Wellness in Berlin :
Hier bin ich nackt, darf aber nicht küssen

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Ins Vabali oder ins Liquidrom? Diese Frage treibt die Berliner Wellnesselite um, denn bis zum Sommer dauert es in der Hauptstadt besonders lang. Wo man hier am besten entspannt. Und was man besser alles nicht tut.

Der Winter scheint fast vorbei, die dunkelsten Tage des Jahres sind überwunden, und doch kann immer noch ein Rückfall kommen. Kann die Düsterkeit zurückkehren, der Regen gemeiner werden. In Berlin ist die Zeit bis zum Frühling besonders hart. Hier bleibt der winterliche Trübsinn an den Straßenlaternen und Lastenrädern kleben, auch wenn es gar nicht so kalt ist. Umso wichtiger zu wissen, an welche Orte man sich flüchten kann, um ein bisschen Wärme zu spüren. Es gibt im Berlin des Jahres 2024 im Grunde nur zwei Wellnessorte, zwischen denen sich die ruhebedürftigen Großstadtseelen entscheiden können: entweder ins Vabali oder ins Liquidrom.

Fahren wir zuerst zur 20.000 Quadratmeter großen Spa-Oase hinter dem Hauptbahnhof. Wer spontan vorbeischaut, muss mit einer langen Wartezeit rechnen. Bis zu 500 Besucher kann das Vabali aufnehmen, und doch ist der Andrang riesig. Nur Montag Morgen um 8 Uhr, so eine Mitarbeiterin augenzwinkernd, sei etwas weniger los. Wir sind an einem Mittwoch gekommen. Lampions erleuchten den Weg ins Badehaus. Vor dem Eingang begrüßt eine Buddhastatue und stimmt die aufgekratzten Besucher auf eine sorgenfreie Zeit ein. Handtücher und Bademantel muss man zusätzlich zum stolzen Tageseintrittspreis von 47,50 Euro kaufen, der Spind ist klein, Umkleidekabinen gibt es nicht.

Sprung ins warme Nass: Blick in das zentrale Schwimmbecken im Vabali Spa Berlin
Sprung ins warme Nass: Blick in das zentrale Schwimmbecken im Vabali Spa BerlinVabali Spa Berlin

Von vornherein wird hier den Besuchern klargemacht, dass sie nun in einen freigeistigen Bereich eintreten, wo alle Geschlechter unbekleidet zusammen ein­tauchen in das große Glück der körperlichen und seelischen Entspannung. Allerdings braucht man im Vabali dafür einen Moment. Denn vor der Entspannung kommt die Orientierung – und die fällt nicht leicht. Zwar gibt es Überblickskarten und Ausschilderungen, aber wer hier zum ersten Mal ist, der kann sich kurz überfordert fühlen. Zehn Saunen, drei Dampfbäder, vier Pools, dazu Massageräume, Ruheoasen und ein Restaurant bilden den Kern der balinesisch orientierten Wellnessoase. Dazu kommt ein weitläufiger Garten, der mit vielen Sonnenliegen, kleinen hübschen Pavillons und alten Bäumen zum Verweilen einlädt. Und doch hält man es im Angesicht der Auswahl zunächst nicht lange an einem Ort aus, zu viele außergewöhnliche Spots gibt es zu entdecken, zu groß ist die Furcht, die entscheidende Entspannungsmöglichkeit zu verpassen.

Romantische Ambitionen

Oben auf den Terrassen des Badehauses gibt es Whirlpools und kalte Duschen, große Schalen mit Räucherkerzen sorgen für einen gemütlichen Gemütszustand. Den Austausch von Zärtlichkeiten aber, darauf wird deutlich hingewiesen, solle man bitte „auf ein Minimum reduzieren“. Wer romantische Ambitionen hat, kann sich eine Suite mieten und dort im intimen Rahmen baden und Champagner trinken. Ein Garten mit Pavillon gehört ebenso zum Angebot wie ein Obstteller.

Floaten pur: Blick ins Liquidrom.
Floaten pur: Blick ins Liquidrom.Liquidrom

Eines der beliebtesten Orte des Vabali ist die Birkensauna. Die Sitzbänke der Holzhütte sind meist schon zehn Minuten vor dem Aufguss bis auf den letzten Platz belegt. Immer wieder laufen Zuspätkommende verdutzt in die Sauna und werden unter allgemeinem Johlen wieder hinausgeschickt. Dann kommt der Aufgussmeister mit Birkenzweigen, benetzt die heißen Steine des Saunaofens mit Wasser und wirbelt mit den Zweigen durch den Raum. Es wird gemeinsam geschwitzt und gestöhnt, gehüstelt und schließlich geflohen. Aus dem heißen Ne­bel torkelt die Berliner Wellnesselite hervor und lässt sich im schimmernden Licht des Vollmonds in einen der bereitstehenden Korbsessel fallen.

Das ist die eine Variante. Die andere heißt: Liquidrom. Direkt hinter dem Kreuzberger Veranstaltungsort Tempodrom bietet es das Gegenteil zum überbordenden Großflächengefühl des balinesischen Spa-Konkurrenten. Hier bestimmen Übersichtlichkeit und Intimität das Grundgefühl des Besuchers. Statt 500 werden hier nur 100 Personen zugelassen, der Eintrittspreis für drei Stunden Sauna und Therme, inklusive Handtuch, beträgt 40 Euro. Statt zehn gibt es hier nur drei Saunen und ein Dampfbad, aber dafür ein riesiges, mit 36 Grad warmem Salzwasser gefülltes Schwimmbecken un­­ter einem zirkuszeltartigen Dach. Ursprünglich wurde der Raum als dritter Konzertsaal konzipiert, aber vor siebzehn Jahren dann von einem phantasievollen Entwickler als Spa umgenutzt. Jetzt finden hier Unterwasserkonzerte statt. Wie beim Floaten kann man sich ins Becken legen und dabei Klänge von House-Musik hören. Auf Hinweisschildern wird vor „dem Austausch körperlicher Zärtlichkeiten“ gewarnt und bei Zuwiderhandlung mit Hausverbot gedroht: „Aus gegebenen Grund erfolgt eine Videoüberwachung.“

Das Saunafloss kann auf den Brandenburger Seen gemietet und gefahren werden kann. Die Sauna wird vorgeheizt und man springt direkt ins Wasser.
Das Saunafloss kann auf den Brandenburger Seen gemietet und gefahren werden kann. Die Sauna wird vorgeheizt und man springt direkt ins Wasser.Jens Gyarmaty

Das korrespondiert natürlich nicht unmittelbar mit einem Entspannungsgefühl. In der Dampfsauna begegnet man später im Dunkel einem leidenschaftlich küssenden Pärchen, das sich verschreckt in unterschiedliche Ecken flüchtet. Ist Küssen im Liquidrom erlaubt oder strafbar? Was verboten ist, ist der Gebrauch von Mobiltelefonen. Genau wie im Va­bali wird selbst der kurze Blick auf das Display von Mitarbeitern sanktioniert. Freundlich, aber bestimmt begleiten sie den Delinquenten zum Spind und überwachen, ob man das Telefon verschließt. Eine etwas arg pädagogische Maßnahme, die aber zum sorgenlosen Entspannungsgefühl der anderen beiträgt. Denn was nützt schon die wärmste Sauna, wenn nebenan gestöhnt wird oder der Nachbar laut mit seinem Anlageberater telefoniert.

Sonnendeck mit Solarzelle

Wer ganz sicher sein will, dass er beim Entspannen nicht gestört wird, dem sei zuletzt noch eine dritte, etwas extravagantere Möglichkeit empfohlen. Ein Geheimtipp vor den Türen der Stadt. Richtung Potsdam. Dort, am Ufer des Jungfernsees, bieten zwei handwerklich ge­schickte Brüder ihre selbst konstruierten Saunaflöße an, die man sich ausleihen kann. Auf eigene Faust erkundet man mit der schwimmenden Sauna die Havelländer Seenlandschaft und ankert an einem Ort der Wahl. An Bord gibt es eine geräumige finnische Sauna mit Ruheraum, die mittels eines Holzofens schnell auf Temperatur gebracht wird. Oben auf dem Dach ist ein Sonnendeck mit einer Solarzelle, die das Floß mit Strom versorgt, unten gibt es neben Campingkocher und Wassertank auch eine Biotoilette.

Wagemutige können das Floß auch für längere Expeditionen auf der Havel nutzen und sogar eine ganze Nacht dort verbringen. Mit wenigen Handgriffen lässt sich der Saunaraum zu zwei Schlafkojen umbauen. Bis zu sechs Personen können auf den Saunaflößen entspannen. Zuletzt aber hat eine Besuchergruppe das Floß zu ganz anderen Zwecken gemietet.

Teile des bekannt gewordenen Correctiv-Recherche-Teams, die das „Potsdamer Geheimtreffen“ im nahe gelegenen Hotel Al­brechtshof aufdeckten, haben die Zusammenkunft von hier aus beschattet. Bei der feierlichen Festvorführung ihrer Ergebnisse am Berliner Ensemble neulich wurden die Saunafloßvermieter lobend erwähnt. Allerdings wussten die beiden gar nichts von ihrem „demokratierettenden Dienst“. Wie auch immer: Wer es sich leisten kann – die Mietpreise variieren je nach Dauer und Gruppengröße von 220 bis 490 Euro – und wer den nötigen Abenteuergeist hat, der wird sich auf der nach slawischen Flussgöttinnen benannten „Rusalki“ oder „Habula“ so wohl fühlen wie an keinem anderen Spa-Ort in der Stadt. Der wird im Vollmond in einer Bucht vor Anker gehen, den Ofen anfeuern, schwitzen, ins eiskalte Havelwasser springen, einen Rotwein öffnen, Musik anmachen und denken: wie nah Spannung und Entspannung manchmal doch zusammenliegen können.

Informationen unter: www.vabali.de/berlin, www.liquidrom-berlin.de und www.seekult.com.