Verbraucherkredite :
Die EU will junge Verbraucher besser vor Überschuldung schützen

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Gefahr für junge Konsumenten: Spontane Einkäufe mit dem Handy verführen zu übermäßigen Ausgaben.
Die Möglichkeiten des Internets führen viele in Versuchung. Anbieter von „Buy now, pay later“ müssen nun künftig frühzeitig eine Kreditwürdigkeitsprüfung durchführen.

Der Onlinekauf auf Kredit wird künftig an strengere Bedingungen gebunden als bisher. Zu diesem Zweck hat das Europaparlament am Dienstag in Straßburg die Neufassung der EU-Verbraucherrichtlinie beschlossen. Die Parlamentarier bestätigten damit eine vorläufige Einigung der Unterhändler aus Parlament und Mitgliedstaaten vom Dezember 2022. Die Novelle betrifft Kreditgeber und -nehmer gleichermaßen.

Erstere müssen genauer über die Kreditkonditionen informieren als bisher. So müssen die Zinskosten in Euro und Cent ausgewiesen werden, die Anbieter werden ferner in ihren Werbemöglichkeiten beschränkt. Zweitere müssen sich auf eine striktere Prüfung ihrer Kreditwürdigkeit einstellen. Diese soll aber „im Sinne der Verbraucher“ erfolgen. Mit der Parlamentsabstimmung sind die Gesetzesberatungen abgeschlossen. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis 2026 in nationales Recht überführen.

Der Kreditkauf im Internet hatte noch in den Kinderschuhen gesteckt, als die EU 2008 ihre Verbraucherkreditrichtlinie zuletzt anpasste. Die zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Vera Jourova nannte es notwendig, Verbraucher besser vor Kreditrisiken beim Onlinekauf zu schützen. Das gelte besonders für die „schutzbedürftigsten Verbraucher“, ergänzte Justizkommissar Didier Reynders.

Die bislang gültige Fassung sei weder fit fürs digitale Zeitalter noch schütze sie die Verbraucher zuverlässig vor gefährlichen Geschäftspraktiken, sagte der Parlaments-Schattenberichterstatter Malte Gallée (Grüne). Das sei angesichts der seit der Covid-Pandemie massiv gestiegenen Onlineeinkäufe besonders problematisch. „Deshalb gibt es jetzt ein dringend nötiges Update für die Regeln.“ Nach Angaben der EU-Kommission schließt etwa ein Drittel der Verbraucher in der EU Kredite online ab.

Gesetz zielt auf „Buy now, pay later“

Die neu gefasste Richtlinie betrifft alle Kredite bis 100.000 Euro, Überziehungsmöglichkeiten mit einer Rückzahlungsfrist von bis zu einem Monat. Speziell zielt das neue Gesetz auf neue Bezahl- und Kreditangebote für den Onlinekauf, besonders Kleinkredite und sogenannte „Buy now, pay later“(BNPL)-Angebote, eine Art moderner Rechnungskauf. Die besonders weit reichenden Änderungen betreffen diese neuen Möglichkeiten. Die in diesem Teilmarkt agierenden Anbieter müssen die Bonität ihrer Kunden genauer prüfen und ihre Konditionen transparenter machen. Die Informationen etwa aus einer Schufa-Abfrage reichten offenbar nicht aus, heißt es im Europaparlament.

Gallée verweist auf den Trend der „Klarna-Schulden“, der besonders junge Verbraucher belastet. Mit dem schwedischen Anbieter Klarna können Käufe in Onlineshops auf Rechnung bezahlt werden. Die Rechnung ist danach meist erst nach 30 Tagen fällig. Steht das nächste Gehalt noch aus oder wird mehr bestellt, als am Ende behalten wird, verleitet das zu einem Rechnungskauf. Auf unbeglichene Beträge folgen bei Klarna zunächst drei gebührenpflichtige Mahnungen, danach kommt ein Inkassoverfahren, alternativ ein Ratenkauf mit hohen Zinszahlungen.

Der Trend der Klarna-Schulden illus­triert, dass sich vor allem junge Menschen teils mit mehreren 10.000 Euro durch Onlineshopping verschuldet haben. Für diese Art von Kleinkrediten und Käufen auf Rechnung müssten die Kreditanbieter künftig nicht nur frühzeitig Bonitätsprüfungen durchführen, sondern auch gezwungen werden, die Käufer nicht in die Schuldenfalle zu treiben, sagt Gallée. Besonders gehe es darum, einkommensschwache Haushalte vor Überschuldung und finanziellen Schwierigkeiten zu schützen. „Was aussieht wie ein Kredit, soll auch behandelt werden wie ein Kredit.“

Verbraucherschützer voll des Lobes

Auch wenn der Rechnungskauf im Netz vor allem für Großanbieter stärker reguliert wird als bisher, so bleibt er weiterhin möglich. Im Frühjahr hatten der Branchenverband der Onlinehändler und die Verbraucherschützer gemeinsam davor gewarnt, dass der vor allem in Deutschland beliebte Kauf auf Rechnung – also die Bezahlung erst nach Erhalt der Ware – unmöglich werde. Johannes Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband lobte die Neufassung nun aber ausdrücklich.

Sie biete die Möglichkeit, einen effektiven Schutz vor Überschuldung sicherzustellen. Mit der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung müsse sichergestellt werden, dass die Anbieter jeweils die individuelle Zahlungsfähigkeit ermitteln müssen, sagte Müller weiter. „Der Dispokredit wird zum Problem, wenn Verbraucher und Verbraucherinnen dauerhaft tief im Minus stehen. Kreditinstitute müssen verpflichtet werden, die individuelle Höhe des Disporahmens so zu bestimmen, dass Verbraucher diesen kurz- bis mittelfristig ausgleichen können. Damit werden überfordernde Zinskosten und eine Kreditfalle konsequent vermieden.“

Unzufrieden sind die Verbraucherschützer mit den Bestimmungen zum Schutz vor Wucher. Die Bundesregierung müsse im Rahmen der nationalen Richtlinienumsetzung gesetzliche Obergrenzen für Zins und Tilgung transparent darstellen und „aktiv durchsetzen“.