Amy Winehouse Biopic :
Bloß kein Spice Girl werden

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„No, no, no“: Marisa Abela als Amy Winehouse
Knapp dreizehn Jahre nach ihrem Tod erscheint ein Biopic über Aufstieg und Niedergang der großartigen Jazzsängerin Amy Winehouse. Kann das gut gehen? Falls gut kitschfrei meint: Nein. Aber anders gut.

So ist das: Auf der einen Seite diejenigen, die besonders tief empfinden, manchmal tiefer, als es ihnen lieb ist. Auf der anderen Seite die, deren Gemüter nicht zum Extrem neigen. Die einen blicken auf die anderen mit Neid, Spott, Staunen. Wie ist das, seinen Gefühlen so ausgeliefert zu sein? Oder: Wie mag das sein, eine Höhle für seine Gefühle zu haben, so dehnbar, dass mitunter eben auch irre Faszinierendes darin entsteht?

Bei Amy Winehouse, die einiges an irre Faszinierendem in diese Welt brachte, gab es Erklärungen für das ihr eigene tiefe Gefühl, für das, was sie schon früh ihre „destructive side“ nannte. Die Trennung der Eltern, später die Krankheit der Großmutter, ihrer wichtigsten Bezugsperson, nebenbei die Sache mit den Männern. Keine Gründe, aus denen man zwangsläufig schon mit 17 Jahren Alkoholexpertin hätte werden müssen. Aber das ist eine Frage der Perspektive und fällt in „Back to Black“, dem neuen Film von Sam Taylor-Johnson mit der britischen Schauspielerin Marisa Abela als Amy ­Winehouse, nur deshalb ins Gewicht, weil da gerade noch ein besonders mädchenhaftes Mädchen im Strickpullover „Fly Me to the Moon“ für ihre Familie gesungen und ihren Vater angebettelt hat, mal wieder bei ihrer Mutter vorbeizuschauen; und im nächsten Moment, als der Anruf von einem Plattenlabel kommt, mit sehr deutlichen Worten zu verstehen gibt, dass sie kein „fucking spice girl“ ist. Ein Biopic also von der „Fifty Shades of Grey“-Regisseurin Sam Taylor-Johnson über Amy Winehouse, 13 Jahre nach deren Tod, neun Jahre nach der Doku mit dem zweifelhaften Titel „Amy – The Girl Behind the Name“. Eine Geschichte vom tiefen Gefühl, von Liebe und Niedergang. Kann eigentlich nicht schiefgehen. Gut gehen auch nicht, falls gut kitschfrei meint. Anders gut allenfalls.

Sie wollte nur Musik machen

Gleich zum Guten: In „Back to Black“ ist Platz für eine durch die Großmutter bestärkte Liebe zum Jazz der Sechziger, für Ronnie Scott’s Club in Camden, für schwarze Musik, Ska und Soul, für prachtvoll drapierte Beehive-Frisuren, alles Altmodische und Überholte und Gespräche darüber, dass Charlie Parker zwar 35 Jahre war, als er starb, aber vor lauter Sucht wie 60 aussah, was der jungen Amy, wie ihre Großmutter findet, zu denken geben sollte. Platz für Familienmomente, die, glaubt man den Vorgänger-Dokus, zumindest im Verhältnis der Tochter zu ihrem meist abwesenden Vater nicht gerade üblich waren. Im Verhältnis zur Großmutter aber umso mehr. Und Platz für die Begeisterung, mit der Amy Winehouse neue Musik entdeckte, Musik von den großartigen Shangri-Las zum Beispiel.

Kurz bevor der große Erfolg kam, hat Amy Winehouse in einem Interview gesagt, die da draußen, die Paparazzi und Boulevardjournalisten, würden schon merken, dass es sich nicht lohne, ihr nachzustellen. Sie wolle schließlich nur Musik machen. Was in etwa so glaubwürdig klang wie die Sätze, die der vom Lennon-Film „Nowhere Boy“ bekannte Drehbuchautor Matt Greenhalgh Marisa Abela in den Mund legt, als sie mit ihrer gerade entdeckten großen Liebe Blake im Bett liegt: Sie sei nicht nur für die Musik gemacht. Sie wolle Kinder, eine Familie. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass beide Aussagen für Amy Winehouse zu verschiedenen Zeitpunkten ihrer Karriere Gültigkeit hatten. Nur traut „Back to Black“ der Liebe zur Musik kaum halb so viel zu wie der Liebe zu Blake Fielder-Civil, dem Herumtreiber, der in einem Pub in Camden in ihr Leben stürzt, ihr die Zukunft im Bierglas voraussagt und sich vor allem dadurch auszeichnet, dass ihm auch dann noch ein Spruch einfällt, wenn die Polizei vor der Haustür steht und fragt, ob sich Drogen in der Wohnung befinden: „I think we’ve done them all.“

Obwohl es viele Berichte gibt, dass Amy Winehouse tatsächlich wie eine Besessene geliebt habe, ist die ganze Sexyness und jugendliche Euphorie, die Marisa Abela in den Beginn dieser toxischen Beziehung steckt, leider schon ein hübsch verkleideter Schritt in den Abgrund, in die Zeit, in der Amy Winehouse Blake zum Unmut ihrer Fans als Dauerthema in ihre Shows holte, als ewigen Quell ihrer künstlerischen Leistung, als männliche Muse; statt als Abhängigen, der sie noch abhängiger machte.

Nach dem zweiten, makellosen, traurigen Album „Back to Black“ (2006) kam bekanntlich nichts Neues mehr. Die Konzerte, die Touren, auch sie haben Amy Winehouse kaputt gemacht. Anfang und Ende des Films ziert ein kleiner, früher Wunsch der Künstlerin: für das erinnert zu werden, was sie ausmachte, fünf Minuten daran Anteil zu haben, dass Menschen ihre Sorgen vergessen, wenn sie ihre Stimme hören. Es ist dieser Drift ins Märchenhafte, der für weit mehr als fünf Minuten vergessen lässt, dass hier ein Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis zu hören ist, dem vieles gelingt, bloß nicht, was Amy Winehouse in ihren besten Momenten gelang; dass da eine Schauspielerin unter größtem Einsatz singt und trinkt und stolpert, ohne je an Amys Komplexität und knarzende Stimme heranzureichen. Und dass sich eine Regisseurin mit Sensibilität der Lebensgeschichte einer großen Jazzkünstlerin annimmt, ohne ihre Höhle mit den Gefühlen zu finden. Wie auch. Aber das Märchen: Das ist es wert.