Doppel bei den French Open :
Der Seelentröster Tim Pütz

Von Thomas Klemm, Paris
Lesezeit: 3 Min.
Tim Pütz hat zwar keinen Trainingsrückstand mehr, verpasste mit seinem Doppelpartner Kevin Krawietz dennoch das Halbfinale.
Tim Pütz leistet seiner mitgenommenen Mixed-Partnerin Miyu Kato Beistand und erreicht im gemischten Doppel das Halbfinale von Paris. Im Doppel an der Seite von Kevin Krawietz läuft es aber nicht rund.

Urplötzlich war Tim Pütz ein gefragter Mann von Welt. Als Doppelspieler, der sich seit dieser Saison mit seinem Coburger Kompagnon Kevin Krawietz im Tenniszirkus schlägt, ist der Frankfurter zwar in jeder Hinsicht als schlagfertiger Typ bekannt. Aber was er als Teil des gemischten Doppels mit Miyu Kato leistete, reichte weit über den üblichen Beistand im Tenniszirkus hinaus.

Nachdem die beiden ihren Matchball im French-Open-Viertelfinale gegen die Brasilianer Luisa Stefani und Rafael Matos aus Brasilien zum 7:6, 6:2 verwandelt hatten, nahm der Deutsche seine arg mitgenommene Spielpartnerin in den Arm.

Eine Stunde später in der Pressekonferenz, als Kato nach der ersten Frage auf Englisch die Stimme versagte und sie anfing zu weinen, reichte Pütz ihr ein Taschentuch nach dem anderen und ergriff an ihrer Stelle das Wort. Der Doppelpartner wurde schlagartig zum Seelentröster sowie Sprachrohr.

Der 35-Jährige erklärte am Montag also, wie es seiner Kollegin ging nach ihrer Disqualifikation im Damendoppel vom Vortag. Kato hatte einen Filzball in einer kurzen Unterbrechung auf die andere Platzseite geschlagen und ein Ballmädchen am Brustkorb getroffen.

Es geschah aus Unachtsamkeit, nicht aus Ärger, trotzdem wurde die Japanerin dafür beim Stand von 6:7, 3:1 disqualifiziert. Zwar hatte sie sich direkt auf Platz 14 von Roland Garros entschuldigt, ebenso wie später in den sozialen Netzwerken: Doch die Supervisoren der French Open kannten keine Gnade. Im Doppelwettbewerb mit der Indonesierin Aldila Sutjiadi durfte die am Boden zerstörte Kato in Paris nicht mehr spielen, Punkte und Preisgeld wurden storniert.

Ablenkung durch den Erfolg

An Pütz’ Seite darf sie weitermachen. „Zunächst einmal sind wir alle glücklich, dass das Ballmädchen okay ist“, sagte der Frankfurter am Tag danach. Aber: „In der Umkleide haben viele Leute sofort gesagt, dass es die schlechteste Disqualifikation war, die sie je gesehen haben.“ Wie vermutlich viele andere Tennisprofis hat Pütz sofort daran gedacht, was wäre, wenn er selbst an Miyu Katos Stelle gewesen wäre. „Ich weiß nicht, ob ich meines Lebens schnell wieder froh werden würde.“

Die Japanerin wird immerhin durch den Halbfinaleinzug mit Pütz abgelenkt und aus ihrem Tief geholt. Eigentlich hatte Pütz ja mit seinem Doppelpartner Krawietz sportlich für Schlagzeilen sorgen wollen. Nur nebenbei und auf den letzten Drücker hatte sich der Frankfurter auch zum Mixed-Wettbewerb gemeldet.

Der erhoffte Coup mit dem Coburger Krawietz blieb jedoch aus. Im Viertelfinale unterlagen die beiden Deutschen am Dienstag dem 38 Jahre alten bosnischen Routinier Ivan Dodig und dem knapp sechs Jahre jüngeren Amerikaner Austin Krajicek 6:7 (6:8), 7:5 und 4:6. Zum Verhängnis wurde den Deutschen, die in Paris an Position elf gesetzt gewesen waren, ein verlorenes Auf­schlag­spiel von Pütz gleich zu Beginn des dritten Satzes.

Pütz und der 31-jährige Krawietz spielen ihre erste gemeinsame Saison, nachdem sie sich von ihren langjährigen Partnern getrennt haben. Krawietz gewann an der Seite des Kölners An­dreas Mies 2019 und 2020 die French Open, Pütz spielte vor allem mit dem Neuseeländer Michael Venus. Krawietz und Pütz kennen und schätzen sich aber schon lange, haben bei neun Länderspielen das deutsche Davis-Cup-Doppel gebildet und dabei achtmal gewonnen.

In Paris absolvierten sie ihr achtes Turnier zusammen. In München verloren sie im Finale, in Monte Carlo im Halbfinale, bei den French Open nun in der Runde der letzten acht. Das Zusammenspiel werde aber immer besser, sagt Pütz: „Wir gewöhnen uns daran, was der andere gerne mag und nicht so gerne mag. Das ist ein Prozess, den kann man nicht abkürzen.“ Zusammen müsse man mal „richtig gute und richtig schlechte Matches“ gespielt haben, um alles zu perfektionieren. Die Viertelfinalniederlage gegen die an Position vier gesetzten Dodig/Krajicek gehörte bei allem Frust eher zu den besseren Partien.

Ganz der Alte

Schreckmomente haben die beiden Deutschen schon einige hinter sich: im Davis Cup, wo sie eine Reihe von heiß umkämpften Matches noch so eben gewannen. Oder vor drei Wochen beim Turnier in Rom, als Pütz sich verletzte.

Er konnte nicht das Zweitrundenmatch spielen und hatte kurz Sorge gehabt, ob er bis zum Turnierstart in Paris wieder fit sein würde. Er ist wieder ganz der Alte, anders als bei der French-Open-Auflage des vergangenen Jahres, als er sich kurz zuvor ebenfalls verletzt hatte und mit Venus in der dritten Runde scheiterte. „Jetzt habe ich nicht mehr das Gefühl, dass ich Trainingsrückstand habe“, sagte Pütz im Gespräch mit der F.A.Z.

Zum Training gehören vier Männer: neben Pütz sein Trainer Dominik Meffert, Krawietz hat seinen Coach Lukas Wolf mit in die sportliche Beziehung gebracht. Die Arbeitsteilung funktioniert: Bei dem einen Turnier betreut Meffert das Doppel, beim nächsten Wolf. „Sie sehen viele Dinge ähnlich“, sagt Pütz. „Es übertrifft unsere Erwartungen, weil es großen Spaß macht und wir größtenteils erfolgreich spielen.“ Spaßeshalber hätte man sogar über einen gemeinsamen Urlaub samt Frauen und Kinder nachgedacht. Aber das ist noch ein Geheimnis in den Familien von Pütz und Krawietz. Wie wär’s mit Paris?