Schwangerschaftsabbrüche :
„Viele Frauen fühlen sich im Stich gelassen“

Von Leonie Theiding
Lesezeit: 3 Min.
Demonstranten protestieren 2015 in Berlin für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Oft müssen ungewollt Schwangere weit fahren, um Hilfsangebote zu erreichen. Schon allein an Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zu kommen ist schwierig. Wissenschaftler fordern, den Zugang zu Ärzten und Beratung zu erleichtern.

Viel wird über Frauen diskutiert, die eine Schwangerschaft abbrechen. Nun wurden im Rahmen einer Studie betroffene Frauen und Ärzte direkt befragt, ein Teil der Ergebnisse wurde diese Woche veröffentlicht. Unter dem Titel „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“ haben sechs Hochschulen dreieinhalb Jahre lang geforscht. Im Herbst werden die gesamten Ergebnisse samt Handlungsempfehlungen vorgestellt. Am Projekt beteiligt sind neben dem Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut zu Geschlechterfragen Freiburg auch die Freie Universität Berlin, die Universität Ulm sowie die Hochschulen Fulda, Merseburg und Nordhausen.

Ursprünglich hatte der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Studie in Auftrag gegeben, um die seelischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen zu untersuchen. Empirisch belegt werden konnte jedoch nicht, dass der Schwangerschaftsabbruch zu psychischen Problemen führt. Stattdessen sind es einerseits die psychischen Probleme und familiären Bedingungen, die schon vor der Schwangerschaft existierten, die die Betroffenen belasten.

Jedoch erschweren institutionelle Probleme die Lage der ungewollt Schwangeren: So berichten 80 Prozent der befragten Frauen von Schwierigkeiten, an Informationen und Hilfsangebote zu kommen. Von 400 deutschen Landkreisen wird demnach in 85 keine angemessene räumliche Erreichbarkeit von Hilfsangeboten gewährleistet. Vor allem im Süden und Westen des Landes müssen Frauen dafür mehr als 40 Minuten mit dem Auto fahren. Frauen ohne Auto haben noch längere Anreisezeiten.

Jeder fünften Frau fällt es schwer den Abbruch zu bezahlen

Auch die Kosten für einen Abbruch zu begleichen fällt nach Angaben der Studie jeder fünften Frau schwer. Auch sei es ein Problem, dass Ärzte ihre Leistungen zum Schwangerschaftsabbruch auf ihrer Website selten angeben, obwohl inzwischen das Werbeverbot aufgehoben wurde. Wenn Frauen nach Informationen über den Schwangerschaftsabbruch suchen, finden sie überwiegend journalistische Beiträge. Fast 60 Prozent der Befragten fiel es somit schwer, an Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zu kommen. Um hier Abhilfe zu leisten, haben Ärzte und Beratungsstellen eine App und eine Plakatkampagne vorgeschlagen.

Vulnerable Gruppen wie zum Beispiel Frauen, die Gewalt in ihrer Beziehung erleben oder unter psychischen Problemen leiden, haben zudem spezifische Bedürfnisse, die nicht erfüllt werden. Dabei müssen ungewollt Schwangere, die aufgrund von psychischen Problemen Medikamente einnehmen, sich besonders schnell Hilfe suchen.

Mehrheit der Ärzte fordert Abbrüche zu entkriminalisieren

Die Versorgungslage der Betroffenen wird nach den Angaben dadurch beeinflusst, dass Schwangerschaftsabbrüche illegal sind. Wenn der Abbruch in den ersten drei Monate geschieht und die Betroffenen beraten werden, ist dieser straffrei. Mehr als 75 Prozent der befragten Ärzte fordern, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren. Wiederum können sich 43 Prozent der Gynäkologen, die keine Abbrüche vornehmen, vorstellen, dies zu tun, wenn Barrieren wegfallen würden.

Ärzte werden belästigt, bedroht, angezeigt und angegriffen, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. 65 Prozent von ihnen haben diese Stigmatisierungen bereits erlebt. Zudem erlernen nicht alle Ärzte in ihrer Ausbildung diesen Eingriff. So fordern 88 Prozent der befragten Ärzte, den Eingriff in die Weiterbildung aufzunehmen. 98 Prozent sprechen sich dafür aus, verbindliche Behandlungsvorgaben zu etablieren.