Weiß am Zug

Schach :
Schach

Von Stefan Löffler
Lesezeit: 2 Min.

Den indischen Fans, die von Runde zu Runde zahlreicher beim Kandidatenturnier in Toronto auftauchten, war es wahrscheinlich egal, wer von ihren fünf Landsleuten – drei bei den Männern, zwei bei den Frauen – vorn landet. Als der jüngste von ihnen die Führung erst teilte, dann an sich riss, war er ihr Held. „Gukesh“, johlten sie und wollten einfach ein paar Momente in seiner Nähe verbringen. 64 Dollar für den Zutritt zur Fanzone, mit Besuch des Turniersaals gut das Doppelte, war vielen zu viel. Also harrten sie stundenlang vor der Great Hall aus, um ihren Helden auf den paar Schritten zwischen dem Hotel-Shuttle und der Schwingtür abzupassen. Oder sie pilgerten in den Bellwood Park zum Meet-up, aus dem Boden gestampft von Sagar Shah, dem großen Vernetzer der indischen Schach-Community. Obwohl es Dienstagmittag war, kamen mehr als 200 Fans, zumeist Inder. Einer durfte dem Sensationssieger ein Stück Gratulationskuchen – mit „Champ Gukesh“ aus blauem Zuckerguss drauf – in den Mund schieben. Nachdem alle ihr Autogramm oder Selfie hatten, eine Dreiviertelstunde später als geplant, lotsten drei Sicherheitsmänner Gukesh zum Auto, denn er musste zum Flieger. Bis zum Donnerstagmorgen war er von Kanada ins südindische Chennai unterwegs. Am Flughafen erwarteten ihn Dutzende Kameras und Mikrofone. Die Umarmung seiner Mutter wollte dokumentiert werden. Unter den Gratulanten ist Premierminister Modi. Bestimmt hat auch Bollywood schon von Gukesh Notiz genommen. Er sieht blendend aus wie ein Filmstar. Unterwegs bringt ihm gewöhnlich sein Vater das Essen ins Hotelzimmer, damit er seine Vorbereitung nicht zu unterbrechen braucht. Zeit nimmt er sich für ­Yoga und Meditationsübungen, um sich mental zu stärken. Sightseeing gönnt er sich höchstens mal, wenn ein Turnier vorbei ist, wie am Montag zu den Niagarafällen. Bleibt es bei November, wird Gukesh bei seinem ersten WM-Kampf drei Jahre jünger als Garri Kasparow, viereinhalb Jahre jünger als Magnus Carlsen sein. Saudi-Arabien und mindestens vier indische Bundesstaaten sind an der Ausrichtung interessiert. Es wird der erste WM-Kampf ohne europäische Beteiligung, der erste zwischen zwei Asiaten. Titelverteidiger Ding Liren sah zuletzt nicht gut aus, doch Gukesh konnte er in ihren einzigen Spielen mit klassischer Bedenkzeit zweimal mit Schwarz, zweimal in Wijk aan Zee besiegen. Bei ihrer ersten Begegnung in einem Onlineschnellturnier war der Inder gerade 15. Ding kam damals glücklich mit einem Remis davon. Kürzlich in Weissenhaus wurde der Weltmeister von seinem jetzigen Herausforderer schon glatt überspielt. Wie stellt Weiß es am besten an?

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