Uli Hoeneß zum „Sommermärchen“ :
Stimmenkauf war „gang und gäbe“

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Uli Hoeneß berichtete am Montag von „viel, viel, viel Schmiergeld“. (Archivbild)
Im „Sommermärchen“-Prozess in Frankfurt erklärt Zeuge Uli Hoeneß, dass mit „viel, viel Schmiergeld“ etliche Events im internationalen Fußball zustande gekommen seien. Die WM 2006 sei aber nicht gekauft worden.

Der Zeuge Ulrich Hoeneß hat im sogenannten Sommermärchen-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt I seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland sei nicht gekauft worden. Hoeneß war von der Vorsitzenden Richterin Eva-Marie Distler geladen worden, nachdem diese Aussagen des Ehrenpräsidenten des FC Bayern München in Funk und Fernsehen rezipiert hatte, er wisse „ziemlich genau, was damals los war, und es war keine Bestechlichkeit“.

Der Unternehmer Robert Louis-Dreyfus hatte Franz Beckenbauer 2002 ein Darlehen über zehn Millionen Schweizer Franken gestellt, das Geld landete in Qatar bei Mohamed bin Hammam, der maßgeblichen Figur in der Finanzkommission des Internationalen Fußballverbands FIFA, der DFB löste es über die FIFA 2005 in Euro, nämlich 6,7 Millionen, bei Louis-Dreyfus ab und machte die Summe als Betriebsausgabe geltend, weshalb nun, mehr als eineinhalb Jahrzehnte später, die drei früheren DFB-Spitzenfunktionäre Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger wegen der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall angeklagt sind.

Hoeneß mit Nachspielzeit vernommen

Vom Zahlungsfluss wissen die Ermittler seit Jahren, auch wenn Beckenbauer zu seinen Lebzeiten in drei Vernehmungen durch Staatsanwälte in Deutschland und der Schweiz so gut wie nichts beizutragen wusste bezüglich der Verschiebungen auf seinen Konten. Die Protokolle wurden vor Hoeneß’ Vernehmung am Montag im Gerichtssaal verlesen. Er habe seine Leute gehabt, sagte Beckenbauer damals, zum Beispiel Manager Robert Schwan. Die von Beckenbauer meistgenannte Antwort auf Fragen in den Vernehmungen 2015 und 2016: „Keine Ahnung.“

Der Zeuge Hoeneß, um kurz vor zwei Uhr am Nachmittag aufgerufen und über die Länge eines Fußballspiels mit modern-großzügiger Nachspielzeit vernommen, erinnerte sich an seinen früheren Mitspieler beim FC Bayern München und in der Nationalmannschaft so: „Franz Beckenbauer hat sich fast demonstrativ niemals um Geschäfte gekümmert.“ Allen voran habe das Robert Schwan übernommen, der im Juli 2002 starb. Schwan habe mit Robert Louis-Dreyfus verhandelt. Der Franzose, Hoeneß’ 2009 gestorbener Freund und Geschäftspartner, hätte Geld nicht für Stimmenkauf gegeben.

„Da lach ich mich tot“

Und zum anderen: „Robert Schwan gibt sich nicht dafür her, dass andere profitieren, der handelt für sich und seine Freunde.“ Das Geld, das von einem Kitzbüheler Konto aus, auf das Beckenbauer und Schwan Zugriff hatten, über die Obwaldner Kantonalbank in der Schweiz nach Qatar transferiert wurde, war auf dem ersten Weg der Reise in Tranchen mit dem Verwendungszweck „Asian Games 2006“ versehen worden.

Diese fanden tatsächlich in jenem Jahr in Qatars Hauptstadt Doha statt. In den Gerichtsakten findet sich ein Vertragsentwurf mit entsprechender Summe, offenbar zwischen bin Hammams Firma Kemco und der Schwan-Firma SSK-Rofa wenigstens angebahnt. Hoeneß hält den Zahlungszweck allerdings für legendiert. „Der Schwan und Asia Games“, sagte Hoeneß, „da lach ich mich tot.“ Überweisungen bräuchten nun mal einen Verwendungszweck: „Man hätte es auch Alaska Games nennen können.“ Papier sei „geduldig, um Leute in die Irre zu führen“.

Im Internationalen Fußballverband FIFA allerdings sei Stimmenkauf „gang und gäbe“ gewesen, etliche Events seien mit „viel, viel, viel Schmiergeld zustande gekommen“. Die WM 2006 sei eben die Ausnahme. Hoeneß stützt seine Überzeugung vor allem auf ein Gespräch mit Louis-Dreyfus nach 2005, aber deutlich vor dessen Tod 2009, in dem dieser das Darlehen „en passant“ erwähnt habe.

Zum Zweck der Zahlung an bin Hammams Firma allerdings, sagte der Zeuge Hoeneß, könne er „überhaupt nichts“ sagen. Gesprochen darüber habe er damals mit niemandem. Louis-Dreyfus, der sich Hoeneß gegenüber darüber mokiert habe, dass nicht der DFB selbst zehn Millionen stellt, habe er zum Grund des Darlehens nie befragt.

Und Beckenbauer habe er „bei keinem unserer Treffen auf diese unguten Vorwürfe angesprochen, die seine letzten Jahre so verdunkelt hatten“.

Von Journalisten zu den Grauzonen und Schattenreichen des Sommermärchens befragt, habe er es allerdings „für meine Pflicht“ gehalten, in den Medien „mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg zu halten, zu sagen, was ich weiß, und meinem Ärger über die Behandlung dieses bedeutenden Mannes Ausdruck zu verleihen“.

Er sei doch ein neugieriger Mensch, meinte die Richterin. „Net so sehr neugierig“, antwortete Hoeneß in seinem schwäbischen Tonfall. „Neugierig bin ich nur, wenn es um den FC Bayern und um mich geht.“ Dass allerdings auch beim DFB niemand habe sagen können, was denn nun eigentlich hinter der Zahlung steht, allen voran der damalige Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, der im August 2015 gestorben ist – auch da, sagte Hoeneß, lache er sich tot. „Überlegen Sie mal“, ließ er das Gericht wissen, „der FC Bayern kauft einen Spieler für 50 Millionen Euro, und ich weiß nichts davon. Das geht nicht.“ Es könne doch nicht sein, dass Millionen gezahlt würden, und keiner wisse wofür.

In der Tat. Warum also bekam Mohamed bin Hammam zehn Millionen Schweizer Franken?

Richterin Distler hielt mit Blick auf diese elementare Frage und ihren Zeugen Ulrich Hoeneß schon während dessen Befragung fest: „Sie sagen (in den Medien, d. Red.): Sie wissen es ziemlich genau, dass es nicht für Stimmenkauf war. Ziemlich genau wissen sie es nicht. Sie wissen es ungefähr.“