Schlag gegen Iran :
In der nahöstlichen Gewaltdynamik

Alexander Haneke
Ein Kommentar von Alexander Haneke
Lesezeit: 2 Min.
Irans Vergeltungswaffen: Straßenszene in Teheran am 19. April 2024
Es scheint, als habe der internationale Druck auf Israel gewirkt. Ein massiver Schlag gegen Iran bleibt zunächst aus. Doch das Grundproblem ist vollkommen ungelöst: Iran baut weiter an der Bombe.

Noch ist nicht klar, ob die jüngste Eskalationsrunde zwischen Israel und Iran mit den Nadelstichen von Isfahan und Täbris abgeschlossen ist – und wie schmerzhaft die Schläge wirklich waren. Teheran hat großes Interesse daran, die Folgen herunterzuspielen, zumal der eigene Angriff auf Israel weitgehend wirkungslos blieb. In der Schulhoflogik der nahöstlichen Vergeltungspolitik geht es auch darum, vor den eigenen Leuten nicht als Verlierer dazustehen. Dazu passt das präpotente Gebaren iranischer Funktionäre, die über den begrenzten Umfang des  Gegenschlags spotten.

Immerhin senden beide Seiten mit ihren Aktionen das Signal, dass sie derzeit keine weitere Ausweitung der Kampfzone  anstreben, nachdem sie nach Jahren des Schattenkriegs erstmals offene Schläge ausgetauscht haben. Iran sicherlich, weil es eine Machtdemonstration  Israels fürchtet; Israel wahrscheinlich, weil der Druck des Westens wirkt.

Nun bleibt zu hoffen, dass diese eingeschränkt gewaltsame Lösung für beide Seiten   hinreichend gesichtswahrend ist und sich der internationale Fokus wieder auf Gaza richten kann, wo jeden Tag  Menschen sterben.

Zum Aufatmen besteht indes kein Grund. Iran steht  kurz vor der Schwelle, bei deren Überschreiten es eigene Nuklearwaffen bauen kann. Käme es dazu, würde in der Region eine  neue Dynamik entfacht: Israel fühlt sich von einer Atombombe in den Händen Teherans existenziell bedroht.

Ein Schlag mit unabsehbaren Folgen

Irans Konkurrenten, allen voran Saudi-Arabien, sähen sich möglicherweise gezwungen, selbst atomar aufzurüsten.

Doch auch ein  militärischer Schlag gegen Irans Nuklearanlagen hätte kaum abseh­bare Folgen:  Dem Regime würde ein Angriff wohl das letzte Argument liefern, dass Iran zum eigenen Schutz die Bombe braucht.

Vor allem aber hat Teheran jahrzehntelang vorgebaut und kann mit seinen langen Armen überall in der Region Feuer entfachen. Bislang versucht der Westen, die Gefahr auf vielen Ebenen durch nichtmilitärische Mittel einzuhegen. Wie lange das noch gut geht, ist ungewiss.