Aufnahme aus dem Jahr 2005, als Messner den ersten Schuh erhielt: Inzwischen steht er in einem von Messners Museen. (Archivbild)

Fast zwei Jahre nach Fund :
Reinhold Messner erhält zweiten Schuh seines Bruders

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Es war die Expedition, die ihn prägte wie keine andere. Die ihn bis heute beschäftigt, ihn ­im­mer noch aufwühlt, wie sich dieser Tage wieder zeigte. Pakistan, Juni 1970, der Nanga Parbat (8125 Meter). Reinhold Messners erste Achttausender-Expedition. Das Ziel: die erste Ersteigung über die 4500 Meter hohe Rupalwand, die höchste Wand der Erde. Nach wochenlangen Vorbereitungen der Expeditionsmannschaft stieg Messner am 27. Juni verabredungs­gemäß vom letzten Lager aus allein Richtung Gipfel auf. Stunden später sah er: Sein jüngerer Bruder Günther stieg ihm nach, auf eigene Faust.

Beide erreichten den Gipfel, doch Günther sei danach stark geschwächt gewesen, offenbar höhenkrank. Sie hatten kein Seil dabei, daher war nach Einschätzung Reinhold Messners für Günther ein Abstieg über die steile Ru­palwand unmöglich. Es sei nur die Möglichkeit geblieben, über die weniger steile, aber nicht erkundete Diamir-Seite des Nanga Parbat abzu­steigen. Reinhold Messner überlebte knapp, trotz schwerer Erfrierungen und ­Tagen ohne Essen und Trinken. Günther Messner blieb verschollen.

Es folgte jahrelanger erbitterter Streit: Unter anderem warfen Expe­ditionsmitglieder Reinhold Messner vor, die erste Überschreitung des Nanga Parbat schon zuvor geplant, den Bruder auf der Aufstiegsroute Richtung Lager zurückgeschickt, ihn seinem Ehrgeiz geopfert zu haben.

Sterbliche Überreste wurden feuerbestattet

Im Juli 2005 wurden nach Angaben Messners auf der Diamir-Seite in 4600 Meter Höhe Überreste eines Leichnams gefunden. Er identifizierte sie aufgrund von Ausrüstungsgegenständen als seinen toten Bruder. Eine Untersuchung von Gewebeproben durch Experten der Universität Innsbruck ergab, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Proben von Günther Messner stammten, um 17,8 Millionen Mal höher sei, als dass sie von einer fremden Person stammten.

Die sterb­lichen Überreste des Toten wurden in einer Zeremonie in Pakistan feuer­bestattet. Für Reinhold Messner war der Fund die Bestätigung der Angaben, die er zum Tod seines Bruders am Nanga Parbat gemacht hatte. Demnach wurde der damals 24 Jahre alte Günther Messner beim Abstieg auf der Diamir-Seite vermutlich von einer ­Lawine erfasst.

Einer der Bergschuhe Günther Messners, der 2005 am Diamir-Gletscher entdeckt worden sei, steht ­in­zwischen im Messner Mountain ­Mu­seum Firmian auf Schloss Sigmunds­kron bei Bozen. Den zweiten Schuh, damals eine Spezialanfertigung für die Expedition zum Nanga Parbat, fanden Einheimische laut Messner 2022 auf dem Diamir-Gletscher, offenbar einige Hundert Meter entfernt vom ersten Fundort.

Nun wurde Reinhold Messner auch dieser Schuh übergeben, wie auf ei­nem ­Video zu sehen ist, das der 79 Jahre ­alte Südtiroler auf Instagram ver­öffentlichte. Darauf sieht man auch, wie er den Schuh sichtlich ­be­wegt entgegennimmt.

„Liver Khan gab ihn mir heute und ­widerlegte damit endgültig die Verschwörungstheorien über Günther und die Tragödie am Nanga Parbat“, teilte er dazu mit. Reinhold Messner schloss: „Günther, vielen Dank, und ich denke an dich.“