verloren. Zuvor waren auf dem Bildern starke Taumelbewegungen zu sehen gewesen. Inwieweit diese etwas mit dem Verlust zu tun haben und ob die Oberstufe in der Atmosphäre auseinandergebrochen ist oder in einem Stück ins Meer gefallen ist, wird nun untersucht werden.

Trotzdem können die Ingenieure von SpaceX und ihr Chef Elon Musk mit diesem dritten Teststart des Starship zufrieden sein – der auf den 22. Jahrestag der Firmengründung fiel. Der erste Start dieser größten und leistungsfähigsten unter den bisher geflogenen Raketen am 20. April 2023 hatte noch Teile der Startrampe zertrümmert, und die 120 Meter hohe Rakete war noch vor der Trennung außer Kontrolle geraten. Beim zweiten Teststart am 18. November 2023 kam Starship bereits erheblich weiter: Die für eine Rakete dieser Größe neuartige Art der Stufentrennung, das sogenannte “hot staging“, funktionierte. Erst danach endeten zuerst die Unterstufe und dann das eigentliche Starship in Feuerbällen. Dabei erreichte die Oberstufe allerdings bereits eine Höhe von 149 Kilometern und damit den Weltraum. 

Der aktuelle dritten Teststart fand nur vier Monate nach dem zweiten statt - das ist der kürzeste Abstand zwischen dem zweiten und dritten Testflug einer kommerziellen Rakete. Im Fall der heute extrem erfolgreichen Falcon 9 vergingen zwischen den entsprechenden Testflügen seinerzeit mehr als ein Jahr.

Und dabei  ist SpaceX noch einmal ein ganzes Stück weitergekommen. Experimente zum internen Transfer von Treibstoff innerhalb der Oberstufe und zum Öffnen und Schließen einer Frachtklappe konnten im All durchgeführt werden. Vor allem aber liegen nun Daten zumindest über den Beginn des Wiedereintritts in die Atmosphäre vor, die kritischste Phase jedes Weltraumfluges, bei dem die Nutzlast wieder heil zur Erde gelangen soll – und Spaceship soll in einigen Jahren, nach aktuellem Zeitplan bereits im September 2026, im Rahmen der NASA-Mission „Artemis 3“ auch Astronauten zum Mond und wieder zurück befördern können.

Bis dahin werden noch etliche unbemannte Starts erfolgen müssen, und auch die enorme Nutzlastkapazität der neuen Rakete – sie bringt es auf den doppelten Schub der Mondrakete Saturn V – wird noch nicht so schnell kommerziell einsetzbar sein. Bis auf Weiteres geht es vor allem darum, dieses technisch in vieler Hinsicht völlig neue Raketensystem zu testen und wieder zu testen. Oder wie es ein SpaceX-Ingenieur während der Liveübertragung des Plasmaleuchtens formulierte: „Daten sind die Nutzlast bei solchen Flügen.“

Tatsächlich hatte Elon laut dem Raumfahrt-Nachrichtendienst Spaceflight Now noch vor dem aktuellen Start verkündet, SpaceX plane im laufenden Jahr noch “mindestens sechs weitere Flüge“.