Kolumne „Uni live“ :
Was tun mit Leerstellen im Studium?

Von Johann Thöming
Lesezeit: 3 Min.
Wie lang darf eine Uni-Pause dauern?
Eine Prüfungsphase ist abgeschlossen – und jetzt? Ein Plädoyer für das Selbststudium in der kostbaren Zeit zwischen den Semestern.

Gestern Abend erzählte mir ein Kommilitone bei einem Bier in einer gemütlichen Tübinger Altstadt-Bar, er würde in den Semesterferien als Werkstudent arbeiten. Das überraschte mich, denn bisher waren wir beide nach Ende der Prüfungen häufig feiern gegangen. Sobald der Kater dann vorüber war, stand meistens der nächste Urlaub vor der Tür. Mein Bekannter erzählte weiter, er habe genug davon, die wertvolle und rare Zeit, über die wir frei verfügten, nur totzuschlagen und keiner sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Sein Bedürfnis nach beruflicher Erfahrung und finanzieller Vergütung ist nur zu nachvollziehbar. Doch man kann natürlich auch ganz anders spontane Leerstellen im Studium sinnvoll ausfüllen.

Freizeit bewusst zu gestalten, ist nicht einfach, wenn plötzlich die Arbeitsbelastung des Semesters, die durchaus sinnstiftend war, wegbricht. Die meisten meiner Freunde im Studium, die nicht direkt verreisen, nutzen die Zeit nach den Prüfungen, um in der Stadt Feiern zu gehen - als Ausgleich zu den Stressphasen. Die damit verbundene ausgelassene Stimmung kann gerade in einer Zeit, in der immer mehr Studierende unter psychischem Druck leiden, als seelischer Balsam empfunden werden. Doch sollte man maßloses Partymachen als Energiequelle nicht überschätzen. Es ist letztlich doch körperlich anstrengend, zu viel zu trinken und wenig zu schlafen. Insofern wird wohl niemand permanentes Steilgehen als dauerhaft sinnvollen und gesunden Lückenbüßer betrachten.

Und wie steht es mit schlichtem Ausruhen? Nachdem ich meine letzte Prüfung im Bachelor absolviert hatte, fühlte ich mich gleichzeitig so erschlagen und glücklich, dass ich erst einmal nichts tat. Eine Bekannte berichtete von einer ganz ähnlichen Erfahrung: Nach den Prüfungen wolle sie einfach nur chillen und die Sonne genießen. Man sollte es damit nur nicht übertreiben, denn ein Übermaß an Untätigkeit kann schnell zu einem Zustand lethargischen Stumpfsinns führen. Es gehört zur Eigenverantwortung, die Freizeit im Studium, sofern vorhanden, substantiell zu füllen.

Mit Disziplin am Ball bleiben

Wie wäre es, die freigewordene Zeit ganz bewusst in das Ausprobieren neuer Kochrezepte oder neuer Sportarten zu investieren? Sowohl Kochen und sich gesund ernähren als auch Sporttreiben sind Tätigkeiten, die in stressigen Phasen häufig zu kurz kommen. Gleichzeitig helfen sie bei der Stressbewältigung.

Doch was ist zu tun, wenn wir ausgeruht, satt, ausgelassen sind und so viel Zeit in unser soziales Umfeld investiert haben, dass wir es nicht mehr sehen können? In diesem Fall kann eine substantielle Tätigkeit, die über einen bloßen Zeitvertreib hinausgeht, in einer gezielten Weiterbildung liegen. Neben beruflichen Erfahrungen als Werkstudent oder Praktikant erscheint die Vertiefung von Interessengebieten besonders empfehlenswert. Dabei spielt es, scheint mir, keine Rolle, ob wir privat oder akademisch an diesen Themen interessiert sind. Ein nächster Schritt könnte darin bestehen, das erworbene Wissen in der Praxis auszuprobieren und so neue Fähigkeiten zu entwickeln.

Ein solches Selbststudium hat viele Vorteile. Man erweitert seinen Horizont und tut Möglichkeiten auf, das eigene Profil zu schärfen, als Student und darüber hinaus. Studierende, die ihr Studium eher extrinsisch motiviert absolvieren, bekommen Gelegenheit, sich einmal ganz mit intrinsischem Interesse in ein Thema zu vertiefen.

Zwar kann ein solches Projekt eine Herausforderung darstellen. Schließlich müssen wir zunächst unsere Interessen identifizieren und anschließend mit Disziplin am Ball bleiben. Andererseits werden angehende Akademiker ständig mit der Aufgabe konfrontiert, eigenverantwortlich Literatur zu rezipieren und anspruchsvolle Projekte zu initiieren. Folglich sollte diese Herausforderung zu bewältigen sein. Es lockt attraktiver Profit: neben den inhaltlichen Ergebnissen des Selbststudiums vor allem eine Verbesserung der Selbstdisziplin.