Zukunft des Arbeitsmarkts :
Transformationspolitik statt Entlassungswelle

Von Enzo Weber
Lesezeit: 3 Min.
Blick ins Porsche-Werk in Leipzig
Der Arbeitsmarkt muss sich weiterentwickeln, wenn neue hochwertige Stellen in Deutschland etabliert werden sollen. Die Mittel dafür sind vorhanden. Ein Gastbeitrag.

Entlassungswelle – wer derzeit die Nachrichten von Großkonzernen liest, gewinnt den Eindruck, die Beschäftigung würde regelrecht einbrechen. In der Tat, Deutschland hängt in einem Wirtschaftsabschwung fest, und auch am Arbeitsmarkt ist diese Entwicklung angekommen.

Mit der Energiekrise sind die Wechsel aus Jobs in Arbeitslosigkeit über das vergangene Jahr gestiegen. Aber: Es geht um einen moderaten Anstieg, und das Niveau liegt weiterhin niedriger als vor Corona. Tatsächlich verzeichnen wir noch immer die nach 2022 zweitgeringste Entlassungsquote seit dem Wirtschaftswunder. Das hat auch einen Grund: Arbeitskräfte sind so knapp geworden, dass die Betriebe ihre Beschäftigten nach Möglichkeit an Bord halten.

Dementsprechend hat auch die Beschäftigung bis zuletzt weiter zugenommen – inmitten eines Wirtschaftsabschwungs. Allerdings wurde die Entwicklung über das vergangene Jahr gedämpft, die Beschäftigung steigt also nicht mehr so stark wie zuvor. Im Bau, Handel und verarbeitenden Gewerbe geht es mittlerweile nach unten, wenn auch nur leicht.

Die eigentliche Herausforderung ist nicht eine Entlassungswelle, sondern eine tiefgreifende wirtschaftliche Transformation. Diese Transformation bringt außergewöhnliche Chancen mit sich, auf neue Geschäftsmodelle, Innovationen und Technologieanwendungen. Wenn hochwertige Stellen in Deutschland weiterentwickelt und neue etabliert werden sollen, müssen neue Geschäftsfelder besetzt und Umbrüche initiiert werden. Es geht also um Investitionsförderung und Technologieentwicklung.

Verfassungsgerichtsurteil grenzt Finanzrahmen ein

Der Knackpunkt ist: Welche Impulse lassen sich in dieser Legislatur konkret noch setzen, also unter den gegebenen finanziellen und politischen Bedingungen? Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts und die Richtungsdebatten in der Ampelkoalition setzen hier die Anforderungen.

Eine entschiedene Investitionsförderung wäre für einen transformationsorientierten Wirtschaftsaufschwung ein zentraler Faktor. Offensichtlich sind zusätzliche Maßnahmen aber durch den Finanzrahmen begrenzt, seit dem Verfassungsgerichtsurteil mehr denn je. Eine Möglichkeit ist, alte Subventionen im Gegenzug abzubauen, die vielleicht sogar transformationshemmend wirken. Die Agrardieselförderung ist dafür ein prominentes Beispiel.

Dieser Fall zeigt aber zugleich die Schwierigkeiten: Alle Gruppen werden sich vehement für ihre Interessen einsetzen. Viele werden auch durchaus gute Gründe dafür haben, denn die Energie- und Materialpreise haben zu breiten Belastungen geführt.

Bei dauerhafter Empörung würde das Land aber praktisch unregierbar. Deshalb sollte der Tausch alter Subventionen gegen neue Förderungen eins zu eins in jedem Bereich umgesetzt werden. Kein Bereich würde also unterm Strich schlechter gestellt, aber alle alten Programme würden durchgekämmt. In der Summe könnte durch einen Subventionstausch neue Transformationsförderung in erheblichem Umfang ermöglicht werden.

Transformationspaket aus Förderung und Marktsteuerung?

Der große wirtschaftspolitische Richtungsstreit geht darum, ob die Transformation stärker durch staatliche Aktivität und Förderung voranzubringen ist oder stärker über Marktlösungen wie den CO2-Preis. Ökonomisch schließen sich diese Optionen aber keineswegs aus, sondern es ist sinnvoll, beide Instrumente zu kombinieren: Der CO2-Preis generiert Einnahmen, die für die Förderung herangezogen werden können. Die Förderung wiederum gleicht die Kostenbelastung durch den CO2-Preis aus. Beide Instrumente wirken dabei gemeinsam in Richtung schnellerer Dekarbonisierung und Transformation.

Es könnte also ein Transformationspaket aus Förderung und Marktsteuerung geschnürt werden, das breit zustimmungsfähig ist und einen zusätzlichen transformativen Impuls setzen würde.

Außergewöhnliche Chancen implizieren auch außergewöhnliche Risiken, eta­blierte Stärken zu verlieren, wenn man die Chancen nicht ergreift. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft hängt also wesentlich davon ab, wie entschieden man die Transformationspolitik betreibt. Und das wird am Arbeitsmarkt auch den Unterschied ausmachen zwischen einer Entlassungswelle und einer Fortschrittswelle mit Perspektive.

Genau dafür muss neben der Wirtschafts- auch die Arbeitsmarktpolitik aufgestellt werden. Wenn Jobs zu Ende gehen, wie in der Produktion von Verbrennungsmotoren, müssen wir in der Lage sein, Beschäftigte in verwandte aufstrebende Bereiche weiterzuentwickeln. Die Mittel dafür sind nicht in erster Linie Umschulungen, sondern gezielte Qualifizierung und Vermittlung in Tätigkeiten, in denen Kompetenzen und Arbeitserfahrung weiter genutzt werden können. Denn Deutschland verfügt über das, was einen kritischen Faktor für die Energiewende ausmacht: Arbeitskräfte mit sehr guten technischen Fähigkeiten.

Enzo Weber ist Leiter des Bereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs-forschung (IAB) und Professor für empirische Wirtschaftsforschung in Regensburg.